Tschechiens Leichtathleten bringen drei Medaillen aus Berlin nach Hause

Anežka Drahotová (links) Foto: ČTK/AP/Matthias Schrader

Nach zehn Tagen Sport am Stück sind die European Championships 2018 am Sonntag zu Ende gegangen. Besonders im Blickpunkt stand die Leichtathletik-Europameisterschaft in Berlin. Von dieser kehren die Athletinnen und Athleten aus Tschechien mit drei Medaillen zurück.

Nikola Ogrodníková   (Foto: ČTK/Sznapka Petr)
Die Tschechische Republik hat bei der Leichtathletik-EM in Berlin zwei Silber- und eine Bronzemedaille gewonnen. Sie gehen auf das Konto einer Speerwerferin, einer Geherin und einer Marathonläuferin. Aber eigentlich hatte man nur der 27-jährigen Nikola Ogrodníková zugetraut, nach Edelmetall zu greifen. Mit der Weite von 61,85 Meter errang sie Silber:

„Ich kann es gar nicht beschreiben, welche Gefühle ich gerade habe. Das ist eine Wallung der Emotionen, es geht rauf und runter. Ich bin einfach nur glücklich, dass es so gut gelaufen ist.“

Nikola Ogrodníková   (Foto: ČTK/endrik Schmidt/dpa via AP)
Die Goldmedaille war schnell vergeben, denn die Deutsche Christin Hussong hatte im ersten Versuch mit 67,90 Meter gleich einen neuen EM-Rekord vorgelegt. Für die ehemalige Siebenkämpferin Ogrodníková aber war der zweite Platz der erste große internationale Erfolg in ihrer sportlichen Karriere. Und als sie ihn am Freitag errungen hatte, kam auch erstmals Freude auf in der tschechischen Mannschaft. Denn andere hochgehandelte Teamkolleginnen und -kollegen wie Hürdenläuferin Zuzana Hejnová oder Mittelstreckler Jakub Holuša hatten ihren Medaillentraum schon in den Vor- oder Zwischenläufen ausgeträumt. Dies allerdings hatte den Kampfgeist von Speerwerferin Ogrodníková nur noch weiter angestachelt:

„Die letzten Tage, die für die tschechische Leichtathletik fast ausnahmslos nur Enttäuschungen bereithielten, haben mich noch zusätzlich motiviert. In meinem Unterbewusstsein hatte es sich festgesetzt, dass ich unserem Team endlich die erste Medaille bescheren muss.“

Anežka Drahotová: „Ich bin mit der Einstellung an den Start gegangen, dass ich im Rennen alles aus mir herausholen werde. Das Credo von mir und meinem Trainer ist: ‚Wer nichts wagt, der nicht gewinnt‘. Von daher habe ich sehr viel riskiert, doch unsere Taktik ist aufgegangen.“

Das ist der Vertreterin von Doppel-Olympiasiegerin Barbora Špotáková, die eine Babypause eingelegt hat, vortrefflich gelungen. Und schon einen Tag später sprang für Tschechien erneut eine Silbermedaille heraus. Sie wurde von der Geherin Anežka Drahotová auf der 20-Kilometer-Strecke erkämpft. Auch für die 23-Jährige war es der erste große Paukenschlag, den sie auf internationalem Parkett gesetzt hat. Und den vollzog sie nur, weil sie von ihren Fähigkeiten restlos überzeugt war:

„Ich bin mit der Einstellung an den Start gegangen, dass ich im Rennen alles aus mir herausholen werde. Das Credo von mir und meinem Trainer ist: ‚Wer nichts wagt, der nicht gewinnt‘. Von daher habe ich sehr viel riskiert, doch jetzt kann ich sagen: Unsere Taktik ist aufgegangen.“

Anežka Drahotová  (links) Foto: ČTK/AP/Matthias Schrader
Nicht nur die Taktik eines Wettkampf, sondern gleich der komplette Wechsel zu einer anderen Sportart – das ist das Erfolgsgeheimnis von Langstreckenläuferin Eva Vrabcová Nývltová. Sie hat auf der Marathondistanz die Bronzemedaille errungen. Vor einigen Jahren war sie noch als Skilangläuferin aktiv, bevor sie zur Leichtathletik wechselte. Dass dies eine gute Entscheidung war, wollte sie selbst nach ihrem Triumph noch gar nicht so richtig wahrhaben:

„Ich weiß nicht, was ich sagen soll, das ist für mich einfach etwas Unglaubliches. Als ich mich vom Skisport verabschiedet habe, bin ich gegangen, weil mir das Laufen viel mehr Spaß macht. Ich habe mir dabei aber keine großen Resultate ausgemalt, sondern wollte diesen Sport wirklich nur genießen. Wahr ist jedoch auch, dass die letzte Woche vor der EM, auf die ich mich intensiv vorbereitet habe, nicht nur anstrengend war für mich, sondern auch für mein ganzes Umfeld. All meinen Helfern gebührt auch ein großer Dank. Doch dass ich nun Bronze habe, wäre mir nicht mal im Traum eingefallen.“

Eva Vrabcová Nývltová  (links) Foto: ČTK/imago sportfotodienst/BEAUTIFUL SPORTS/Axel Kohring
Als die Marathonläuferinnen in Berlin das Brandenburger Tor passiert hatten, bestand die Spitzengruppe nur noch aus drei Läuferinnen – und Eva Vrabcová Nývltová war eine von ihnen. Bis zum Ziel im Olympiastadion waren es nur noch wenige Kilometer, doch dies sei für sie vielleicht sogar der schwerste Teil des Rennens gewesen, räumte die Tschechin nachher ein:

„Das war schrecklich, denn ich sah, dass die Vierte im Feld nicht allzu weit hinter uns lief. Und aus den Erfahrungen, die ich in New York gemacht habe, weiß ich, dass man auch eine Minute Vorsprung auf den letzten zwei Kilometern noch sehr schnell verlieren kann. Deshalb habe ich immer wieder zu mir gesagt: ‚Bleibe so lange wie möglich an den beiden Führenden dran, dann hat die vierte Läuferin kaum noch eine Chance‘. Für mich war es also ein Kampf bis ins Ziel hinein.“

Ein Kampf, der am Ende mit der Bronzemedaille belohnt wurde. Anderen tschechischen Athleten war dieses Glück nicht beschieden. Zum Beispiel auch nicht Kugelstoßer Tomáš Staněk, der zum zweiten Mal in Folge bei einer internationalen Meisterschaft nur auf dem undankbaren vierten Platz landete. Damit aber hat der 27-Jährige zumindest das beste Ergebnis der tschechischen Männer erreicht. Viel Freude aber haben einige der noch jungen Tschechinnen und Tschechen bereitet, wie die 18-jährige Stabhochspringerin Amálie Švábíková, die 20-jährige Hochspringerin Michaela Hrubá oder der 21-jährige Zehnkämpfer Jan Doležal.

Simona Vrzalová : „Wenn ich zu Hause in Český Těšín bin, muss ich weiterhin im Geschäft aushelfen, doch das ist nur sehr selten der Fall. Ich kann also von mir behaupten: Ich habe kein Einkommen mehr, ich laufe nun aber in Vollzeit. Und die Eltern unterstützen mich dabei.“

Ein besonderes Lob aber verdient sich die 30-jährige Simona Vrzalová, die auf der 1500-Meter-Strecke einen hervorragenden fünften Platz belegte. Und das, obwohl sie bis vor kurzem wesentlich mehr Zeit als Verkäuferin im Geschäft ihrer Eltern verbrachte, als auf dem Leichtathletik-Oval. Wegen ihres großen Erfolgs bei den diesjährigen nationalen Hallenmeisterschaften in Prag, als sie über 3000 Meter die gesamte Konkurrenz düpierte, haben die Eltern ihr dann etwas mehr Zeit zum Trainieren eingeräumt. Simona Vrzalová hat es ihnen mit der sehr guten Platzierung in Berlin gedankt, konnte sich ein Lachen über ihre sehr ungewöhnliche Situation aber nicht verkneifen:

„Wenn ich zu Hause in Český Těšín bin, muss ich weiterhin im Geschäft aushelfen, doch das ist nur sehr selten der Fall. Ich kann also von mir behaupten: Ich habe kein Einkommen mehr, ich laufe nun aber in Vollzeit. Und die Eltern unterstützen mich dabei.“

Simona Vrzalová  (links) Foto: ČTK/AP/Michael Sohn

Mit zweimal Silber und einmal Bronze haben die tschechischen Leichtathleten übrigens dasselbe Ergebnis eingefahren wie bei der EM 1998 in Budapest. Eine schlechtere Ausbeute hatten sie lediglich 1994 und 2010 in Barcelona, wo es nur zu einmal Bronze reichte. Die beste Bilanz haben sie dann aber schon zwei Jahre später in Helsinki erzielt: Von der WM 2012 kamen sie mit fünf Medaillen nach Hause – es waren drei goldene, eine silberne und eine bronzene.

Autor: Lothar Martin
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