Tschechiens Medien über Jan Kavans Wirken an der Spitze der UN-Vollversammlung und die geplante Reform der öffentlcihen Haushalte

Jan Kavan and und sein Nachfolder Julian Hunt, Foto: CTK

Liebe Freunde, auch heute haben wir wieder versucht für Sie das wichtigste zusammenzufassen, womit sich die tschechischen Zeitungen in der abgelaufenen Woche beschäftigt haben. Am Mikrophon sind Robert Schuster und Martina Schneibergova:

Jan Kavan and und sein Nachfolder Julian Hunt,  Foto: CTK
Im Mittelpunkt des Medieninteresses standen dabei vor allem zwei Themen: Das Ende von Jan Kavans einjährigem Wirken an der Spitze der Vollversammlung der Vereinten Nationen und die von der Regierung lange geplante Reform der öffentlichen Haushalte.

Beginnen wir jedoch mit Kavan: Der frühere tschechische Außenminister konnte mit seiner im vergangenen Jahr erfolgten Wahl zum Vorsitzenden der UNO-Vollversammlung zweifellos seine bisherige politische Laufbahn krönen. In Tschechien wurde jedoch dieser Erfolg nicht von allen politischen Richtungen als ein solcher aufgefasst. Der Grund dafür liegt insbesondere in den vielen Fragezeichen, die die Person des einstigen tschechischen Chefdiplomaten schon seit vielen Jahren umgeben.

Ins Zwielicht geriet der vor 1989 im britischen Exil lebende Kavan gleich mehrmals. Zunächst führte er jahrelang einen Kampf gegen Behauptungen einiger früherer Oppositioneller, er hätte zwar einerseits tschechische Regimekritiker unterstützt, gleichzeitig jedoch mit dem kommunistischen Staatssicherheitsdienst zusammengearbeitet und wichtige Informationen über Dissidenten weitergegeben. Kavan behauptete stets das Gegenteil und scheute dabei nicht die Mühen eines langwierigen Gerichtsprozesses, um letztendlich Recht zu bekommen. Trotz des klaren Urteils blieben aber dennoch Zweifel über Kavans Vergangenheit. Als er dann einige Jahre später zum Außenminister avancierte, holte er sich mit Karel Srba einen Generalsekretär ins Außenamt, der nachwievor unter dem Verdacht steht, den Mord an einer bekannten tschechischen Enthüllungsjournalistin in Auftrag gegeben zu haben. Diese Schatten begleiteten den früheren Außenminister auch während seiner New Yorker Mission.

Die Kommentare in den tschechischen Zeitungen zum Thema Kavan entsprachen somit auch eher den längerfristigen Positionen der Blätter gegenüber den tschechischen Sozialdemokraten. Während in jenen Zeitungen, in denen oft Kritik an den Sozialdemokraten geübt wird, Kavans Mission kritisch beäugt wurde, waren in den Blättern, die der stärksten Regierungspartei oft wohlwollend gegenüberstehen auch positive Urteile zu finden.

Kritisch setzt sich mit dem Wirken Kavans etwa Pavel Máa in der Tageszeitung Lidove noviny auseinander. Sein Kommentar trägt den Titel: Mission Imposible

"Ein britischer Journalist charakterisierte einmal die Welt des Jan Kavan als eine Welt voller Halbwahrheiten, Beschuldigungen und verschwundener Unterlagen - kurzum, als eine Welt wie in den Romanen Franz Kafkas. Dabei muss man aber nicht so weit in die Vergangenheit gehen, denn das alles findet sich auch im Hollywood-Knüller Mission Imposible, der übrigens teilweise in Prag gedreht wurde. Bezeichnend für Kavans Stil sind z.B. dessen kontroversen Friedensinitiativen - etwa während der kriegerischen Auseinandersetzungen im Kosovo und im Irak, mit denen er zur Vergiftung der amerikanisch-tschechischen Beziehungen beitrug. In diesem Kontext sind die Überlegungen einiger Politiker über Kavans weiteres Wirken zu Gunsten des Landes abwegig. Ein Diplomat, dessen einzige Sorge zu Beginn der neuen Mission die Höhe seiner Diäten war und der sein Wirken in der UNO mit einem in der Öffentlichkeit ausgetragenen Streit über das Visum für ein Familienmitglied beendete, hat nur noch eine Möglichkeit, um den Gesamteindruck von seiner Tätigkeit zu korrigieren - nämlich - in aller Stille zu gehen."

Eine unterschiedliche Sichtweise zu diesem Thema findet sich hingegen in der Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny. Deren Chefkommentator Martin Denemark versah seinen Kommentar mit dem Titel: Kavan konnte in der UNO nicht scheitern. Zitat:

"Mit viel Engagement versuchen die Journalisten irgendein Skandälchen herauszufinden, das man Jan Kavan während dessen einjährigen UNO-Mission ankreiden könnte. Sie zeigten somit, dass sie nicht begriffen haben, wohin Kavan von seinen Parteifreunden geschickt wurde. Durch die Gänge des UNO-Gebäudes wandeln oft Menschen, deren Lebensläufe von Blut durchtränkt sind; mit ihnen zu verkehren ist für andere Diplomaten bestimmt keine Freude. Kavan ist jedoch seiner Rolle als Moderator der UNO-Vollversammlung gerecht geworden. Die Antwort auf die Frage, wie also Kavan abgeschnitten hat, kann somit nicht anders lauten, als gut."

Jetzt aber zum zweiten großen Thema unseres heutigen Medienspiegels, nämlich zur angestrebten Reform der öffentlichen Haushalte. In den kommenden Wochen wird es wohl darüber im Parlament die entscheidende Abstimmung geben.

Der größte Widerstand gegen die geplanten Kürzungen im Sozialbereich, wie etwa beim Krankengeld, kam von den Gewerkschaften, die in den vergangenen Wochen in Prag sogar zwei Kundgebungen veranstalteten. Über die Rolle der tschechischen Gewerkschaften, die in den vergangenen zehn Jahren in ähnlichen Situationen eher leise Töne anschlugen, sprachen wir mit dem Journalisten Alexander Mitrofanov von der linksliberalen Tageszeitung Pravo:

"Mir scheint, dass der ganze Kampf der Gewerkschaft von Beginn an unter einem etwas unglücklichen Stern steht. Es war nämlich immer klar, dass sie nicht gegen die Regierung gewinnen konnte und zwar aus vielen Gründen. Zum einen haben die tschechischen Gewerkschaften keine starke Verankerung in der Gesellschaft. Zum zweiten, und das scheint mir weitaus wichtiger zu sein, ist die gegenwärtige Gewerkschaftsführung nicht im Stande die Basis zu einer entschiedeneren Haltung und entsprechenden Protesten zu bringen, so wie das häufig in Westeuropa der Fall ist. Der Beweis dafür war die jüngste Demonstration in der Hauptstadt, die meines Erachtens eher einem Happening glich, als einer ernst zu nehmenden Protestkundgebung. Wenn die Gewerkschaft bei der Durchsetzung ihrer Forderungen Erfolg haben will, so muss sie die Regierung beindrucken können, sie muss die Regierung das Fürchten lernen, was man aber keineswegs von der jüngsten Gewerkschaftskundgebung behaupten kann."

Regierungschef Vladimir Spidla,  photo: CTK
An der gegenwärtigen innenpolitischen Auseinandersetzung rund um die Reform der öffentlichen Haushalte ist vor allem der Gesinnungswandel interessant, den Regierungschef Vladimir Spidla vollzog. Noch im Frühjahr des vergangenen Jahres, also kurz vor den Wahlen deklarierte er sich als Anhänger der Idee eines großzügigen Wohlfahrtstaates nach skandinavischem Muster. Gerade davon scheint jedoch die Reform in ihrer gegenwärtigen Fassung, die vor allem das Land für die europäische Gemeinschaftswährung fit machen soll, meilenweit entfernt zu sein. Welche Erklärung gibt es für diese Meinungsänderung? Hat Spidla gar die Vision eines Wohlfahrtsstaats einer schnellstmöglichen Einführung des Euro geopfert? Alexander Mitrofanov meint dafür abschließend eine Erklärung parat zu haben:

"Ich setze das in einen Zusammenhang damit, dass Spidla als Regierungschef weitaus mehr Informationen über den wahren Stand der tschechischen Wirtschaft zur Verfügung hat, als vorher. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass zu diesem Sinneswandel wesentlich ein Umstand beigetragen hat: Spidla hat die Möglichkeit gehabt an einer Reihe von internationalen Treffen mit anerkannten Wirtschaftsexperten teilzunehmen und davon ist bei ihm etwas hängen geblieben. Deshalb sieht Spidla heute Vieles anders, als noch vor einem Jahr. Selbst wenn er also tatsächlich seine Visionen von einst der Idee einer schnellstmöglichen Einführung des Euro geopfert haben sollte, kann man ihm das nicht für Übel nehmen, denn schließlich sind ja solche Wandlungen das Salz der Politik."