Kommentare zum Klaus-Auftritt in Brüssel – und außerdem: Im Einsatz für das Radiožurnál

Václav Klaus im Europaparlament (Foto: ČTK)

Herzlich willkommen zum Medienspiegel. Heute bleiben wir im eigenen Haus und sprechen mit einem ehemaligen Kollegen von Radio Prag über seine aktuelle Arbeit für den Tschechischen Rundfunk. Aber zunächst ein Blick in die tschechischen Kommentarspalten: Václav Klaus hat am Donnertag als amtierender EU-Ratspräsident vor dem Europäischen Parlament gesprochen. Klaus ist ein Euroskeptiker; gerade deshalb wurde die Rede mit beinahe voyeuristischer Spannung erwartet. Der tschechische Präsident sprach sich erwartungsgemäß gegen eine weitere politische Integration Europas und für einen Abbau bestehender Handelshindernisse und Reglementierungen aus.

Václav Klaus  (Foto: ČTK)
Der Kommentator der„Hospodářské noviny“ spricht von einem „Klaun im fremden Zirkus“ und weiß um die Schwächen beider Fronten, die da aufeinandertrafen. Wenn wir das Jahr 2007 schreiben würden, könnte man die Kabbeleien zwischen dem „Provokateur“ und den „selbstverliebten EU-Parlamentariern“ verstehen:

„Jetzt aber wirkt diese überflüssige Szene wie von einem anderen Planeten. Meine Herren, sehen Sie denn nicht, dass der Kontinent völlig andere Probleme hat? Die traurige Antwort: Wir befürchten, dass Václav Klaus und Herr Daniel Cohn-Bendit das wirklich nicht erkennen.“

Die Tageszeitung „Mladá fronta Dnes“ fragt: „Warum ärgert Václav Klaus Brüssel?“ Die Antwort:

„Es ist Boshaftigkeit. Der Herr, der vor zig Kameras seine ´euro-ketzerischen´ Ansichten bekannt gibt, bezeichnet sich öffentlich als Opfer der Euro-Zensur. Der Herr, der wiederholt, es gebe keine Alternative zur Europäischen Union, behauptet gleichzeitig sinngemäß, dass es sich um ein revolutionäres Experiment handelt, das den Markt und die Souveränität der Nationen unterdrücke. Nicht nur die EU-Parlamentarier wundern sich: Richtig, einige Leute haben es nicht so mit der Logik. Aber wie können sie Präsident werden?“

Václav Klaus im Europaparlament  (Foto: ČTK)
Soweit die Mladá fronta Dnes. Der Kommentator der Tageszeitung „Právo“ hat auch die Wirtschaftskrise im Hinterkopf und stellt lakonisch fest:

„Wenn ich das richtig verstehe, dann soll in einer Welt, wie Klaus sie sich vorstellt, die Hand des freien Marktes uneingeschränkt herrschen. Und die EU soll nur ein Riesenmarkt ohne politische Integration sein. Ich jedenfalls wollte nicht in einer Welt leben, in der Bänker ohne Grenzen jederzeit nicht abzahlbare Hypotheken und Kredite mit Gewinn verkaufen können. Das wäre nämlich die Zündschnur an der derzeitigen Krise,“ schreibt der Kommentator der „Právo“. Soweit für heute der Blick in die Kommentarspalten.


Pavel Polák
Kommen wir zu unserem eigenen Medienthema. Ich habe heute einen Gast ins Studio eingeladen, den Sie, liebe Hörerinnen und Hörer von Radio Prag, noch kennen könnten. Es ist Pavel Polák. Von November 2007 bis April 2008 hat er als Redakteur für Radio Prag in die ganze Welt berichtet. Heute berichtet Pavel Polák aus der ganzen Welt. Und zwar beim Radiožurnál, der Info-Welle des Tschechischen Rundfunks.

Pavel, wie haben sich Deine Arbeit und Dein Tagesablauf durch diesen Wechsel der Welle verändert?

„Eigentlich hat sich vieles verändert. Radio Prag sendet um 14 Uhr nur eine halbe Stunde lang, und davon ist auch abhängig, was man für das Tagesprogramm vorbereitet. Die Deutsche Redaktion sendet für das deutschsprachige Ausland, und das beeinflusst auch die Nachrichtengestaltung: Man berichtet vom Geschehen hier in Tschechien, vom dem die Hörerinnen und Hörer nicht so viel Ahnung haben, und muss vieles erklären. Das hat sich für mich verändert, denn das Radiožurnál macht Nachrichten und Beiträge für Tschechen, und die wissen ja über das aktuelle Geschehen in Tschechien Bescheid. Hauptsächlich arbeite ich jedoch in der Auslandsredaktion und berichte also wiederum von Ereignissen, von denen die Tschechen nicht so viel Ahnung haben. Deshalb ist die Arbeit, die ich jetzt im Ersten Programm mache, der Arbeit bei Radio Prag sogar ein bisschen ähnlich. Man hat jedoch nicht so viel Sendeplatz wie in der deutschen Redaktion. Einen Tagesecho-Beitrag von drei Minuten kann ich mir beim Ersten nicht leisten.“

Du bist in der Auslandsredaktion. Kein Wunder, Du sprichst ja nicht nur perfekt Deutsch, sondern auch sehr gut Englisch. Und jetzt kommt, glaube ich, auch noch Russisch dazu. Aus welchen Ländern hast Du schon für die tschechischen Hörer berichtet?

„Da muss ich erst einmal überlegen. Das sind ziemlich viele Länder, zum Beispiel Estland, Österreich, Griechenland, Frankreich, Belgien und auch schon aus Albanien.“

Welche Themenpalette bearbeitest Du aus diesen Ländern?

„Ich mache zwei Arten von Beiträgen: Erstens Berichterstattung, die auf aktuelle Themen bezogen ist. Zum Beispiel über Gipfeltreffen in den Ländern, in denen wir keine Korrespondenten haben. Der Tschechische Rundfunk hat ungefähr zehn Korrespondenten im Ausland. Wenn also schon jemand vor Ort ist, muss niemand aus Prag hingeschickt werden. Zusätzlich zu dieser Berichterstattung gibt es auch noch Reisereportagen, für die man in ein Land ausgesandt wird. Dort sammelt man Themen und macht daraus Reportagen, die nicht unbedingt aktuell, dafür aber interessant sind.“

Also über Land und Leute. Zurzeit haben die Redakteure tschechischer Medien alle Hände voll zu tun, die EU-Ratspräsidentschaft hält jeden in Atem. Wie macht sich diese neue Position der Tschechischen Republik in Europa bei Deiner Rundfunkarbeit bemerkbar?

„Es gibt viele Gipfeltreffen und informelle Zusammenkünfte in Tschechien. Darüber müssen wir berichten. Aber eigentlich ist es für mich auch interessant, zu betrachten, wie die Ratspräsidentschaft hier organisiert wird. Dadurch, dass diese Treffen jetzt in Tschechien stattfinden, sind wir immer dabei und es ist für uns besonders wichtig, die EU-Thematik aufzugreifen. Davon haben wir jetzt in der Sendung um hundert Prozent mehr.“

Kommen wir zum Abschluss zu einer Art Fachfrage: Das tschechische Abgeordnetenhaus hat vor kurzem eine Novelle des Strafrechts verabschiedet. Ein kleiner Abschnitt ist auch der Journalistenzunft gewidmet, und zwar möglicherweise mit großen Folgen. Journalisten dürfen keine geheimen Abhörprotokolle mehr drucken, ohne dass sie bestraft werden. Das sind Abhörprotokolle, die irgendwie aus dem Polizei- oder Gerichtswesen herausgeschleust wurden. Glaubst Du, dass dieses Verbot, die Protokolle zu drucken - wenn sie erst einmal an die Öffentlichkeit gelangt sind - richtig ist?

„Ich glaube, das Verbot verletzt in erster Linie die Freiheit der Journalisten. Ich würde die Frage auch anders stellen: Ist das, was gedruckt wird, wichtig oder nicht? Wer hat denn etwas zu befürchten, wenn diese Sachen veröffentlicht werden? Ich glaube, das sind meistens die Politiker. In einer demokratischen Gesellschaft sollten bestimmte Sachen veröffentlicht werden, gerade, wenn sie auch die Öffentlichkeit betreffen.“