Tschechische Zeitzeuginnen im Gespräch

Das Schicksal des Dorfes Lidice steht in aller Welt als Symbol für die Verbrechen der Nazizeit. Für Mila Kalibova und Milada Cabova aus Lidice ist es ein Teil ihrer Biographie: Sie waren neunzehn bzw. achtzehn Jahre alt, als deutsche Soldaten mitten in der Nacht das Dorf umstellten und dann sie und ihre Familien aus den Häusern trieben. Was danach mit ihnen und den anderen Frauen aus Lidice geschah, berichteten die beiden Zeitzeuginnen am Donnerstag in der Name-Jesu-Kirche in Bonn. Unsere freie Mitarbeiterin Katrin Schröder war dabei.

Der Vortrag fand im Rahmen einer Reihe der Bonner Katholischen Hochschulgemeinde statt, die sich, so der Titel "Christlichen Frauen im Widerstehen gegen den Nationalsozialismus" widmet und das Schicksal der Häftlinge des Frauen-KZ Ravensbrück nachzeichnet. Mitorganisatorinnen waren das Frauennetzwerk für Frieden/ Tschechisch-deutsches Forum der Frauen und das Bildungswerk für Friedensarbeit. Frieden schließen, auch wenn der zweite Weltkrieg nun schon mehr als 55 Jahre vorbei ist - das ist das Anliegen der Bonner Friedensfrauen. Rund 60 Zuhörerinnen und Zuhörer harrten auf den kalten Kirchenbänken aus, um die Geschichte der beiden Tschechinnen zu hören.

An Lidice wollten die Nazis nach dem Attentat auf den Reichsprotektor Reinhard Heydrich ein Exempel statuieren. 173 Männer wurden an jenem 10. Juni 1942, vier Tage nach dem Tod Heydrichs, erschossen, 196 Frauen aus Lidice wurden ins KZ Ravensbrück transportiert, 143 von ihnen überlebten. Die jüngste war knapp über 16, die älteste 88 Jahre alt. Zunächst wussten sie nicht, wohin sie gebracht worden waren - ein KZ, das war nur eine düstere Vorstellung, von der sie nie gedacht hätten, dass sie eines Tages für sie Realität werden könnte. Drei Jahre verbrachten Kalibova und Cabova in einer dem Arbeitslager angeschlossenen Schneiderei und nähten Wehrmachtsuniformen - 12 Stunden am Tag, 800 angenähte Knöpfe pro Schicht. Hunger, Kälte, Schläge und Strafen wegen kleinster Vergehen standen auf der Tagesordnung des Lageralltags. Während all der Zeit wussten sie nicht, dass ihre Männer längst tot waren, ebenso wie 88 Kinder aus Lidice. Verwandte und Mithäftlinge hatten nichts davon gesagt, um ihnen nicht die Hoffnung zu nehmen, die sie zum Überleben brauchten.

Ende April 1945 wurde das Lager evakuiert, die Insassinnen auf Wanderschaft geschickt - ein Todesmarsch, der kurz vor Kriegsende noch viele das Leben kostete. Nüchtern und ohne Verbitterung erzählten die beiden, die sich einig waren, dass sie noch Glück im Unglück gehabt hätten: Nach dem Krieg waren sie jung genug, um sich ein neues Leben aufzubauen - eine Chance, die viele ältere Frauen nicht mehr hatten.