Tycho Brahes Observatorium in Benátky nad Jizerou
Die ganze Welt hat kürzlich die Landung einer Raumsonde auf dem Saturn-Mond Titan verfolgt sowie Titan-Fotos und weitere Ergebnisse der dort durchgeführten Beobachtungen direkt auf den Frühstückstisch bekommen. Völlig anders sah die Weltraum-Forschung vor 400 Jahren aus. Ohne Sonden, Satelliten und Computer wurde die Sternkunde etwa im kleinen Städtchen Benátky nad Jizerou (Benatek) in Mittelböhmen durchgeführt. Allerdings: die internationale Zusammenarbeit gab es schon damals. Hat doch der dänische Astronom Tycho Brahe dort gewirkt und eine Sternwarte errichtet. Mehr erfahren Sie in der folgenden Ausgabe von "Reiseland Tschechien".
"In diesem Zimmer erinnern wir an den berühmten dänischen Astronomen, dessen ganzer Name richtig lautet: Tycho Brahe de Knudstrup. Tycho Brahe wurde zum Hof des Kaisers Rudolfs II. eingeladen. Von diesem Kaiser ist bekannt, dass er gerne verschiedene Künstler und manchmal auch Pseudokünstler und Pseudowissenschaftler auf seinem Hof konzentrierte. Tycho Brahe hat die Einladung ins Königreich Böhmen trotzdem gern angenommen, denn er war damals bereits im höheren Alter und ermüdet durch seine Europareisen. Er wollte sich daher irgendwo niedersetzen und Ruhe finden. Er nahm die Einladung des böhmischen Königreiches an und zog mit der ganzen Familie hierher um."
Kaiser Rudolf II. wünschte, dass Tycho in der Nähe von Prag wohnt, und bot ihm drei Schlösser an, die damals der Krone gehörten. In Frage kamen die Schlösser Brandýs, Lysá und Benátky."Es war wohl die Lage unseres Schlosses auf einem Hügel und eine hervorragende Aussicht in die Gegend, wegen derer sich Tycho für Benatek entschloss und mit der ganzen Familie hierher kam. In den Jahren 1599-1600 lebte und arbeitete er hier. Das Schloss war damals gar nicht so groß wie heute. Es hatte nur einen Flügel, denjenigen, den eine Sgraffito-Fassade schmückt. Es gab hier damals keinen Turm und die übrigen beiden Flügel standen auch noch nicht."
Tycho wollte in Benatek nicht nur für den Kaiser arbeiten und zum Beispiel Horoskope für ihn zusammenstellen, sondern natürlich auch seine wissenschaftliche Tätigkeit fortsetzen. Er ließ viele seiner Geräte auf dem Wasserweg dorthin bringen, die er bei seiner Arbeit nutzten wollte.
"Erstaunlicherweise war darunter kein Fernrohr, dieses Gerät wurde von Galileo Galilei erst einige Jahre nach Tychos Tod entwickelt. Er hatte Geräte, die in jener Zeit zugänglich waren, wie ein Sextant. Einige hat er selbst erfunden und konstruiert."
Tycho hat etwa 20 Messgeräte zum Feststellen der Lage der Sterne entworfen und verfertigt. Davon waren das Stahlsextant und das Mauerquadrant am bedeutendsten, mit denen man eine Genauigkeit von einer geographischen Minute erreichen konnte.
"Er hatte sein Observatorium auf der Insel Hven und hoffte, etwas Ähnliches auch hier in Benatek errichten zu können. Dazu kam es leider nicht, weil einige seiner Geräte während seines Aufenthalts überhaupt nicht eingetroffen sind. Außerdem entsprachen die hiesigen Bedingungen nicht seinen Vorstellungen. Und schließlich blieb er nicht so lange Zeit hier, nicht einmal zwei Jahre."
Streitigkeiten mit einem Kaiserbeamten, der den Umbau beaufsichtigte, und auch die Dauerentfernung vom Kaiserhof bewogen Tycho Brahe zur Entscheidung, im nächsten Jahr nach Prag zurückzuziehen. Trotzdem konnte er in Benatek viele wichtige Beobachtungen durchführen und auch die geographische Lage seines Schlosses feststellen. Wahrscheinlich ist Benatek die erste Stadt in Böhmen, deren Lage so genau berechnet wurde.
In diesem Städtchen traf er auch mit anderen bedeutenden Astronomen seiner Zeit zusammen. Johannes Kepler wurde dorthin eingeladen, um Tychos Beobachtungen der Marsbewegung zu verarbeiten. Ein Zeugnis über seine Treffen mit Tycho Brahe hat uns auch David Gans, Verfasser der Schrift "Nechmad venaim" ("Lieb und angenehm") nachgelassen, die sich der Astronomie, Geometrie, Geographie und Chronologie widmet. Er schildert in seinem Werk seine drei fünftägigen Besuche bei Brahe in Benatek und beschreibt auch die Einrichtung von einzelnen Räumen, wo er an einigen Beobachtungen selbst teilgenommen hat. Wahrscheinlich ist seine Darstellung übertrieben, man kann ihm nicht glauben, dass dort 13 Zimmer in einer Reihe waren und in jedem Zimmer sich ein anderes Gerät mit einem selbstständigen Beobachter befand. Tycho Brahe hat aber tatsächlich das zweite Stockwerk des Schlosses bewohnt, wo Fragmente eines ursprünglichen Renaissancegemäldes gefunden wurden. Die Fenster an der Südseite konnten wohl Beobachtungen mit kleineren Geräten dienen. Davon zeugen auch Überreste einer Vorrichtung zum Fixieren der Lage des örtlichen Meridians, die während einer Renovierung entdeckt und durch eine Metalllinie im Fußboden markiert wurde.
"Wir haben hier eine ziemlich wertvolle Sache, und zwar einen Meridian, der von Tycho hier berechnet wurde. Es war eine der ersten Sachen, die er hier machen musste, um überhaupt seine wissenschaftliche Arbeit fortsetzen zu können, um einen Angelpunkt dafür zu haben."
Die Angabe 14°59´34´´ trägt der Meridian von Benatek. In den Ausstellungsräumen kann man Tafeln mit Dokumenten über das Leben des Astronomen sowie einige Modelle seiner Geräte besichtigen."Dieses hölzerne Monstrum ist Modell eines Geräts, das Tycho genutzt hat. Es ist ein Mauerquadrant. Um genutzt werden zu können, müsste es jedoch fünfmal größer sein. Wie man auf Zeichnungen im Nebenzimmer sehen kann, waren seine Geräte wirklich riesig. Wahrscheinlich konnten sie überhaupt nicht in Zimmern untergebracht sein. Wir nehmen an, dass sie im Park rund um das Schloss platziert waren, wo Tycho in klaren Nächten seine Beobachtungen durchführte. Es war keine einfache Arbeit. Die Ergebnisse der Messungen, die Tycho mit solchen Geräten bekam, sind sehr genau. Als sie mit Ergebnissen neuer Messgeräte verglichen wurden, waren die Unterschiede fast vernachlässigbar."
Im Jahr 1600 zog Tycho Brahe mit seiner Familie nach Prag um. In einem Haus in der Nähe der Prager Burg richtete er ein neues Observatorium ein. Kurz darauf, im Jahr 1601 ist er jedoch gestorben. Seine Witwe bemühte sich danach, alle seine Geräte und Bücher zu verkaufen. Einige Geräte befinden sich heute in den Sammlungen des Prager Nationalmuseums, einen Teil der Bücher besitzt die tschechische Nationalbibliothek. Handschriften und Tagebücher, in die Tycho und seine Mitarbeiter Resultate ihrer Beobachtungen eingetragen hatten, liegen heute im Archiv in Kopenhagen.