Tschechische Parteien streiten über Lehren aus dem Brexit-Entscheid

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Erstmals nach dem Brexit-Entscheid haben sich die europäischen Staats- und Regierungschefs getroffen. Dabei wurde über die Zukunft der EU gesprochen. Tschechische Oppositionspolitiker fordern jedoch, sich erst einmal im eigenen Land zusammenzusetzen. Denn in Prag hat bereits eine heftige Debatte begonnen.

Lubomír Zaorálek  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
Viel Konkretes war vom ersten EU-Gipfel nach dem Referendum in Großbritannien nicht zu erwarten. Dementsprechend klangen auch die Kommentare der tschechischen Regierungsvertreter. Während Premier Bohuslav Sobotka (Sozialdemokraten) erneut die EU-Mitgliedschaft als alternativlos für Tschechien bezeichnete, sagte Außenminister Lubomír Zaorálek (Sozialdemokraten) im Rundfunk:

„Die erste Neuigkeit ist sicher, dass sich die verbliebenen 27 Mitglieder des Europäischen Rates im September gesondert treffen, um über die Zukunft der EU und Großbritannien zu beraten. Das Treffen wird wahrscheinlich in Bratislava stattfinden.“

Dass es nicht schnell geht mit den Verhandlungen über einen Austritt der Briten, bietet Zeit für die Diskussion in den 27 verbliebenen EU-Ländern. In Tschechien ist sie bereits voll im Gange – und offenbart große Differenzen im politischen Spektrum. So meldeten sich am Mittwoch die europaskeptischen Bürgerdemokraten zu Wort. Zbyněk Stanjura ist Fraktionsvorsitzender der konservativen Oppositionspartei:

Zbyněk Stanjura  (Foto: Archiv ODS,  CC BY 2.0)
„Wir planen mehrere Vorschläge zu dem, was Tschechien nun innerhalb der EU aushandeln sollte. Das ist einmal eine Ausnahme von der Einführung des Euro, so dass wir die Gemeinschaftswährung zwar annehmen können, aber nicht müssen. Und wir sollten eine Ausnahme aushandeln von der Asyl- und Migrationspolitik der EU.“

Am europafreundlichsten äußert sich in diesen Tagen die Partei Top 09, die ebenfalls die Oppositionsbänke drückt. In einem Fernseh-Rededuell zeigte sich der Parteivorsitzende Miroslav Kalousek entsetzt von den Forderungen der Bürgerdemokraten.

„Wenn wir über Änderungen in der EU sprechen wollen, dann sollte dies nicht damit stehen und fallen, wie viele Ausnahmen jeder Staat für sich herausschlagen kann. So entstehen Regeln, von denen jeder Ausnahmen hat – und das heißt, dass die Regeln letztlich gar nicht gelten.“

Miroslav Kalousek  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Kalousek empfahl der Regierung, sich nicht von vornherein einer weiteren Vertiefung der Union zu verschließen. Außerdem sollte Tschechien die Einführung des Euro beschleunigen – um nicht den Kontakt zum Kern der EU zu verlieren, so der Top-09-Chef.

Nach den bisherigen Plänen sollen Beamte aus den Ministerien die tschechischen Vorstellungen einer künftigen EU formulieren. Die entsprechende Arbeitsgruppe leitet der Staatssekretär für Europafragen, Tomáš Prouza. Der Opposition behagt das jedoch überhaupt nicht. Laut der Top 09 und den Bürgerdemokraten sollte Premier Sobotka für einen politischen Konsens sorgen.

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„Er sollte die Vorsitzenden der Parlamentsparteien ansprechen und bei einem Treffen mit ihnen ein Expertenteam aushandeln. Das könnte aus europa- und außenpolitischen Fachleuten der Parteien bestehen. So sollte ein Konsens erzielt werden, der Premier Sobotka ein starkes Mandat in Brüssel garantiert“, so Zbyněk Stanjura.

Kalousek, der diese Idee befürwortet, erwartet allerdings viel Streit zwischen den tschechischen Parteien. Eines ist beim Gipfel in Brüssel indes klar geworden: Keiner der 27 Staats- und Regierungschefs will komplizierte Änderungen der EU-Verträge.