Tschechische Medien in der EU: Brüssel-Korrespondent Josef Vesely

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Und nun begrüßen wir Sie, verehrte Hörerinnen und Hörer, zu unserer Sendung "Im Spiegel der Medien", die aus aktuellem Anlass ganz im Zeichen des tschechischen EU-Beitritts steht. Am Mikrophon ist für Sie Robert Schuster.

Diejenigen von Ihnen, die regelmäßig bei Radio Prag hineinhören, wissen vielleicht, dass wir für Sie gegen Ende jeder Woche an dieser Stelle einen Blick in die Welt der tschechischen Medien unternehmen und zwar im Rahmen unseres Medienspiegels. Heute haben wir jedoch das Drehbuch unseres gewohnten Medienrück- und Überblicks ein wenig geändert. Aus Anlass des Beitritts der Tschechischen Republik zur Europäischen Union, der an diesem Wochenende vollzogen wird, haben wir versucht, auf die vergangenen Jahre zurückzublicken, als die Tore der Gemeinschaft für Tschechien noch in weiter Ferne zu liegen schienen, ebenso wie der Zeitpunkt für den Beginn der Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Kommission.

Während die Medien heute voll von Europa-Themen sind, waren die Anfänge der Medienberichterstattung über die EU eher bescheiden. Die ganze Materie erschien vielen lange als zu schwierig und ohne bestimmte Vorkenntnisse, die bei den Lesern nicht vorausgesetzt werden konnten, nicht kommunizierbar zu sein. Auf die Titelseiten schafften es Berichte über die Europäische Union eigentlich nur dann, wenn es um spektakuläre Entscheidungen ging, wie zum Beispiel im Zusammenhang mit der BSE-Krise Mitte der 90er Jahre. Oder bei Fällen von Korruption innerhalb der Kommission oder anderen europäischer Institutionen.

In dieser Anfangszeit waren lediglich drei tschechische Medien mit eigenen Korrespondenten in Brüssel vertreten. Interessant war dabei, dass es sich im Fall der tschechischen Nachrichtenagentur CTK, des Tschechischen Fernsehens und Rundfunks um öffentlich-rechtliche Medien handelte. Die erste Tageszeitung mit einem eigenen Berichterstatter in Brüssel war die Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny, für die Josef Vesely aus der europäischen Metropole berichtete. Mittlerweile hat auch die auflagenstärkste unter den seriösen tschechischen Tageszeitungen, die Mlada fronta Dnes, einen eigenen EU-Korrespondenten. Zu den Gründen, warum die tschechischen Medien in Brüssel immer so unterrepräsentiert waren und es auch nach wie vor sind, meint Vesely im Gespräch mit Radio Prag:

"Sicherlich spielte die Tatsache eine große Rolle, dass ein Korrespondenten-Büro in Brüssel eine teuere Angelegenheit ist. Das kostet etwas, und auch die Gehälter der Journalisten dort sind manchmal höher als die der Chefredakteure. Natürlich kommt es auch auf das jeweilige Medium an, denn die öffentlich-rechtlichen haben hier andere Möglichkeiten als die Privaten. Ich habe aber nach meiner Rückkehr nach Tschechien mit einer bestimmten Überraschung festgestellt, wie groß in der Berichterstattung die Frage eine Rolle spielt, wie viel Geld der tschechischen EU-Kommissar, oder ein Abgeordneter verdienen wird. Da steckt vielleicht auch Neid dahinter. Letztlich sind das aber Nebensachen, über die man debattiert, denn die allerwichtigste Frage sind natürlich die Interessen Tschechiens, oder im Falle der Journalisten, den Leser zu vertreten, sowie eine gute Berichterstattung zu sichern."

Als Brüssel-Korrespondent ist Josef Vesely auch oft mit seinen Kollegen aus den übrigen mittel- und osteuropäischen Beitrittsländern zusammengekommen. Daraus gewann er letztlich auch die Erkenntnis, wie unterschiedlich wichtig - gemessen an der Medienvertretung an Ort und Stelle - Europa-Themen für die jeweiligen Länder waren, wie er im Folgenden erläutert:

"Ich habe festgestellt, dass Polen natürlich in Brüssel sehr gut vertreten war und das sowohl im Bereich der öffentlich-rechtlichen wie auch der privaten Medien. Es gab dort also wesentlich mehr polnische Kollegen, obwohl natürlich Polen größer ist als Tschechien. Aber noch besser kann man die Unterschiede am Beispiel von Lettland, Litauen oder Estland sehen, die auch mehr Kollegen in Brüssel haben, als Tschechien."

Bislang haben die tschechischen Medien über die Europäische Union in erster Linie im Zusammenhang mit dem Beitritt gesprochen, haben sich in spezialisierten Service-Beilagen oft auf technische Fragen konzentriert, wie zum Beispiel die Freizügigkeit der Bürger oder den Umfang der Sozialleistungen.

Nach dem 1. Mai wird aber auch in dieser Hinsicht ein gewisser Alltag einkehren, und auch die Leser werden sich an die neue Situation gewöhnen. Wird sich damit auch der Charakter der EU-Berichterstattung in den tschechischen Medien ändern? Dazu meint der frühere Brüssel-Korrespondent der Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny Josef Vesely abschließend:

"Es hat sich schon einiges geändert. Ich muss feststellen, dass die Wochen vor dem Beitritt in allen tschechischen Medien sehr gute und vielschichtige Informationen über die EU zu finden waren. Es hat sich gezeigt, und davon bin ich fest überzeugt, dass die Leser das jetzt verlangen werden, dass weiter auf diese Art berichtet wird. Ich habe in den vergangenen zehn Tagen, also unmittelbar vor dem Beitritt, zum Beispiel erstmals in den Medien ganz interessante Aspekte vernommen. Es zeigt sich einfach das, was man in Deutschland oder anderswo längst weiß, nämlich, dass 50 bis 70 Prozent der wichtigsten Fragen, nicht mehr in der Hauptstadt des Nationalstaates entschieden werden, sondern in Brüssel."