Verbünden sich tschechische Suchdienste gegen Google und Co?
Zu den Themen der Woche aus der Sicht der tschechischen Medien gehörte das Urteil des Verfassungsgerichts zu den Ambulanzgebühren wie auch ein Missgeschick der Organisatoren beim Fußballländerspiel Tschechien-Litauen. Daneben informieren wir Sie im Medienspiegel über die jüngsten Entwicklungen in der tschechischen Internetszene.
Nicht anders auch in dieser Woche, was nicht zuletzt mit dem Urteil des Verfassungsgerichts zusammenhängt, welches die seit Jahresbeginn erhobenen Ambulanzgebühren für verfassungskonform erklärte. Ganze Seiten gefüllt mit langen Berichten zu dem Thema fanden sich in allen wichtigen tschechischen Printmedien.
Die Mlada fronta Dnes widmete sich dagegen wieder einmal einer ihrer Lieblingstitelfiguren, nämlich dem früheren sozialdemokratischen Premier Stanislav Gross. Die Zeitung, die vor drei Jahren maßgeblich am Rücktritt von Gross beteiligt war, ging diesmal der Frage nach, wie Gross zu seinem märchenhaften Vermögen gekommen ist.
Etwas überraschend war die Themenwahl bei der Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny, die sich unter anderem dem Fauxpas beim Fußballländerspiel Tschechien-Litauen widmete, als die tschechischen Gastgeber vor dem Beginn der Begegnung aus Versehen nicht die litauische, sondern die lettische Hymne spielen ließen. Und dass Frankreich im Sommer dieses Jahres seinen Arbeitsmarkt für die Tschechen und andere neue Mitgliedsländer der EU öffnen will, war der Hospodarske noviny ebenfalls einen Artikel auf ihrer Titelseite wert.
Den zweiten Teil des Medienspiegels widmen wir den jüngsten Entwicklungen in der tschechischen Internetszene, die sich gerade in einer wichtigen Umbruchsphase befindet. So hält sich zum Beispiel seit Wochen das Gerücht, dass die Nummer Eins auf dem Markt, der Internetserver Seznam.cz an einen ausländischen Interessenten verkauft werden soll. Als sich dann in der vergangenen Woche der Chef von Microsoft Steve Ballmer während seiner kurzen Prag-Visite mit dem Direktor und Gründer von Seznam.cz Ivo Lukačovič traf, bekamen diese Spekulationen neuen Auftrieb.
Kurz danach verkündeten zwei weitere große Internetdienste, Centrum.cz (die Nummer Zwei in Tschechien) und Atlas.cz (die Nummer Drei) ihren Zusammenschluss und dass sie künftig an einem Strang ziehen wollen. Welche Folgen wird dieser Entschluss für die tschechische Internetlandschaft haben? Darüber sprachen wir im Folgenden mit dem Medienwissenschaftler Jakub Macek von der Masaryk-Universität in Brünn, der sich auf die Entwicklungen im Bereich der neuen Medien spezialisiert:
„Diese Fusion, die jetzt vollzogen wurde, ist eigentlich relativ nachvollziehbar, weil sie einem Trend entspricht, der für die gesamte Internetszene typisch ist. Einzelne Spieler schließen sich schrittweise zusammen und der Markt erhärtet sich. Vom globalen Standpunkt aus betrachtet, gibt es neben den großen Spielern wie Google oder Microsoft noch kleine lokale Anbieter, die ganz einfach überleben und im Spiel bleiben wollen. Sie können ihre Dienstleistungen entweder den größten Bietern auf dem Markt verkaufen oder sie schließen sich zusammen. Atlas.cz und Centrum.cz sind den zweiten Weg gegangen und wollen die größtmögliche Einheit auf dem Markt schaffen, was durchaus verständlich ist.“, meint Internetspezialist Macek.
Wer ist jetzt eigentlich der größte Konkurrent des neu entstanden Anbieters? Ist es die Nummer Eins dem tschechischen Markt, Seznam.cz, oder sind es die großen globalen Spieler wie Google oder Microsoft?
„Ich glaube, dass sowohl die globalen Anbieter wie auch der größte tschechische Internetdienst Seznam.cz die größten Konkurrenten sind, bzw. es sind all jene, die um die Gunst der Internetnutzer im Land kämpfen. Gegenwärtig lässt sich sagen, dass Google in Tschechien keine so starke Position hat wie anderswo, was aber nicht bedeutet, dass es immer so bleiben muss. Ich denke, dass es bloß eine Frage der Zeit ist, bis sich Google auch auf dem tschechischen Markt voll etablieren, durchsetzen und zum Trendsetter in der heimischen Internetbranche werden wird.“, vermutet Jakub Macek.
Vor einiger Zeit haben aber Atlas.cz und Seznam.cz angekündigt bei ihrem Suchdienst zusammenarbeiten zu wollen. Bedeutet deshalb die jüngst verkündete Fusion zwischen Atlas.cz und Centrum.cz ein Abweichen von dieser Kooperation oder ist das der erste Vorbote dessen, dass sich in Tschechien irgendwann alle drei großen Anbieter zusammenschließen könnten? Jakub Macek denkt darüber so:
„Ob sich diese drei Dienste jemals zusammenschließen könnten, lässt sich nicht voraussagen, denn das hängt stark mit den Strategien dieser Unternehmen zusammen. Ich denke aber, dass man das vielleicht schon so werten kann, dass die Eigentümer der drei großen Dienste relativ realistisch denken und ihre Chancen einschätzen. Dass sie bereit sind, als Suchmaschinen zusammenzuarbeiten und die Ergebnisse gegenseitig zur Verfügung zu stellen, zeugt davon, dass sie wissen, wie stark Google ist und dass der einzige Weg, wie man dem trotzen kann, eine enge Kooperation ist. Sie legen lieber ihre Kräfte in einem bestimmten Bereich zusammen, und teilen sich untereinander den lokalen Markt auf, als dass sie riskieren, gänzlich von Google verdrängt zu werden.“
In den letzten Wochen haben einige große tschechische Medien massiv in das eigene Internetangebot investiert. Dabei entstanden neue oder teils grundlegend veränderte multimediale Portale – wie zum Beispiel beim Fernsehsender TV Nova oder beim größten Boulevardblatt des Landes, der Zeitung Blesk. Dabei scheint es sich um einen Trend zu handeln. Das heißt, dass sich der Wettbewerb künftig zwischen den jeweiligen Medienunternehmen vornehmlich im Internet abspielen wird. Bedeutet das, dass über Erfolg oder Misserfolg beim Publikum letztlich entscheiden wird, welcher Anbieter die lustigsten Videos präsentiert? Dazu meint Medienwissenschaftler Macek:
„Ich denke, dass das schon zutrifft. Zum Beispiel das Duell der Fernsehstationen untereinander stößt an seine Grenzen und zwar trotz der oft heraufbeschworenen Digitalisierung, welche den Stationen neue Möglichkeiten eröffnen soll. Der Umstand, dass Blesk und TV Nova jetzt so stark auf das Internet setzen, zeigt, dass die Manager dieser Unternehmen das Gefühl haben, dass sie etwas verpasst hätten. In Zukunft wird aber nicht das Angebot von lustigen Videos entscheidend sein, sondern die Fähigkeit der einzelnen Medien, längerfristige Bindungen der Nutzer zum jeweiligen Medium herzustellen. Dass heißt stabile Communities, die untereinander und auch mit allen Dienstleistungen gleichzeitig vernetzt werden können, zu schaffen. Diese Projekte können aber nur gelingen, wenn die klassischen Medienunternehmen wie etwa Blesk oder Nova ihre Kräfte mit den bestehenden tschechischen Internetdiensten verbinden und auf deren Angebote eingehen. Andernfalls werden sie einer weitaus größeren Konkurrenz und einer größeren Palette von Versuchungen ausgesetzt sein, der sie meines Erachtens nicht standhalten können.“