Tschechiens Taubstummen-Sportler optimistisch vor den XX. Deaflympics

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Das Sportjahr 2005 ist inzwischen bereits knapp eine Woche alt und hat daher auch schon wieder einige Ergebnisse zu vermelden. Allen voran die der Internationalen Vierschanzentournee im Skispringen, die traditionell am Drei-Königs-Tag in Bischofshofen zu Ende geht, oder die der Eishockey-Weltmeisterschaft für Nachwuchsspieler bis 20 Jahre, die am Dienstag im US-amerikanischen Grand Forks beendet wurde. Obwohl bei diesen Events auch tschechische Akteure für gute Resultate sorgten, wollen wir uns mit ihnen erst im zweiten Teil der Sendung befassen. Zu Beginn nämlich wenden wir uns Aktiven zu, die ansonsten nicht so sehr im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen: die Behindertensportler. Ganz konkret aber sind es die taubstummen Sportler, die dieser Tage - vom 5. bis zum 16. Januar - in Melbourne ihre XX. Deaflympics in den Sommersportarten austragen.

Die Deaflympics sind, wenn man so will, die Olympischen Sommerspiele für Taubstumme. Sie sind daher auch nicht von ungefähr nach der Olympiade das zweitälteste Multisportereignis der Geschichte. Ihre Erstauflage fand 1924 statt, damals noch unter der Bezeichnung Weltspiele der Taubstummen. Damit waren die Taubstummen auch eine Art Vorreiter für die Spiele der Behindertensportler, die Paralympics, die erst 24 Jahre später das Licht der Welt erblickten. Auch wenn die Taubstummen in ihren Ländern in einem Behindertensport-Dachverband oder wie in der Tschechischen Republik im so genannten Paralympischen Ausschuss integriert sind, so haben sie doch immer darauf bestanden, ihre eigenen Spiele ausrichten zu können. Warum das so ist, dazu sagte mir der Generalsekretär des Tschechischen Paralympischen Ausschusses (CPV), Frantisek Janouch:

"Das ist eine historische Angelegenheit. Selbstverständlich gehörte ursprünglich alles zusammen. Aber die Wurzeln der Trennung zu erörtern, das ist schon eine etwas komplizierte Sache. Versuchen Sie sich vorzustellen, dass Sie ein Taubstummer sind, der sich in einem Hotel einquartiert, das als ein ´Hotel ohne Hürden´ ausgewiesen ist. Sie kommen in ihr Zimmer, schließen die Tür hinter sich, und wenn an der Außenseite der Tür ein Knauf anstatt einer Klinke angebracht ist, dann stört sie keiner. Egal ob jemand pocht oder telefoniert, sie merken es nicht. Sie sind quasi in diesem Zimmer eingesperrt, auch wenn ihnen vorher ein ´Hotel ohne Hürden´ suggeriert wurde. Die Taubstummen nimmt ein Teil der Gesellschaft nicht als Behinderte wahr, auch wenn es in Wirklichkeit genau umgekehrt ist. Die UNO hat eine Umfrage dazu gemacht, wie man Behinderte klassifizieren sollte. Aus dieser Umfrage ging hervor, dass es am schwierigsten sei, die Behinderten einzuordnen und ob das überhaupt sinnvoll sei. Am schlimmsten aber sind die geistig Behinderten dran, und gleich nach ihnen kommen die Taubstummen. Das ist eigentlich eine eigene abgeschlossene Welt für sich."

Als diese eigenständige, aber nicht isolierte Gruppe der Gesellschaft bestreiten die Taubstummen nun in den anstehenden zwölf Tagen ihre 20. Sommerspiele in Melbourne. Unter den rund 3500 Sportlern aus 94 Ländern nimmt auch eine Vertretung aus der Tschechischen Republik teil. Sie umfasst 28 Taubstumme, die in vier Sportarten an den Start gehen - zehn Aktive in den individuellen Sportarten Badminton, Leichtathletik und Radfahren sowie 18 Spieler im Fußball. In etwa gleichstark waren auch die Mannschaften, mit denen die Tschechische Republik bei den Deaflympics 1993 in Sofia und 1997 in Kopenhagen vertreten war. Dort gewann man sieben bzw. sechs Medaillen, bei den letzten Spielen 2001 in Rom mit nur 17 Sportlern sogar neun Medaillen. Nicht zuletzt dank dieser Erfolge werden die Behinderten in Tschechien nach der Wende im Jahr 1989 hierzulande ganz anders respektiert und wahrgenommen als früher, weiß mir Frantisek Janouch zu berichten:

"Dieser Prozess ist selbstverständlich weiter in der Entwicklung begriffen, aber seit der Revolution von 1989 ist hierin ein riesiger Fortschritt an allen Fronten zu verzeichnen. Es muss zum Beispiel gesagt werden, dass ganz am Anfang dieser Entwicklung Olga Havlová, die verstorbene erste Frau von Ex-Präsident Vaclav Havel stand. Nachdem sie nämlich dazu aufgerufen hatte, eine gewisse Solidarität bzw. ein Zusammengehörigkeitsgefühl mit behinderten Menschen zu entwickeln, ist deren Integrationsprozess in allen Bereichen des täglichen Lebens, egal ob nun im Sport, auf der Arbeit oder anderswo, beschleunigt worden. Dort ist der Ursprung dieser positiven Entwicklung zu suchen. Nach der Teilung der ehemaligen Tschechoslowakei haben wir dann im Jahr 1993 den Paralympischen Ausschuss gegründet. Gerade diesen Ausschuss haben wir von Anfang an als eine offene Gesellschaft für alle Gruppen von Behinderten verstanden. Das, so denke ich, sind die wesentlichen Merkmale in der Entwicklung des tschechischen Behindertensports."

Dass sich auch die Taubstummen unter diesem Dachverband wohl und integriert fühlen, konnte man auf der Pressekonferenz vor dem Abflug des tschechischen Teams zu den XX. Deaflympics nach Melbourne erleben. In der vom taubstummen Ausschussvorsitzenden Vojtech Volejnik geleiteten Vertretung herrschte viel Freude und ein gesunder Optimismus. Daher kann man mit der Erwartung leben, dass die tschechischen Taubstummen, die etwas mehr als 3500 Sportler im rund 16.500 Mitglieder starken Paralympischen Ausschuss haben, von "Down Under" wieder mit einigen Medaillen zurückkehren werden.


Während die taubstummen Sportler also gerade in diesen Tagen ihren Jahreshöhepunkt in Angriff nehmen, werden andere tschechische Aktive bereits die erste in diesem Jahr errungene Medaille mit nach Hause bringen. Es sind die Eishockeyspieler in der Alterskategorie bis 20 Jahre, die bei der im amerikanischen Grand Forks stattgefundenen Weltmeisterschaft für Nachwuchsmannschaften die bronzene Plakette eroberten. Im Spiel um Platz 3 setzten sie sich dabei mit 3:2 nach Verlängerung über den Gastgeber USA durch, der nach dem Titelgewinn im vergangenen Jahr diesmal leer ausging. Im Finale bezwang Kanada die Vertretung Russlands deutlich mit 6:1. Die jungen tschechischen Eishockeycracks konnten mit diesem Erfolg ihren Aufwärtstrend der zurückliegenden Jahre fortsetzen. Nach dem WM-Titel im Jahr 2001 hatten sie nämlich ein Jahr später vor eigenem Publikum nur den ernüchternden siebten Platz belegt. Im Jahr 2003 wurde daraus schon der sechste Platz und im vergangenen Jahr hatte man als Vierter nur knapp die angestrebte Medaille verpasst.


Jakub Janda  (Foto: CTK)
Einen dritten Platz bei der Vierschanzentournee konnte auch der tschechische Skispringer Jakub Janda feiern. Beim dritten Sprunglauf in Innsbruck, der am Montag auf der berühmten Bergisel-Schanze ausgetragen wurde, musste er sich nur dem Finnen Ahonen und dem Polen Malysz geschlagen geben. Jandas Vorstellung war gleichbedeutend mit dem ersten Podestplatz eines tschechischen Skispringers nach zwölf Jahren bei dieser populären Tournee. Dementsprechend zufrieden stellte sich der 26-Jährige danach den Journalisten, auch wenn er einräumte, dass sogar noch mehr drin gewesen sei:

"Leider ist mir der zweite Sprung nicht 100-prozentig gelungen. Oben am Anlaufturm hat es vor mir eine Verzögerung gegeben, das hat mich etwas nervös gemacht. Zudem hatte ich ein paar Probleme beim Absprung, wo ich wieder etwas zu spät vom Schanzentisch weggekommen bin. Aber ich bin froh, dass es dennoch so geklappt hat. Der dritte Platz ist super."

Jawohl, das ist er. Ebenso wie die in dieser Sendung dokumentierte Tatsache, dass einige der tschechischen Spitzensportler sehr gut in das neue Jahr gestartet sind. Über ihre sich hoffentlich fortsetzenden Erfolge, aber auch über die vielfältigen Aktivitäten der hiesigen Breiten-, Freizeit- und Behindertensportler wollen und werden wir in den weiteren Sendungen des Sportreports in diesem Jahr berichten.