Unabhängig, verhandlungsstark und rhetorisch bewandert - der neue Ombudsmann Varvařovský
Am Montag hat der neue tschechische Bürgerbeauftragte Pavel Varvařovský seinen Amtseid abgelegt und somit offiziell sein Amt angetreten. Die Reaktionen auf seine Wahl fielen positiv aus und dementsprechend groß sind auch die Erwartungen, die in ihn gesetzt werden. Über die Ziele des neuen Ombudsmannes und darüber, was er anders machen will, als sein beliebter Vorgänger Otakar Motejl, nun mehr ä-in einer neuen Ausgabe unserer Sendereihe Schauplatz.
„Das wird sich noch zeigen, ob das ein Nachteil ist. Ich muss sagen, dass ich erfreut darüber war, als nach dieser Wahl sich eine Reihe von Menschen bei mir meldete, die sowohl mich, als auch Otakar Motejl aus unserer gemeinsamen Zeit am Obersten Gerichtshof kannten. Sie meinten, Motejl wäre sicher froh, dass ausgerechnet ich sein Nachfolger geworden bin.“
Wie will Varvařovský nun sein Amt führen und will er etwas anders gestalten als Otakar Motejl? Dazu sagt der neue tschechische Bürgerbeauftragte:
„Ich bin von meiner Natur her ein konservativer Mensch. Ich vertrete die Auffassung, dass das bestehende Recht nicht bei jeder Gelegenheit, oder wenn der Wind gerade aus einer neuen Richtung kommt, geändert werden soll. Darin sehe ich eine wichtige Voraussetzung, damit sich in den Köpfen der Menschen die Vorstellung verfestigt, welches Handeln rechtens ist und welches nicht mehr. Das gilt auch für die Institutionen. Diese sollten stabil sein, und es sollte ihnen eine gewisse Zeit gewährt werden, um sich in der Öffentlichkeit zu behaupten. Deshalb trete ich dafür ein, dass im Einklang mit dem bisherigen Rollenbild fortgefahren wird und wie die Kompetenzen dieses Amtes definiert sind.“
Eine Frage, die schon zu Zeiten Otakar Motejls im Raum stand, war jene nach den Möglichkeiten des Ombudsmanns, aktiv in den Gesetzgebungsprozess einzugreifen. Bisher kann er zum Beispiel nicht aktiv Entscheidungen von Institutionen ändern. Er kann lediglich appellieren, die Beschlüsse in eine andere Richtung zu lenken. Die Frage ist nun, ob Pavel Varvařovský hier eine Änderung anstrebt. Seit Jahren ist zum Beispiel im Gespräch, dass der Ombudsmann die Möglichkeit haben sollte, sich mit seinen Begehren direkt an das Verfassungsgericht zu wenden, was den Amtsweg deutlich verkürzen würde. Während vor allem Bürgerrechtsorganisationen diese Möglichkeit geradezu herbeirufen, stehen die Politiker, die in Folge dann unter Umständen eine Verfassungsänderung vornehmen müssten, dem skeptisch gegenüber. Als ein Argument bemüht die Politik dabei stets, dass der Ombudsmann nicht direkt gewählt wurde. Er verfüge also eigentlich nicht über eine ausreichende Legitimation, sich neben Abgeordnetenhaus und Senat zu einem weiteren Teilhaber am Gesetzgebungsverfahren zu entwickeln. So überrascht es nicht, dass sich Pavel Varvařovský in dieser Frage reserviert gibt und seiner selbst erklärten konservativen Haltung treu zu bleiben scheint:
„Die Idee für das Amt des Bürgerbeauftragten hat seine Wurzeln in den 70er und 80er Jahren. Dem vorausgegangen waren langjährige Studien. So, wie das Amt in Tschechien aufgebaut und institutionell eingebettet ist, entspricht es dem herkömmlichen europäischen Modell. Dazu gehört, dass dem Bürgerbeauftragten ganz bewusst keine machtpolitischen Instrumente in die Hand gegeben werden. Er soll überzeugen, er soll die Menschen anhören und es ist ein Amt sui generi.“, so Varvařovský.In der Öffentlichkeit stieß die Wahl Varvařovskýs zum neuen tschechischen Bürgerbeauftragten auf weitgehend positives Echo. Zu diesen Stimmen gehörte auch jene der früheren Bürgerrechtlerin Anna Šabatová, die dem tschechischen Helsinki-Ausschuss – einer Nichtregierungsorganisation für Menschenrechte – vorsteht. Šabatová war in den Jahren 2001 bis 2007 Stellvertreterin Otakar Motejls und kandidierte ebenfalls für das Amt der neuen Bürgerbeauftragten. Im Gegensatz zu Varvařovský erhielt sie allerdings im Parlament nicht die notwendige Mehrheit. Im Gespräch mit dem Tschechischen Rundfunk kommentierte Šabatová die Wahl Pavel Varvařovskýs wie folgt:
„Ich glaube, dass die Abgeordneten eine gute Wahl getroffen haben, weil es notwendig war, dass dieses Amt wieder mit einer konkreten Persönlichkeit verbunden wird. Auch wenn sich der Ombudsmann in Tschechien auf ein Team von exzellenten Anwälten stützen kann, steht und fällt das Amt des Bürgerbeauftragten mit jener Persönlichkeit, die an der Spitze steht.“Zu den Vorzügen des neuen Ombudsmanns zählt Frau Šabatová vor allem Folgende:
„Herr Varvařovský ist Experte für Verwaltungs- und Verfassungsrecht. Das sind zwei Schlüsselgebiete im Rahmen der Jurisprudenz, mit denen sich der Ombudsmann am häufigsten auseinandersetzen muss. Mehr als 95 Prozent aller Fälle, mit denen sich der Bürgerbeauftragte befasst, hängen mit dem Verwaltungsrecht zusammen. Er hat daher die besten Voraussetzungen, um über die notwendige Autorität zu verfügen. Bedenkt man noch zusätzlich, dass er zehn Jahren lang Verfassungsrichter war, dann ergibt das eine interessante Kombination.“
Auch sein starkes Mandat ist eine gute Voraussetzung für das Wirken des neuen Ombudsmannes. Varvařovský wurde mit 98 Stimmen gewählt und somit deutlich. Wie Fälle aus der Vergangenheit zeigen, ist das bei Ämtern mit einer öffentlichen Kontrollfunktion, wie jenem des Bürgerbeauftragten, bei weitem keine Selbstverständlichkeit. So dauerte es zum Beispiel fast zwei Jahre lang, bis es den Abgeordneten gelang, einen neuen Präsidenten des Obersten Rechnungshofes zu wählen.Lässt sich das auch so deuten, dass Varvařovský künftig mit einer stabilen Unterstützung von Seiten der Politiker rechnen kann? Nicht unbedingt, findet Menschenrechtsaktivistin Anna Šabatová vom Tschechischen Helsinki-Ausschuss:
„Er braucht nicht die Unterstützung der Politik. Er ist unabhängig von den Politikern, und ich möchte betonen, dass Herr Varvařovský innerlich ein sehr unabhängiger Mensch ist. Zum Amt des Bürgerbeauftragten gehört dazu, gut verhandeln und reden zu können. Letzteres hat er bereits während seiner Auftritte im Parlament im Vorfeld der Wahl bewiesen. Das könnte ein positiver Unterschied sein zu Otakar Motejl, der nicht so oft ins Abgeordnetenhaus ging. Ich denke allerdings, dass dies sehr wichtig ist, weil dort der Bürgerbeauftragte nur mit seinem Verhandlungsgeschick etwas erreichen kann. Er hat das Recht, jederzeit im Parlament zu sprechen, und das ist eine Kompetenz, die man sehr gut nutzen kann.“