Tschechien schloss drei weitere Kapitel zum angestrebten EU-Beitritt ab
Die Tschechische Republik hat am Freitag in Brüssel mit der Europäischen Union über eine siebenjährige Übergangsfrist hinsichtlich des Verkaufs von landwirtschaftlichem Boden an EU-Ausländer nach dem Beitritt des Landes in die Union und über eine fünfjährige Übergangsfrist beim Verkauf von sog. sekundären Liegenschaften verhandelt. Insbesondere aber sind drei weitere Kapitel, die des freien Kapitalflusses, der Umwelt und der Sozialpolitik abgeschlossen worden, hat der tschechische Staatssekretär und Unterhändler für den EU-Beitritt Pavel Telicka unmittelbar nach der Verhandlung erklärt. Daher hat die Tschechische Republik mittlerweile 18 der 30 für den EU-Beitritt erforderlichen Kapitel abgeschlossen. Mehr dazu von Lothar Martin.
Seit Freitag hat die Tschechische Republik also genau drei Fünftel ihrer unabdingbaren Vorbereitungen auf die EU-Mitgliedschaft erfüllt. Damit liegt sie im Vergleich mit den anderen fünf Beitrittskandidaten der ersten Welle durchaus im Soll, auch wenn Slowenien bereits auf 20, Ungarn und Estland auf je 19 abgeschlossene Kapitel verweisen können, Polen hingegen bei 16 liegt. Doch mehr als die Anzahl tritt immer mehr die Wertigkeit der abgeschlossenen und bereits eröffneten Kapitel in den Vordergrund. So nahm man es unter den tschechischen Politikern mit Genugtuung zur Kenntnis, dass man das Kapitel über den "freien Kapitalfluss" als erster Anwärter unter den Kandidatenländern abschließen konnte.
Dem Lob über die drei abgeschlossenen Kapitel schlägt jedoch auch Kritik entgegen. So urteilt der Leader der Viererkoalition und Vorsitzende der Freiheitsunion Karel Kühnl, es gelinge der Regierung so gut wie nicht, bei schwierigen Kapiteln so zu verhandeln, um die von einigen Ländern geforderten Übergangsfristen und damit einen Schaden von der Tschechischen Republik abzuwenden. Er bezog sich dabei vor allem auf das Kapitel "Personen-Freizügigkeit", dessen Bedingungen zufolge den Menschen der EU-Beitrittskandidaten der freie Zutritt zum EU-Arbeitsmarkt erst frühestens nach zwei, spätestens aber nach sieben Jahren ermöglicht werden soll. Dazu verlautbarten die Unterhändler der Beitrittskandidaten, die die von der EU offerierten Bedingungen ablehnten, übereinstimmend, dass sich die EU-Mitgliedsstaaten vorher dazu erklären müssten, welches Regime sie gegenüber den zukünftigen Neumitgliedern einführen werden, falls sie nicht nach dem Vorbild Deutschlands und Österreichs die diskriminierenden Übergangsfristen geltend machen wollen. Der Ungar Endre Juhasz brachte in diesem Zusammenhang zur Sprache, dass man bei Einschränkungen für Ungarn auf dem EU-Arbeitsmarkt mit ebensolchen Einschränkungen für EU-Ausländer auf dem innerungarischen Arbeitsmarkt zu reagieren gedenke.
Nicht so einig waren sich die Beitrittskandidaten hingegen bei den von ihnen erwogenen Übergangsfristen hinsichtlich des Verkaufs von landwirtschaftlichem Boden an EU-Ausländer nach dem Beitritt ihrer Länder in die Union. Der von Tschechien erwogenen siebenjährigen Übergangsfrist, hält Polen eine 18-jährige Frist entgegen, während Ungarn diese grundsätzlich ablehnt. Deshalb war in der Abschlusserklärung der vier Staaten der Visegrader Gruppe, die am Freitag im polnischen Krakow/Krakau tagten, auch kein einziges Wort über eine gemeinsame Ablehnung der siebenjährigen Übergangsfrist für den Zutritt der Bürger der neuen Mitgliedsstaaten auf den EU-Arbeitsmarkt zu finden.