Tschechiens Währung bricht Rekorde
Herzlich willkommen bei einer weiteren Ausgabe unserer Magazinsendung mit Themen aus Wirtschaft und Wissenschaft, am Mikrofon begrüßt Sie Rudi Hermann. Die tschechische Währung hat über den Jahreswechsel gegenüber dem Euro einen Rekord nach dem anderen gebrochen und damit diejenigen Teilnehmer am Finanzmarkt gefreut, die auf eine starke Krone spekulierten. Dafür gab es Grund genug, denn der starke Kronenkurs gründete auf der Erwartung massiver Geldzuflüsse aus dem Ausland im Zuge grosser Entstaatlichungsaktionen. Der Regierung und der Zentralbank bereitete er allerdings etwas Sorgen, und diese beiden Instanzen haben denn auch mit Massnahmen dazu beigetragen, den Kurs wieder etwas abzuschwächen. Mehr über die Hintergründe dazu in den folgenden Minuten, zu denen wir guten Empfang wünschen.
Wer den Jahreswechsel nicht in Tschechien verbrachte, sondern ins Ausland reiste und dazu Feriengeld umwechseln musste, konnte sich freuen. Denn der Kurs der Krone namentlich gegenüber dem Euro, aber auch gegenüber dem Dollar und anderen ausländischen Währungen war so stark wie schon lange nicht mehr. Und unter Finanzanalytikern herrschte auch weitgehend Übereinstimmung, weshalb das so war. Die Regierung hatte nämlich in den letzten Monaten gigantische Privatisierungen an die Hand genommen und teilweise auch schon abgeschlossen. Es handelt sich namentlich um Entstaatlichungen in den Sektoren Energie und Telekommunikation, die Gesellschaften wie die nationale Gasleitungsgesellschaft Transgas sowie Distributionsgesellschaften für Erdgas, den Stromproduzenten CEZ sowie dessen Übertragungs- und Distributionsnetze, die Ölholding Unipetrol und ferner, im Telekommunikationsbereich, die Festnetzgesellschaft Cesky Telecom betreffen. . Die geschätzten Einkünfte aus dem Verkauf der staatlichen Anteile an diesen Unternehmen beliefen sich ursprünglich auf mehrere hundert Milliarden Kronen; allein die schon abgeschlossene Gasprivatisierung bringt 135 Milliarden in die Staatskasse.
Wenn aber ausländische strategische Partner tschechische Unternehmen kaufen, dann kaufen sie diese meist in tschechischen Kronen. Zu diesem Zweck müssen sie deshalb Dollars oder Euros in Kronen umtauschen, und damit erhöht sich die Nachfrage nach tschechischer Währung. Erhöht sich aber die Nachfrage, reagiert nach den Mechanismen der Marktwirtschaft auch der Preis, in diesem Falle der Währungskurs. In Erwartung der hohen Beträge ausländischer Investoren, die nach Tschechien fliessen und hier in Kronen umgetauscht werden sollen, hat der Kurs der tschechischen Valuta deshalb deutlich angezogen.
Dies aber gefällt weder den Wirtschaftsplanern noch den Exportunternehmen. Die makroökonomische Argumentation lautet, dass der Kursanstieg der Krone nicht durch ein entsprechendes Ansteigen der Produktivität unterlegt sei und damit der Wert der tschechischen Währung die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft nicht adäquat wiedergebe. Die Exportindustrie wiederum beklagt, dass der hohe Kronenkurs den Preis ihrer Erzeugnisse im Ausland verteuere und ihr damit das Leben schwer mache. Und weil die tschechische Wirtschaft ausgesprochen exportorientiert ist, könnte dies das Wirtschaftswachstum allgemein verlangsamen, das in diesem Jahr schon die Auswirkungen der globalen Konjunkturabflachung nach den Anschlägen vom 11. September auf die USA zu verdauen hat. Der Regierung allerdings kann eine Verlangsamung des Wirtschaftswachstums gerade in einem Wahljahr alles andere als gelegen kommen.
Ministerpräsident Milos Zeman und Nationalbankgouverneur Zdenek Tuma haben sich deshalb auf Massnahmen verständigt, um den Kurs der Krone etwas abzuschwächen. Eine solche Massnahme könnte darin bestehen, dass ein Teil der Privatisierungseinnahmen nicht in den Geldumlauf gerät, sondern am Geldmarkt vorbei gelenkt und von der Nationalbank zu einem Fixkurs aufgekauft wird. Eine weitere Variante wäre, die Devisen auf ein Devisenkonto zu legen und für zukünftige Auslagen in Fremdwährung einzusetzen. Das würde in der Praxis dann so aussehen, dass Ministerien oder Ämter der staatlichen Verwaltung, die Auslagen in Fremdwährung haben - beispielsweise durch den Ankauf von Geräten oder Einrichtungen - , das entsprechende Geld nicht auf dem Finanzmarkt besorgen, sondern auf das Sonderkonto der Regierung zurückgreifen könnten. Das Finanzministerium hat des weiteren angekündigt, dass auch die Rückzahlung der russischen Schulden gegenüber Tschechien vorläufig nicht in Kronen umgewechselt werde.
Die Nachricht von der Absprache zwischen Regierung und Zentralbank zeigte sofort Wirkung, und der Kronenkurs gab etwas nach. Dazu beigetragen haben dürfte auch die Information, dass es wahrscheinlich in absehbarer Zeit nicht zur Privatisierung der staatlichen Elektroenergetik kommen dürfte, die rund 200 Milliarden Kronen gebracht hätte. Denn diese Privatisierung ist weiterhin von Problemen begleitet, da die Angebote auch in der zweiten Runde den Forderungen der Regierung nicht entsprachen. Zu Verzögerungen kommt es gegenüber den Erwartungen, wie sie im letzten Herbst noch herrschten, auch bei der Telekomprivatisierung, da hier das Umfeld gegenwärtig nicht sehr günstig ist. Damit reduziert sich der Zufluss ausländischer Devisen auf den tschechischen Finanzmarkt und lässt der Druck auf einen starken Kronenkurs etwas nach.
Dies wiederum reflektierte sich umgehend im Verhalten der Spieler am Markt, die auf eine starke Krone spekulierten. Wie die Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny berichtete, waren die Finanzspekulanten davon ausgegangen, dass die tschechische Regierung Geld für diverse Auslagen benötigen und daher nicht zu sogenannten Sterilisierungsmassnahmen greifen würde. Dies hätte einen hohen Kronenkurs garantiert und Spekulationen mit der tschechischen Währung attraktiv gemacht. Solche Überlegungen haben Regierung und Nationalbank mit ihrer Absprache vorläufig durchkreuzt.
Allerdings herrscht Skepsis, ob die Wirkung der getroffenen Massnahmen längerfristig greifen wird. Denn einige Analytiker argumentieren, dass neben den Privatisierungseinnamen des Staates auch Direktinvestitionen auf privatiwirtschaftlicher Ebene nach Tschechien flössen, die die Nachfrage nach Kronen anheizten. Experten gehen deshalb davon aus, dass die Krone im ersten Halbjahr 2002 im Zuge der weltweiten Rezession sowie der Unsicherheit, die sich aus dem vorläufig schlecht abzuschätzenden Ausgang der Parlamentswahlen im Frühsommer ergibt, vorübergehend etwas schwächer notieren dürfte, im zweiten Halbjahr aber wieder zulegen könnte. Ivo Nejdl von der Raiffeisenbank wollte nicht einmal ausschliessen, dass die tschechische Währung die magische Grenze von 30 Krone pro Euro durchbrechen könnte.
Auch die Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny neigt der Ansicht zu, dass die Abschwächung des Kronenkurses nur vorübergehend sei. Sie schrieb in einem Kommentar zu diesem Thema, eine längerfristige Sterilisierung des Geldzuflusses aus der Privatisierung sei kaum denkbar, denn die Fonds der Regierung für Verkehr und Wohnungsbau würden Geld benötigen, wenn nicht jetzt sofort, dann gewiss im Laufe des Jahres. Der Regierung und der Nationalbank sei es aber immerhin gelungen, die Spekulanten zu überzeugen, dass Spekulationen auf eine starke Krone mit schnellen Gewinnen keinen Sinn hätten. Wer allerdings längerfristig mit einer starken Krone rechne, werde kaum fehlgehen. Denn der Staat brauche Geld, sonst würde er ja nicht privatisieren, schrieb die Zeitung Hospodarske noviny.