Tschechische Militärmission in Afghanistan forderte weiteres Opfer
Am Sonntag kurz nach Mittag lag tiefe Trauer über dem Militärflughafen Kbely am Nordrand Prags. Unweit der Landebahn fand ein öffentlicher Trauerakt zu Ehren des Feldwebels Robert Vyroubal statt, der vergangene Woche in Afghanistan bei einem Sprengstoffanschlag getötet wurde. Er ist das insgesamt vierte Opfer, das die Tschechische Armee am Hindukusch zu beklagen hat; in memoriam wurde Vyroubal zum Leutnant ernannt.
Tschechien stellt seine Spezialeinheiten am Hindukusch bereits seit dem Beginn der internationalen Militärmission in Afghanistan im Jahr 2001 zur Verfügung. Zunächst schickte Tschechien in den Jahren 2002-2003 seine Militärärzte nach Afghanistan, die – wie schon zuvor im Irak – ein Feldlazarett errichtet und betrieben haben.
In den Folgejahren wurden immer weitere militärische Spezialisten entsandt, die aber zunächst nicht unmittelbar an Kampfhandlungen beteiligt waren. So gehörte es zur Hauptaufgabe des ersten Kontingentes, Munition aufzuspüren und sie dann zu entschärfen. Das zweite militärische Kontingent griff allerdings schon in militärische Operationen der Afghanistan-Koalition ein. Das Parlament billigte diese Mission erstmals im Frühjahr 2008 für die Dauer eines Jahres. Als diese Mission dann ein Jahr später verlängert werden sollte, wurde das von scharfen Auseinandersetzungen zwischen der damaligen bürgerlichen Regierung – die keine eigene Mehrheit im Parlament hatte – und der linken Opposition begleitet. Im Rahmen der Militäroperation Enduring Freedom beteiligt sich Tschechien mit einem Spezialkommando, das eine Stärke von rund 100 Männern hat. Dessen wichtigste Aufgabe ist es, militärische Einheiten anderer Länder abzusichern. Seit einiger Zeit werden die Spezialkräfte in der afghanischen Provinz Wardak eingesetzt, wie der Generalstabschef der Tschechischen Armee, Generaloberst Vlastimil Picek, gegenüber dem Tschechischen Rundfunk erklärte.„Leider ist das eine sehr unruhige Provinz, in der es sehr oft zu vergleichbaren Vorkommnissen kommt.“
Der Militärkonvoi, auf den der besagte Anschlag verübt wurde, bestand ausschließlich aus gepanzerten Mannschaftswagen. Wie ist es zu erklären, dass den Soldaten trotz dessen kein ausreichender Schutz gewährt werden konnte?
„Zunächst muss ich sagen, dass die tschechische Armee speziell diese Fahrzeuge einsetzt, genauso wie das andere Länder tun, die ihre Truppen in Afghanistan stationiert haben. Gegenwärtig laufen die Ermittlungen über den genauen Hergang der Ereignisse immer noch, ich möchte daher den möglichen Ergebnissen nicht vorgreifen.“Gibt es bereits Hinweise, welche Aufständischen-Gruppen hinter dem Anschlag vermutet werden können? Generalstabschef Picek:
„Die Provinz Wardak liegt zum einen sehr nahe bei der Hauptstadt Kabul, und zwar ungefähr 60 Kilometer südwestlich von ihr. Aber was die Initiatoren dieses Sprengstoff-Anschlags angeht, will ich mich nicht auf Spekulationen einlassen. Es muss sich nicht ausschließlich um eine von den Taliban gesteuerte Aktion gehandelt haben, sondern da könnten auch verschiedene kriminelle Elemente im Spiel gewesen sein, oder ebenso regionale Größen des Drogengeschäfts.“
Tschechien engagiert sich in Afghanistan jedoch nicht nur militärisch. Seit dem Frühjahr 2008 ist in der Provinz Logar im Südosten des Landes ein spezielles Team tätig, das beim zivilen Wiederaufbau hilft. In Zusammenarbeit mit der Provinzregierung soll geholfen werden, die wirtschaftliche Entwicklung und den Kampf gegen die Armut zu fördern. Wichtige Bereiche sind aber auch die Gewährleistung von Bildung für die örtliche Bevölkerung sowie die Entwicklung von unabhängigen Medien.
Neben Tschechien haben auch andere Länder seit einigen Jahren vergleichbare Entwicklungsteams nach Afghanistan entsandt, so dass von den insgesamt 32 afghanischen Provinzen mittlerweile in 26 von ihnen spezielle Entwicklungsprogramme angeboten werden.
Mit in Afghanistan war auch Matyáš Zrno, der bis zum Frühjahr dieses Jahres den zivilen Teil des tschechischen Wiederaufbauteams in Logar leitete. Gegenüber dem Tschechischen Rundfunk meinte er zur gegenwärtigen Sicherheitslage in Afghanistan:„Im Land verschlechtert sich die Sicherheitslage jeden Sommer, so in etwa ab dem Frühjahr, denn dann beginnt die so genannte Kampfsaison. Ehrlich gesagt, wir alle, die wir in der Vergangenheit in Afghanistan waren, wussten, dass so etwas gerade in der Provinz Wardak früher oder später geschehen kann. In Wardak war die Lage immer schon kritischer als in der Provinz Logar, wo das tschechische Wiederaufbau-Team in Afghanistan stationiert ist. Den jüngsten Angriff konnte man also erwarten.“
Besonders deutlich unterscheidet sich die Lage in Afghanistan im Winter und im Sommer, erläutert Zrno:„Im Winter verringert sich die Intensität der Kämpfe in Afghanistan, weil dort auf Grund der hohen Meereshöhe die Winter sehr hart sind. Die Gebirgspässe sind verschneit und die Kämpfer der Taliban können nur sehr schwer ihre Standorte wechseln. Sie verbringen die Winter in für sie sicheren Lagern in Pakistan oder im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet. Im Frühjahr, gleich nach der Schneeschmelze, setzen sie sich dann wieder in Bewegung. Sie verfügen nicht über eine vergleichbare Winterausrüstung, wie sie die Truppen der Afghanistan-Koalition haben. Deshalb beginnen sie erst im Frühjahr oder Sommer wieder mit ihren Kriegshandlungen.“
Für die zivilen Mitarbeiter bedeutet das nichts anderes, als dass die Sicherheit stets großgeschrieben wird. Hören Sie abschließend noch einmal den früheren Leiter des tschechischen Wiederaufbauteams in Logar, Matyáš Zrno:
„Überall, wo man hingeht – egal, ob man dort in ziviler oder militärischer Mission tätig ist – steht man unter bewaffnetem Schutz. Man kann nirgendwo alleine unterwegs sein, man muss sich in einem gepanzerten Wagen fortbewegen, und zwar in solchen, die gegen heimtückische Sprengstoffangriffe gewappnet sind. Die Sprengsätze sind meist nicht kompliziert und werden oft aus einfachsten Mitteln hergestellt – zum Beispiel aus Kunstdünger, den man mit Benzin vermischt und zum Explodieren bringt. Häufig kommen auch Propan-Gas-Flaschen zum Einsatz. Daneben kann man noch Raketenangriffen oder Schüssen aus Maschinengewehren ausgesetzt werden. Die Gefahr lauert also praktisch überall, wo man sich auch bewegt.“