Tschechische Präsidentschaftswahlen im Zeichen des Pragmatismus
In fast auf den Tag genau einem Monat wird Tschechiens Parlament einen neuen Staatspräsidenten wählen. Über die Hintergründe der bevorstehenden Wahl, die Chancen der beiden Kandidaten Václav Klaus und Jan Švejnar nun mehr in der neuesten Ausgabe unserer Sendereihe Schauplatz.
Auf dem Papier scheint Václav Klaus der Favorit zu sein. Seine Partei, die rechtsliberale Demokratische Bürgerpartei (ODS), ist in beiden Kammern des Parlaments stärkste Fraktion; Klaus fehlen zur Wiederwahl lediglich 21 Stimmen, die er von anderen Fraktionen erhalten muss. Švejnar wird es da schon schwerer haben und muss in den kommenden Wochen noch viel Überzeugungsarbeit leisten, um überhaupt eine reelle Chance zu haben.
Über die Ausgangslage vor der Präsidentenwahl, die Aussichten beider Kandidaten, wie auch die möglichen Königsmacher im Hintergrund, hat sich gegenüber Radio Prag der Politikwissenschaftler Jan Kubáček von der Prager Karlsuniversität geäußert. Kubáček weist auch darauf hin, dass das nun bevorstehende Duell Klaus gegen Švejnar bei Weitem nicht so überraschend ist, wie es vielleicht auf den ersten Blick scheint:
„Es stimmt, dass bei einer Betrachtung aus der Sicht der 90er Jahre sowie vom Standpunkt der wirtschaftlichen, machtpolitischen, aber auch der Prager Elite her, es sich bei beiden Kandidaten um Persönlichkeiten von gleichem Bekanntheitsgrad handelt. Beide Politiker sind mit den wichtigsten Weichenstellungen der 90er Jahre verbunden - der Transformation, der Privatisierung, genauso aber auch mit der Debatte, ob der Transformationsprozess bereits abgeschlossen ist oder wie tief er noch gehen soll. Hier vertraten Švejnar und Klaus unterschiedliche Standpunkte: Während Klaus irgendwann um das Jahr 1996 herum den wirtschaftlichen Umwandlungsprozess für abgeschlossen erklärte, forderte Švejnar, die Transformation müsse auch einen rechtlichen Rahmen haben. Aber schon in den 90er Jahren war der Name Švejnars immer auch für hohe Ämter gehandelt worden - entweder als Regierungsmitglied oder gar Premierminister. Und schon vor fünf Jahren, nach dem ein Nachfolger für Václav Havel gesucht wurde, meinten einige, Švejnar wäre ein geeigneter Kandidat. Letztlich wird hier also ein alter Konflikt zu Ende geführt und dieses Duell kann noch interessant werden."
Wenn Švejnar schon vor fünf Jahren als möglicher Kandidat für die Präsidentschaft im Gespräch war, warum hat er nicht schon damals kandidiert? Hätte er heute nicht einen gewissen Startvorteil und auch einen größeren Bekanntheitsgrad? Dazu sagt Jan Kubáček:"Jan Švejnar hat schon mehrmals gesagt, dass das mit familiären Gründen zusammenhing. Aber höchstwahrscheinlich standen noch weitere Gründe dahinter und hier ist in erster Linie die Frage von Švejnars amerikanischer Staatsbürgerschaft zu erwähnen. Damals vor fünf Jahren war das ein Problem, weil er keine vollwertige tschechische Staatsbürgerschaft hatte, und ohne das hätte er erst gar nicht antreten dürfen. Rechnerisch wären seine Chancen damals übrigens nicht schlecht gewesen, weil Švejnar sicherlich von seiner geistigen Nähe zu Václav Havel hätte profitieren können, und der genoss bekanntlich im damaligen Parlament quer durch die Parteien breite Unterstützung. Aber die damalige Großwetterlage spielte nicht mit, weil die beiden größten Parteien des Landes seinerzeit ihre großen Führungsfiguren - Zeman für die Sozialdemokraten und Klaus für die Rechtsliberalen - loswerden und sie ins Präsidentenamt wählen wollten. Ein Parteiunabhängiger Kandidat war damals nicht gefragt - ganz im Gegensatz zu heute. Jan Švejnar hat also gewartet, bis seine Zeit gekommen war und er der geeignete Kandidat sein konnte. Das ist jetzt im Jahr 2008 eingetreten."
Die Wahl des Präsidenten war schon zu Zeiten der Ersten Tschechoslowakischen Republik immer auch irgendwie von einer gewissen Mystik oder etwas profaner gesagt, von einer großen Portion Geheimniskrämerei umgeben. Der Grund war das geheime Wahlprozedere, das bis zum letzten Augeblick keinem der Bewerber eine hundertprozentige Sicherheit über das Ergebnis gab, selbst wenn er sich vor der Wahl durch noch so viele politische Vereinbarungen abzusichern versuchte. Und vor fünf Jahren, als ein Nachfolger für den damals scheidenden Präsidenten Václav Havel gesucht wurde, entwickelte sich während der einzelnen Abstimmungen im Plenum sogar eine große Eigendynamik, die letzten Endes die Favoriten scheitern und den vermeintlichen Außenseiter Václav Klaus gewinnen ließ.
Lässt sich Vergleichbares auch bei der bevorstehenden Präsidentenwahl erwarten und ist vielleicht Jan Švejnar heute sogar in einer vergleichbaren Position wie sein heutiger Konkurrent vor fünf Jahren? Dazu sagt der Politikwissenschaftler Jan Kubáček:
"Wenn ich mir die jetzige Zusammensetzung des Parlaments anschaue und auch die möglichen Koalitionen, die sich bei der Präsidentenwahl ergeben könnten, stellt sich die Lage als völlig klar und zu Gunsten von Václav Klaus dar. Er hat nicht nur rechnerisch die größere Unterstützung, sein Bekanntheitsgrad unter den Abgeordneten ist auch größer und diese können seine Positionen leichter einschätzen, als es bei Švejnar der Fall ist. Zudem ist Klaus auch ein Pragmatiker, von dem man weiß, dass er einmal getroffene politische Abmachungen einhält. Und nicht zu vergessen: Klaus ist ein Meister der öffentlichen Selbstdarstellung, er weiß welche Themen wann in der Öffentlichkeit zu setzen sind. Der Präsident wird zwar in Tschechien im Parlament gewählt, es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass sich einige unentschlossene Abgeordnete und Senatoren von der öffentlichen Stimmung beeinflussen lassen. Der wichtigste Faktor, der für Klaus spricht, ist aber die Unterstützung seiner Partei, die um jeden Preis eine Niederlage ihres Kandidaten verhindern will, weil das die Partei für mehrere Jahre die Macht kosten könnte."Eines scheint bei der bevorstehenden Präsidentenwahl schon jetzt sicher zu sein. Über den künftigen Hausherren auf der Prager Burg werden höchstwahrscheinlich, wie schon vor fünf Jahren, wieder die kommunistischen Stimmen entscheiden. Gegenwärtig pokern die Kommunisten hoch, wollen sich ihre Unterstützung für den einen oder anderen Kandidaten gut bezahlen lassen. Weder Klaus noch Švejnar entsprechen den Bild eines linken Kandidaten, aber dennoch: Wer von den beiden kann die Kommunisten besser ansprechen? Ist es Klaus, welcher die Kommunisten in den vergangenen fünf Jahren praktisch hoffähig gemacht hat, oder Švejnar, der zwar den Marktfundamentalismus von Klaus kritisiert, aber das Problem hat, auch gleichzeitig amerikanischer Staatsbürger zu sein? Hören Sie dazu abschließend noch einmal eine Einschätzung des Politikwissenschaftlers Jan Kubáček von der Prager Karlsuniversität:
"Auch wenn sich die Kommunisten nur ganz leicht reformieren, sind sie in erster Linie eine sehr pragmatische Partei. Hier steht ihnen Václav Klaus sicherlich näher, weil auch er ein Pragmatiker ist und gut kalkulieren kann. Die Kommunisten wissen, dass hinter Klaus eine starke Partei steht, die zudem noch an der Regierung beteiligt ist. Damit hängt zusammen, dass dies den Kommunisten gewisse Vorteile verschaffen kann. Und nicht zu vergessen: An der Endfassung des Staatshaushalts für dieses Jahr haben auch 13 kommunistische Abgeordnete mitgewirkt, deren Änderungsanträgen stattgegeben wurde. Ich persönlich würde die 13 Abgeordnete als potentielle Wähler von Václav Klaus bezeichnen. Die Kommunisten sind heute jedenfalls in der Situation, dass sich beide Präsidentschaftskandidaten um ihre Gunst bemühen und somit zur Legitimierung ihrer Politik beitragen; andersherum gilt dies auch für die Art, wie die Kommunisten Politik betreiben. Und hier ist Václav Klaus der stärkere Partner für die Kommunisten. Er ist ein Pragmatiker und ist im Stand, reale Zugeständnisse und Vorteile anzubieten."