Utopia: Träumen in einer Prager Kunstwerkstatt

Foto: Heiner Koch

Prag bietet nach wie vor einer breiten Künstlerszene eine Heimat. Oft ist diese Szene nicht leicht zu finden, da sie nur selten öffentlich auf sich aufmerksam macht und dies auch gar nicht will. Im Folgenden ein Besuch in der Kunstwerkstatt Utopia, einer versteckten Kunstgalerie im Stadtteil Vinohrady.

Foto: Heiner Koch
Träumen wird man doch noch dürfen. Wenn man seine Träume ernst nimmt, dann nennt man das eine Utopie. Und wenn verschiedene Menschen an den gleichen Traum glauben und ihn verwirklichen, dann nennt man das Utopia. In der Straße Bělehradská 45 findet sich ein Ort, an dem versucht wurde, einen solchen Traum zu verwirklichen. Petr Syrový ist einer der Träumer:

„Unsere Philosophie ist es, einen offenen Raum zu schaffen, der dafür da ist, dass die Menschen das ausstellen können, was sie selbst für sich kreiert haben.“

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Was aber sind das für Freiräume? Betritt man Utopia zur rechten Zeit, hört man sofort den uralten 16-Millimeter-Filmprojektors rattern. Hinter einer Schiebetür schließlich sitzen in einem kleinen Kino zahlreiche Filmfans und schauen gebannt tschechischen Klassikern der 1960er und 1970er Jahre an, wie die Komödie „Liebe nach Fahrplan“, die 1968 sogar einen Oskar gewann.

Neben dem Kino bietet Utopia eine Bühne für Diashows, Theateraufführungen und Modeausstellung kreativer Hobbydesigner. Vor allem aber gibt Utopia zeitgenössischer Kunst einen Raum. Erlaubt ist in dem Ausstellungsraum alles.

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Zurzeit wird Jiří Surůvkas „Retroporno“ gezeigt, eine provokante Welt aus Sex und Gewalt in verschiedenen Dimensionen. An den Wänden gemalt kann man sehen, wie Paare den Liebesakt in allen möglichen Stellungen im Wüstensand praktizieren, während im Vordergrund Collagen martialischer Tötungsszenarien ausgestellt sind. Dazu sanft verwirrende Elektromusik.

In Utopia hat die Kunst nicht nur einen Namen, sondern auch ein Gesicht, denn oft kann man den Künstler unter den Gästen an der Bar finden. Wie aber funktioniert Utopia? Ausdrücklich nimmt Petr Syrový Abstand von jedem Streben, mit dem Projekt Geld zu verdienen:

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„Utopia hat einige Grundsätze. Zunächst sind wir eine Nichtregierungsorganisation, das heißt auch, dass wir nicht gewinnorientiert arbeiten. Jeder, der hier mitmacht, ist ein Freiwilliger, und niemand wird bezahlt.“

Gegründet wurde die Utopia vor 14 Jahren und hat heute rund 300 Fördermitglieder. Diese tragen mit kleinen Jahresbeiträgen das Projekt, das aber dennoch immer wieder von der Schließung bedroht ist. Gerade eben kam erneut eine Mieterhöhung, und das gerade vor dem Winter, wenn die Nebenkosten steigen. Doch Utopia aber hat schon viele Stürme überstanden, denn so einfach lässt sich nicht verwehen, was aus versteinerten Träumen gebaut ist.

Autor: Heiner Koch
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