Tschechische Studenten lernen Bayerisch am „Bavaricum“ der Uni Brünn

Im Bundesland Bayern ticken die Uhren bekanntlich ein wenig anders als im Rest Deutschlands. Das merken nicht nur preußische Urlauber, die beim Brötchen kaufen am Dialekt scheitern. Aber Bayrisch beziehungsweise Bayern studieren? Geht das? An der Masaryk-Universität in Brno / Brünn glaubt man: Ja! Zum Wintersemester startet hier ein neuer Studiengang, das „Bavaricum“. Radio Prag hat bei Boris Blahak, einem der Initiatoren des Studiengangs, nachgefragt, was es mit dem „Bavaricum“ auf sich hat.

Guten Tag, Herr Blahak! Oder besser Grüß Gott!

„Grüß Gott, Herr Gschwend.“

Unsere im Radio vielleicht nicht ganz übliche Begrüßung hat noch einen anderen Grund, als den, dass sie Bayer sind. Und über diesen Grund wollen wir jetzt sprechen. Sie sind nämlich Deutsch-Lektor an der Masaryk-Universität in Brno / Brünn. Und dort sind Sie federführend beteiligt an der Einrichtung eines neuen Studiengangs, der zum kommenden Wintersemester startet und sich „Bavaricum“ nennt. Sagen Sie doch bitte zunächst mal kurz, was genau ist das „Bavaricum“?

„Das ‚Bavaricum’ trägt auch den Untertitel ‚Fachsprache Deutsch mit regionalem Akzent’. Das heißt, insgesamt hat die Zusatzausbildung zwei Komponenten. Das ist zum einen eine fremdsprachliche, zum anderen eine landeskundliche Komponente. Und beide stehen in Zusammenhang mit dem Freistaat Bayern. Unsere Zielgruppe sind in erster Linie Nicht-Germanisten also Nicht-Philologen, die sich eine Zusammenarbeit mit Partnern aus Bayern vorstellen könnten. Das heißt, sie müssen gewisse Deutsch-Grundkenntnisse aus der Schule mitbringen, die dann im ersten Semester aufgefrischt und systematisiert werden. Im zweiten Semester werden sie dann fachsprachlich angereichert. Da geht es in erster Linie um Wirtschaftsdeutsch. Das wäre die produktive Kompetenz, die hier erworben werden soll. Zugleich geht es um eine Sensibilisierung für das Deutsch im Freistaat Bayern, also im Prinzip um dialektal gefärbtes Sprechen. Wobei der Lerner hier keine produktive Kompetenz erlernen soll. Er soll nicht Dialekt sprechen lernen. Er soll aber Dialekt verstehen lernen. Dazu kommen dann verschiedene Pflicht- und Wahlmodule zu landeskundlichen Aspekten, das heißt zum politischen System, zur Wirtschaft im Freistaat Bayern, zur bayerischen Landesgeschichte, zur interkulturellen Kompetenz und ähnliche Module.“

Es handelt sich also sozusagen um ein Bayern-Studium, oder auch Bayrisch-Studium. Das klingt für mich erstmal ein wenig ulkig. Ich hab selber als Rheinländer fast ein Jahr in Bayern gelebt und hatte da mitunter erhebliche Probleme mit dem Dialekt. Wie muss man sich also den Unterricht am „Bavaricum“ vorstellen? Lernen ihre Studenten da „Oans, zwoa, gsuffa“ und solche Phrasen?

„Das nicht. Das möchte man meinen, dass wir hier Jodeln und Schuhplatteln lehren. Dem ist aber nicht so. Der Unterschied zwischen Dialekt und Hochsprache ist zum größten Teil phonetisch bedingt. Es gibt gewisse Transformationsregeln, wie man aus der Mehrheit bayerischer Wörter auf ein hochdeutsches Wort rückschließen kann oder auch umgekehrt. Mit diesen Regeln machen wir den Lerner vertraut. Im ersten Semester zunächst auf der Grundlage schriftlicher Textbeispiele, im zweiten Semester dann auch auf der Grundlage verschiedener Hörbeispiele, die dann auch in Rollenspielen enden. Wir, die Lehrenden, sind ja auch Dialektmuttersprachler, das heißt wir können im Idealfall den bayerischen Geschäftspartner mimen. Außerdem können wir aber im Tschechischen auf eine Besonderheit zurückgreifen, denn die meisten Germanismen, vor allem in den tschechischen Umgangssprachen, sind tatsächlich bayerisch-österreichischer Herkunft. Und das baut dann natürlich - das ist zumindest unsere Meinung - Berührungsängste mit den bayerischen Dialekten ab.“

Warum halten Sie das für notwendig? Könnte man von den Bayern nicht erwarten, dass sie sich gerade im Kontakt mit fremdsprachigen Gesprächspartnern um Hochdeutsch bemühen? Schließlich tun das die meisten ja schon mit Preußen.

„Natürlich bemüht sich der Bayer in aller Regel, allerdings gelingt das nicht allen Leuten. Dazu kommt, dass seit den 1990er Jahren gerade im öffentlichen und halböffentlichen Bereich in Bayern eine Dialekt-Renaissance feststellbar ist. Die Werbung, die Medien, auch Dinge wie Speisekarten und anderes greifen bewusst auf den Dialekt zurück, zum Teil um ein Eigengefühl zu stärken, zum anderen vielleicht auch um Lokalkolorit zu erzeugen und so weiter. Selbstverständlich hat ein tschechischer Marktteilnehmer in der Hauptstadt München weniger mit Dialekten zu tun, denn gerade in München stirbt der Dialekt langsam aus. In ländlichen Regionen, ich denke da zum Beispiel an Ostbayern, also die Grenzregion zu Tschechien, ist der Dialekt wesentlich lebendiger. Selbstverständlich wird der tschechische Marktteilnehmer selten auf Basisdialekte treffen, wie sie auf dem Dorf gesprochen werden, aber die dialektale Färbung ist im Alltag doch noch relativ stark in Bayern.“

Nun aber mal eine ganz grundsätzliche Sache. Warum Bayern? Weshalb sollten sich tschechische Studenten mit Bayern beschäftigen?

„Dafür gibt es verschiedene Gründe. Ich habe festgestellt, dass tatsächlich der Freistaat Bayern mit Tschechien das größte Handelsvolumen aufweist, was die direkten Nachbarn betrifft. Das ist doch bemerkenswert. Also offensichtlich orientiert sich Tschechien wirtschaftlich sehr stark nach Bayern. Zum anderen habe ich festgestellt, dass Deutsch in deutsch-tschechischen Firmen oder auch österreichisch-tschechischen Firmen nach wie vor einen relativ hohen Stellenwert als Betriebssprache hat. In 75 Prozent dieser Firmen wird Deutsch weiterhin gefordert. Leider hat das tschechische Schulgesetz dafür gesorgt, dass Deutsch an Schulen nur noch zweite Fremdsprache ist und nur noch drei Jahre gelernt wird. As heißt also noch relativ viele Tschechen lernen Deutsch, haben aber ein relativ niedriges Niveau, wenn Sie die Schule verlassen. Das konterkariert allerdings die Anforderungen des Marktes, da Bayern wie gesagt einer der Haupthandelspartner der Tschechischen Republik ist.“

Meistens geistern ja durch die Medien eher Nachrichten über Studiengänge, die abgeschafft werden, Professuren, die nicht neu besetzt werden oder ganze Institute, die geschlossen werden. Nun rufen Sie einen neuen Studiengang ins Leben. Wer bezahlt das? Von wem wird das „Bavaricum“ gefördert?

„Finanziell bisher nur von einer bayerischen Stiftung, der Johann-Andreas-Schmeller-Stiftung, die sich der Pflege des Dialektes widmet. Das ist ein kleiner, finanzieller Zuschuss, den wir vor allem für Werbemaßnahmen und Öffentlichkeitsarbeit verwenden. Ansonsten trägt sich das ‚Bavaricum’ im Moment noch selbst. Der Studiengang ist gebührenpflichtig. Allerdings haben wir bereits im Januar einen Antrag auf Förderung beim bayerischen Wissenschaftsministerium in München gestellt. Darüber wird aber noch verhandelt. Wir warten noch auf den endgültigen Bescheid.“

Der Studiengang startet zum Wintersemester in seinen ersten Jahrgang. Wie sieht das Interesse daran unter den Brünner Studenten aus. Haben sich schon viele angemeldet?

„Wir haben uns vorgenommen für den ersten Jahrgang 20 bis 25 Interessenten zu gewinnen. Im Moment haben sich fünf angemeldet. Die Anmeldefrist läuft allerdings noch bis Ende August. Wir haben aber auch noch eine andere Zielgruppe. Das ‚Bavaricum’ steht nämlich nicht nur immatrikulierten Studenten offen, sondern auch Hochschulabsolventen aus Tschechien. Wir erwarten auch im Sommer noch eine Anzahl von Anmeldungen aus dem Firmenbereich. Wir sind relativ günstig, was die Kosten betrifft. Und wir bieten, was die Spezialisierung betrifft, mehr als so manche private Sprachschule. Ich nehme an, dass viele Firmen das ‚Bavaricum’ auch als günstige Fortbildung für ihre Mitarbeiter wahrnehmen. Zumal dann, wenn sie Kontakte in den Freistaat Bayern haben.“