Visionen für die Entwicklung der Tschechischen Republik bis zum Jahr 2015

Vor zweieinhalb Monaten hatte ein Autorenteam der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Prager Karlsuniversität der Öffentlichkeit eine Studie mit dem Titel "Visionen für die Entwicklung der Tschechischen Republik bis zum Jahr 2015" vorgelegt. Ziel dieser Initiative sollte es sein, verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen und dadurch eine gesellschaftliche Debatte über die Zukunft des Landes auszulösen. Über die bisherigen Reaktionen auf die Studie informiert Sie Silja Schultheis.

Das Zentrum für soziale und ökonomische Strategien der Karlsuniversität, das die erwähnte Studie erstellt hatte, veranstaltete am Dienstag gemeinsam mit dem Umweltministerium ein Seminar über das Thema des Buches: die Entwicklung der Tschechischen Republik bis zum Jahr 2015. Zur Diskussion gestellt wurden dabei die von den Autoren entworfenen drei Szenarien, die jeweils eine unterschiedliche Entwicklung der Tschechischen Republik prognostizieren: sei es in Richtung einer schonungslosen Durchsetzung und Dominanz der Marktwirtschaft, einer gleichmäßigen Entwicklung der drei Sektoren Markt, Staat und Bürgergesellschaft oder einem politischen Chaos. Beteiligt waren an dem gestrigen Seminar neben dem Autorenteam Mitarbeiter des Umweltministeriums sowie Vertreter nichtstaatlicher Umwelt-Organisationen.

Den Leiter des Autorenteams, Prof. Martin Potucek vom Zentrum für soziale und ökonomische Strategien, fragte ich danach, was für ihn das wichtigste Ergebnis der gestrigen Diskussion war:

"Für uns hat sich bestätigt, dass unser Weg, sich Kriterien für die Entwicklung unseres Landes zu überlegen, im Prinzip in Einklang mit dem Denken derjenigen steht, die sich in diesem Land um die Umweltproblematik kümmern. Wir haben als Hauptkriterium die Lebensqualität und ihre Nachhaltigkeit definiert, und es ist gestern keine Stimme lautgeworden, die dies grundsätzlich in Frage gestellt hätte. Außerdem hatten wir die Möglichkeit, uns mit verschiedenen Konzeptionen bekannt zu machen, die in diesem Ressort aber auch von nichtstaatlichen Organisationen zur Umweltproblematik entwickelt wurden und werden. Das ist für uns eine Inspiration."

Weniger harmonische Töne schlug die kritische Wochenzeitschrift "Respekt" in ihrer letzten Ausgabe an. Außer in den Kapiteln über die ökonomische Entwicklung und das Bildungswesen würden in den "Visionen" lediglich abgedroschene und inhaltsleere Phrasen wiederholt, hieß es hier. Den wichtigsten Themen werde konsequent ausgewichen und den "Visionen" Potuceks sei kaum mehr als die ökonomische Wahrheit zu entnehmen, dass irgendetwas in Kürze passieren werde. Insgesamt schade um die vergebene Chance. Eine Prognose könne nur dann sympathisch sein, wenn sie die Augen für die Zukunft öffne. Die "Visionen" hingegen seien eine Rückkehr in die Vergangenheit.

Auf den Vorwurf der Zeitschrift "Respekt", die Autorenteam sei in seinen "Visionen" zu sehr der Regierung, von der sie finanzielle Unterstützung für die Studie erhalten haben, hörig, entgegnete mir der Leiter des Autorenteams, Martin Potucek:

"Meiner Ansicht nach ist das ein gründliches Missverstehen des Begriffes der Korruption. Es ist in der entwickelten Welt einfach üblich, dass sich eine Regierung, die ihre Entscheidungen auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützen will, Expertenstudien in Auftrag gibt und verschiedene Untersuchungen - sowohl bei Institutionen als auch bei einzelnen Wissenschaftlern. Ich denke, dass ist vollkommen in Ordnung und niemand kann der Regierung das vorwerfen - eher umgekehrt."