Tschechiens Medien zum Urteil gegen Ex-KP-Funktionär Hoffmann und zu den jüngsten Polizeirazzien

Karel Hoffmann, Foto: CTK

Zwei Themen wurden in der abgelaufenen Woche von den tschechischen Medien besonders behandelt und auch kommentiert: Zum einen das endgültige Urteil der Richter im Fall des früheren hohen kommunistischen Funktionärs Karel Hoffmann und zum zweiten die jüngsten landesweiten Polizei-Razzien.

Karel Hoffmann,  Foto: CTK
Zunächst aber zu Karel Hoffmann. Der 79jährige ehemalige kommunistische Parteisekretär wurde Anfang vergangener Woche zu sechs Jahren Haft verurteilt und zwar wegen Sabotage im Zusammenhang mit der Niederschlagung des Prager Frühlings im August 1968. Hoffmann war damals im Politbüro für die Kontrolle der Sendeanlagen für Funk und Fernsehen verantwortlich. Als die reformorientierte Parteiführung um Alexander Dubcek unmittelbar nach der Besatzung des Landes durch die Truppen des Warschauer Paktes in der Nacht vom 20. auf den 21. August 1968 eine offizielle Stellungnahme verbreiten wollte, in welcher der Einmarsch in die damalige Tschechoslowakei als grobe Verletzung des Völkerrechts bezeichnet wurde, ließ Hoffmann die Sendeanlagen kurzerhand abschalten. Vor Gericht begründete er sein Verhalten damit, dass es sich bei dem Abschalten der Sender um eine geplante Reparaturmaßnahme handelte.

Eröffnen wollen wir den Kommentarreigen zum Thema Hoffmann mit einem Blick in die auflagenstärkste unter den seriösen tschechischen Tageszeitungen, nämlich in die Mlada fronta Dnes. Karel Steigerwald versah seinen Kommentar zur Causa Hoffmann mit dem Titel: "Erbarmen für Hoffmann". So wie die meisten anderen Kommentatoren, bringt auch Steigerwald seine Genugtuung darüber zum Ausdruck, dass seit 1989 der dritte hochrangige kommunistische Funktionär zu einer Haftstrafe verurteilt wurde:

"Bisher hatten es hochrangige kommunistische Parteifunktionäre vor den Gerichten stets leicht, denn sie wurden immer freigesprochen. Dennoch ist der gerade eben verurteilte Hoffmann eher jener Mohr, der stellvertretend für alle anderen Funktionäre nun für sechs Jahre hinter Gitter muss - für die, denen es gelungen ist der Gerechtigkeit zu entkommen, bzw. diejenigen, die nicht mehr unter uns weilen."

Karel Steigerwald macht sich dann im Weiteren einige grundsätzliche Gedanken zur Aufarbeitung kommunistischer Verbrechen in Tschechien und kommt bezüglich des konkreten Falls von Karel Hoffmann zu folgendem Schluss:

"Die großen Verbrecher, die dieses Land hervorgebracht hat, waren immer auffallend klein. Die Kommunisten brachten politische Willkür, Hass und politischen Mord ins Land. Dabei gebärden sich die Funktionäre von damals heute wie joviale Onkels. Niemand von ihnen wollte etwas wissen, hören und wollte bei keiner dieser Grausamkeiten dabei gewesen sein. Freie Menschen, die wir heute sind, haben die Fähigkeit menschlich zu sein. Obwohl wir nicht genau wissen, wo diese Eigenschaft herkommt, haben wir dennoch so ein Gefühl, dass ein alter Mann, der für sechs Jahre hinter Gitter kommt, zu nichts gut ist. Dieses Urteil brauchen wir, einen alten Strafgefangenen aber nicht. Folgen wir also der Größe unserer Menschlichkeit."

Die Entscheidung im Fall Hoffmann wurde auch in der linksliberalen Tageszeitung Pravo kommentiert. Das mag auf den ersten Blick selbstverständlich erscheinen, schließlich war das Urteil eines der beherrschenden Themen der vergangenen Woche. Bei der Pravo war es dennoch eine Art Novum, denn vor 1989 war das Blatt Zentralorgan der Kommunistischen Partei und verhielt sich in den vergangenen Jahren eher zurückhaltend, wenn es um Kommentare im Zusammenhang mit Gerichtsverfahren gegen frühere hochrangige Parteifunktionäre ging. Im Folgenden wollen wir Ihnen, verehrte Hörerinnen und Hörer, einige Auszüge aus einem Kommentar von Pavel Verner zitieren. Sein Beitrag trägt den Titel "Wenigstens Einer":

"Die Höhe der gegen Hoffmann verhängten Strafe ist nicht entscheidend. Dessen Anwalt wird wahrscheinlich sowieso erwirken, dass Hoffmann auf Grund seiner angeschlagenen Gesundheit nicht wirklich ins Gefängnis gehen wird. Weitaus wichtiger ist aber, dass endlich jemand verurteilt wurde, weil er sein Land in einem der kritischsten Augenblicke seiner Geschichte verraten hat. Grund zu jubeln haben wir aber dennoch nicht. Hoffmann ist nämlich der bislang einzige, der für seine Zusammenarbeit mit den Besatzern von 1968 bestraft wurde. Dabei waren es damals so viele. Was soll's, vergelt´s Gott wenigstens für dieses eine Urteil."

Foto: CTK
Und nun verehrte Hörerinnen und Hörer kommen wir zum zweiten großen Thema unseres Medienspiegels. Die tschechische Polizei hat in den vergangenen Wochen mit einigen groß angelegten landesweiten Sicherheitsaktionen von sich Reden gemacht. Zunächst konzentrierten sich die Gesetzeshüter eine Woche lang auf die Ahndung von Verkehrsdelikten. Kurz darauf setzte der junge tschechische Innenminister Stanislav Gross zu einem zweiten Schlag an und zwar mit einer spektakulären Razzia gegen Nacht-Clubs und ähnliche Einrichtungen. Das alles geschah unter dem Decknamen Fantine.

Innenminister Stanislav Gross gehört seit mehr als fünf Jahren kontinuierlich zu den beliebtesten Politikern des Landes und nahm bis vor kurzem im regelmäßig durchgeführten Politiker-Ranking stets den ersten oder zweiten Platz ein. Es wurden somit Vermutungen laut, das die großen Sicherheitsaktionen in erster Linie eine Publicity-Aktion waren, um dem ambitionierten Innenminister wieder positive Schlagzeilen zu bescheren. Wie dem auch sei, den Zeitungen bot die Razzia gebührend Stoff für Kommentare.

Mit der Wirkung der jüngsten Razzia auf die Öffentlichkeit setzte sich Pavel Masa in der Tageszeitung Lidove noviny auseinander. Sein Kommentar trägt den Titel "Die Gross-Story"

"Die Fernsehzuschauer kennen die Bilder: Die Fernseh-Kommissare Navarro oder Kojak müssen sich von Zeit zur Zeit den Weg in ihr Büro durch dichte Reihen von wenig bekleideten Damen ebnen, die von den Polizisten nach Razzien im Rotlicht-Milieu aufs Revier gebracht wurden. Man kennt sich seit Jahren und beide Seiten wissen auch, dass es sich in erster Linie um ein Theater für die Öffentlichkeit handelt und sowohl die Prostituierten als auch die Polizisten wieder bald zu ihrer Tagesordnung übergehen werden. Bei Gross ist das anders, ihm gelang es aus einer Routineaktion ein Medienereignis zu machen, einschließlich einer Pressekonferenz zur Mitternacht. Kein Wunder, dass diese Story auch in den ausländischen Medien Beachtung fand."

Bedeutend kritischer steht dem Vorgehen des Innenministers und des tschechischen Polizeipräsidenten Patricie Polanska von der Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny gegenüber. Ihr Beitrag trägt den Titel "Fantine als Alibi":

"An der Aktion unter dem Decknamen Fantine war nicht etwa jener Umstand bedenklich, wie deren Ergebnisse vom Minister und den Spitzen der Polizei dargestellt wurden, sondern der Versuch, sich eine Art Alibi zu schaffen. Allzu deutlich konnte man nämlich aus den Worten der Polizeioberen entnehmen, dass die Ergebnisse der groß angelegten Razzia insbesondere die im Ausland oft geäußerte Kritik entkräften sollten, dass Tschechien nicht ausreichend gegen den weltweiten Frauenhandel und insbesondere die Kinderprostitution vorgeht. Gemäß den Worten des Innenministers konnte die Polizei im Rahmen der Aktion jedoch keine Spuren von kriminellen Machenschaften mit Frauen und Kindern ausfindig machen. Das lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass es so etwas in den tschechischen Nachtclubs und Freudenhäusern, wie uns die Polizei nun weiß machen will, nicht geben würde."