Uraufführung einer Oper in Prag: "Die Physiker"

Liebe Hörerinnen und Hörer, Ende Oktober kam es an der Prager Staatsoper im Rahmen des Projekts Prag-Europäische Kulturstadt 2000 zu einer Uraufführung einer Oper, die einen imaginären Bogen schlägt zwischen dem legendären schweizerischen Dramatiker Friedrich Dürrenmatt und dem nicht minder bekannten tschechische Dramatiker und heutigen Staatspräsidenten Vaclav Havel. Die Oper "Die Physiker" ist Inhalt unseres heutigen Kulturspiegels, zu dem Sie am Mikrophon Marcela Pozarek begrüsst.

Im Vorfeld der Uraufführung der Physiker-Oper eröffnete man im Foyer der Staatsoper eine kleine Fotografie- Ausstellung von Bühnenbildern zu Dürrenmatt Stücken. Es gab nämlich eine sehr fruchtbare künstlerische Verbindung zwischen dem schweizerischen Dramatiker und einem tschechischen Bühnenbildner. Es handelt sich dabei um Josef Svoboda, der in kongenialer Weise die komplexe und humorvolle Dürrenmattsche Welt in Bühnenbilder zu fassen wusste. Über Josef Svoboda sprachen wir in Prag mit der Witwe des Dramatikers, Charlotte Kerr-Dürrenmatt:

Die Uraufführung in Prag präsentierte sich im Bühnenbild eines Svoboda- Schülers, Daniel Dvorak, der gleichzeitig auch Intendant der Staatsoper ist. Ansonsten war die Produktion eine deutschsprachige, es inszenierte der österreichische Regisseur Anton Nekovar, das Orchester der Staatsoper wurde von einem weiteren Österreicher, Richard Hein, der öfters in Tschechien tätig ist, dirigiert und die Oper selbst komponierte der Basler Andreas Pflüger zu einem Libretto von Wolfgang Willaschek.

Die Physiker ist als Drama vor allem ein frappant kluger Einfall. Drei Physiker spielen verrückt um die Wahrheit, ihr todbringendes Wissen hinter Attitüden von Irren, also Unzurechnungsfähigen zu kaschieren. In einem Gespräch mit der Basler Zeitung meinte Andreas Pflüger:

"Ich bin kein gesellschaftlicher Aussenseiter, wohl aber ein vollkommener Individualist. Auch die Physiker sind das. Der Gedanke, sich verrückt zu stellen, ist mir vertraut. Er liegt auch dem "Braven Soldaten Schwejk" zu Grunde."

Die Dürrenmattsche Verfremdungstechnik, die die gängigen Wahrnehmungsmuster subversiv unterläuft und die Wertgefüge durcheinanderwirbelt, sorgte beim Theaterpublikum immer für Überraschungseffekte. Einen intellektuellen Drahtseilakt vollführte Dürrenmatt auch bei einer berühmt gewordenen Rede anlässlich der Verleihung des Gottlieb-Duttweiler Preises, den man kurz nach der Samtenen Revolution an den ehemaligen Dissidenten und heutigen tschechischen Staatspräsidenten Vaclav Havel verlieh. Charlotte Kerr-Dürrenmatt: Aber gehen wir endlich zur Sache: Damit Sie sich einen Eindruck von der Oper "Die Physiker" machen können, der ein Libretto von Wolfgang Willaschek zu Grunde liegt, hier ein Mitschnitt von der Generalprobe: Was sich vielleicht ganz gut anhört, entpuppte sich leider als Operninszenierung als fader Abklatsch eines starken dramatischen Stoffes. Gleich nach der Premiere sprach ich mit dem Redaktuer der Zeitschrift Musik und Theater, Reinmar Wagner: Im Premierenpublikum verfolgte übrigens auch der legendäre Bühnenbildner Josef Svoboda, das Treiben der vermeintlich irren Physiker. Er erinnerte sich bei einem Gespräch an die Zeit mit Dürrenmatt:

"Wir waren einerseits Freunde, machten mehrere Inszenierungen vor allem in Zürich miteinander. Das war für mich ein grosses Erlebnis. Wir verstanden uns gut und da es sich eher um kurze zweistündige Inszenierungen handelte und keine riesigen Sachen, kam ich auf meine Kosten. Dürrenmatt werde ich nie vergessen, er war ein Theatermensch par excellence. Was aber diese Physiker Oper hier angeht, finde ich das Bühnenbild nicht glücklich gelöst, dass ist irgendwie kleinlich und lächerlich, diese Gitterchen, die das Irrenhaus darstellen sollen, das ist alles billig, ein wenig Effekt hascherisch und eigentlich ist es überhaupt kein Theater...."

Autor: Marcela Pozarek
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