Die Krone – Symbol der Eigenständigkeit

Foto: Archiv der Tschechischen Nationalbank

Der tschechoslowakische Staat wurde zwar schon Ende Oktober 1918 proklamiert. Doch es dauerte noch fast ein halbes Jahr, bis er auch eine eigene Währung bekam. Nun feiert die tschechische respektive tschechoslowakische Krone ihren 100. Geburtstag. Ein Blick zurück und nach vorne.

Jakub Kunert  (Foto: Archiv der Tschechischen Nationalbank)
Mitte April 1919 wird die erste eigenständige tschechoslowakische Banknote in Umlauf gebracht. Es ist ein 100-Kronen-Schein. Dabei hat sich die Tschechoslowakei bereits am 28. Oktober 1918 für unabhängig erklärt. Jakub Kunert ist Archivar der heutigen Tschechischen Nationalbank:

„Der neue Staat war nicht in der Lage, das Problem der Währung und ausreichender Devisen sofort zu lösen. Deswegen entschied man sich, für eine Übergangszeit bei der bestehenden Währung zu bleiben und die Österreichisch-Ungarische-Bank als höchstes Organ in monetären Fragen weiter anzuerkennen.“

Damit ist zunächst die österreichisch-ungarische Krone das Zahlungsmittel. Allerdings wird die Tschechoslowakei so auch in die tiefe Wirtschaftskrise hineingezogen, die das nunmehr geschrumpfte Österreich nach dem Ersten Weltkrieg durchmacht. Es kommt zu einer Abwertung der Krone. Dabei hat der neue Staat eigentlich sehr gute wirtschaftliche Grundlagen. Daniel Váňa ist Wirtschaftshistoriker an der Hochschule für Ökonomie in Prag:

„Die böhmischen Länder gehörten innerhalb der Habsburger Doppelmonarchie zur wirtschaftlichen Spitze. Hier wurde die Hälfte des Bruttoinlandsproduktes geschaffen. Böhmen bildete zusammen mit der Steiermark und Niederösterreich, also Wien, den industriellen Kern des Staates. Und aus dieser Position heraus erfolgte auch der Übergang zur eigenständigen Republik.“

Foto: Archiv der Tschechischen Nationalbank
Alle Nachfolgestaaten und -gebiete der Habsburger Monarchie müssen nach dem Krieg ihr Währungsproblem lösen. Sie beginnen, schrittweise eigene Zahlungsmittel in Umlauf zu bringen. Relativ einfach ist das dort, wo die Territorien an bestehende Währungsgebiete angegliedert werden. So etwa in Italien, Rumänien oder im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen.

Finanzminister treibt Währungsreform voran

Die Tschechoslowakei jedoch liegt komplett in der Kronenzone. Sie will aber recht bald schon aus der Währungsunion mit den anderen Nachfolgestaaten ausscheren. So stößt den Politikern in Prag unter anderem sauer auf, dass die Österreichisch-Ungarische-Bank der neuen Regierung in Wien einen Zwei-Milliarden-Kronen-Kredit zuschanzt. Finanzminister Alois Rašín wird zur treibenden Kraft für eine tschechoslowakische Währungsreform.

„Rašín war von Beruf Jurist. Dass er Finanzminister wurde in der ersten tschechoslowakischen Regierung unter Premier Karel Kramář, war eine rein politische Entscheidung. Eigentlich hatte er mit dem Posten des Innenministers geliebäugelt“, sagt Daniel Váňa.

Jana Čechurová  (Foto: Stanislav Vaněk,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Die Historikerin Jana Čechurová von der Prager Karlsuniversität hält es jedoch für einen Glücksfall, dass sich der Politiker umorientiert:

„Rašín vermochte sich durchzusetzen. Er war der richtige Mann für die Krise und hatte den Mut zu kategorischen Lösungen. Seine Währungsreform war ein voller Erfolg. Sie half nicht nur der tschechoslowakischen Wirtschaft, sondern auch der Politik und der Gesellschaft.“

Anfang März 1919 macht die tschechoslowakische Armee die Grenze dicht. Eine Woche lang werden die österreichisch-ungarischen Kronenscheine gestempelt, wie es heißt. Sie erhalten eine Steuermarke. Damit werden sie zur eigenständigen Währung des neuen Staates. Am 10. April des Jahres billigt der Nationalrat ein Gesetz, mit dem schrittweise die tschechoslowakische Krone eingeführt wird. Dies nutzt der Finanzminister, um die Währung zu festigen. Wirtschaftshistoriker Váňa:

Alois Rašín  (Foto: Wikimedia Commons,  Public Domain)
„Das heißt, er ließ Bargeld aus dem Umlauf nehmen. Ursprünglich wollte Rašín auf diese Weise 80 Prozent des Geldes einsammeln, letztlich waren es nach zwei Jahren rund 50 Prozent. Aber auch so legte die tschechoslowakische Krone stark an Wert zu. Das hatte allerdings mehrere Folgen. Zum einen sanken die Preise, zum anderen erschwerte dies ganz enorm den Außenhandel. Da die hiesige Wirtschaft aber auf dem Export fußte, wurden die Fundamente unterhöhlt.“

Exporte brechen ein

Wegen der starken Krone werden tschechoslowakische Waren im Ausland teurer. Sie verkaufen sich nicht mehr, und viele Firmen müssen dicht machen.

„Rašín reagierte in diesem Punkt höchst emotional. Aus politischen und privaten Gründen beharrte er darauf, dass die tschechoslowakische Krone eine starke und stabile Währung sein müsse. Sie sollte eines der Aushängeschilder sein für die neu entstandene und moderne Republik. In Wahrheit war die starke Krone aber ruinös für die Wirtschaft. Innerhalb von zwei Jahren verdreifachten sich die Arbeitslosenzahlen. Über 200.000 Menschen waren ohne Beschäftigung. Das führte zu sozialen Unruhen. Ich würde sagen, dass sich Rašín in diesem Punkt wie ein Mensch aus dem 19. Jahrhundert verhalten hat“, so Daniel Váňa von der Hochschule für Ökonomie in Prag.

Foto: Aurea Numismatika
Auch unter dem Druck seiner Freunde lenkt der Finanzminister letztlich ein. Doch der Entschluss kommt zu spät. Denn am 5. Januar 1923 verübt der junge Anarchokommunist Josef Šoupal ein Attentat auf Alois Rašín. Letztlich erliegt der 55-jährige Politiker seinen Schussverletzungen.

Die Krone hält sich in der Folge aber als Zahlungsmittel der Tschechoslowakei, über alle Regimewechsel hinweg. Und sie ist auch weiter die tschechische Währung. Die Slowakei hat hingegen bereits 2009 den Euro eingeführt. Hierzulande gibt es ebenfalls Stimmen, die für die Gemeinschaftswährung plädieren. So unter anderem die von Star-Ökonom Tomáš Sedláček:

„In allen Ländern, in denen der Euro eingeführt wurde, hat dies letztlich die Preise gesenkt – auch wenn zum Beispiel bei Kaffee die gegenteilige Entwicklung zu beobachten war. Aber dies waren gut dokumentierte optische Täuschungen.“

Exportfirmen etwa würden unmittelbar profitieren von einer möglichen Einführung des Euro. Für sie entfielen damit die Wechselkursrisiken, da der allergrößte Teil der tschechischen Ausfuhren in die Eurozone geht.

Tschechen wollen Euro nicht

Jiří Rusnok  (Foto: David Sedlecký,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 3.0)
Bei den tschechischen Bürgern hat die Gemeinschaftswährung jedoch einen schweren Stand. Seit der griechischen Staatsschuldenkrise von 2010 ist das Meinungsbild eindeutig: Drei Viertel der Tschechen lehnen die Einführung des Euro ab. Nationalbankchef Jiří Rusnok ist vielleicht auch deswegen in seinen Aussagen eher vorsichtig:

„Wenn wir den Euro einführen, würde das die tschechische Wirtschaft sicher nicht niederstrecken. Auf der anderen Seite leidet die Eurozone unter bestimmten Konstruktionsfehlern. Die Frage ist, ob man unter diesen Umständen in dieses Haus ziehen sollte.“

Noch deutlicher wird Premier Andrej Babiš von der Partei Ano:

„Ich fürchte, dass wir unsere wirtschaftliche Unabhängigkeit verlieren könnten. Deswegen denke ich nicht, dass die Einführung des Euro auf der Tagesordnung steht. Die Eurozone hat ihre Probleme und muss reformiert werden.“

Es scheint also, dass es die tschechische Krone als Nachfolgerin der tschechoslowakischen in den nächsten Jahren weiter geben wird.

Autor: Till Janzer
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