„Tschechien hat nicht die Kraft“ – Bayerische Skepsis gegenüber tschechischem EU-Vorsitz
Kleine Länder wie Tschechien seien nicht in der Lage während ihrer EU-Ratspräsidentschaft viel zu bewirken. Mit diesen Worten dämpfte der tschechische Staatspräsident Václav Klaus in dieser Woche zum wiederholten Male die Hoffnungen in der EU auf große Fortschritte während der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft. Den EU-Vorsitz übernimmt das Land ab Januar. Äußerungen wie die von Klaus sind Wasser auf die Mühlen derer, die an der Fähigkeit Tschechiens zweifeln, die EU in Zeiten der Finanzkrise zu führen. Drastische Töne schallen nun aus Bayern über die Grenze nach Tschechien.
Tschechien solle seine EU-Ratspräsidentschaft mit Schweden tauschen, das turnusgemäß erst in der zweiten Jahreshälfte 2009 an der Reihe ist. Das war dieser Tage vom CSU-Europa-Abgeordneten Ingo Friedrich zu hören. Sein Parteikollege Markus Ferber, ebenfalls Europa-Abgeordneter, klingt gemäßigter. Doch auch er drückte seine Sorge vor einem Stillstand in der EU unter tschechischer Führung aus. Stein des Anstoßes ist für ihn vor allem die europaskeptische Haltung der größten tschechischen Regierungspartei, der Bürgerdemokraten. Unverständlich ist für Ferber, dass die Tschechische Republik immer noch nicht den EU-Reformvertrag von Lissabon ratifiziert hat:
„Es kann nicht sein, dass ein Ministerpräsident, Herr Topolanek, den Vertrag unterzeichnet, ihn mit nach Hause nimmt und ihn sofort dem Verfassungsgericht vorlegt mit der Bitte um Prüfung – und da liegt er heute noch. Hier grüßt wieder mal der Herr Švejk, wie wir das aus der Geschichte, aus der Literatur kennen, aber das ist nicht politisches Handeln.“ so CSU-Mann Ferber am Mittwoch im Deutschlandfunk.
Er zeigt allerdings mit dem Finger auf den Falschen. Es ist der tschechische Senat, der den Lissabon-Vertrag vom Verfassungsgericht prüfen lässt. Und das wird voraussichtlich am 25. November über die Verfassungsmäßigkeit des Dokuments entscheiden. Der tschechische Schulminister Ondřej Liška stellte daher im Deutschlandfunk klar:
„Die Priorität Nummer 1 unserer Regierung ist, den Lissabonner Vertrag bis Ende dieses Jahres zu ratifizieren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir den EU-Vorsitz für das nächste halbe Jahr übernehmen würden und nicht ratifiziert hätten.“
Markus Ferber sorgt sich allerdings auch wegen der Krise der tschechischen Regierung nach dem Wahldebakel der Bürgerdemokraten in den Kreis- und Senatswahlen.
„Die innenpolitische Situation in der Tschechischen Republik ist seit Jahren eine so angespannte, dass sie aufgrund dessen gar nicht die Kraft hat, europäische Fragen zu formulieren, europäische Fragen auch zu beantworten und Europa zu führen. Ratspräsidentschaft heißt ja: Führen auf allen Ebenen.“Auch das ist ein Einwand, den Ondřej Liška nicht gelten lassen will:
„Wir sind – glaube ich – gut vorbereitet. Die innenpolitische Diskussion zu unserer Ratspräsidentschaft läuft ja schon lange genug. Die Vorbereitungen sind weit fortgeschritten. Ich glaube, es gibt keine rationalen Gründe zu behaupten, die tschechische Präsidentschaft könnte zur Instabilität oder Schwächung der EU-Prozesse beitragen. Das – glaube ich – ist ein Missverständnis.“
Ob nach dieser Einschätzung des Grünen-Politikers Liška die skeptischen Töne aus Brüssel verstummen, ist allerdings zu bezweifeln. Liška gilt im tschechischen Kabinett als ausgesprochen europafreundlich.