Vom Grenzwächter zum Ausflugsziel
Die Grenzregionen Tschechiens sind voll von Betonpilzen – es sind Relikte des Tschechoslowakischen Walls, der das Land einst vor Nazi-Deutschland schützen sollte. Viele der Bunker verfallen langsam, manche sind heute gut besuchte Museen. So auch die Schützenfestung Skutina im Adlergebirge.
„Die Touristen kommen schon ab Mai, die Saison hat bereits angefangen. Und jetzt in den Ferien haben wir auch jeden Tag geöffnet.“
Für Josef Balcar ist die Schützenfestung Skutina ein Hobby, seit zwanzig Jahren schon verbringt er dort einen Großteil seiner Freizeit. Mittlerweile ist in dem Bunkerbau ein kleines Museum entstanden:
„Das Ganze hat damit angefangen, dass ich von einer Dame aus Nové Město nad Metují die Grundstücke um den Bunker herum bekommen habe. Ich habe ihr damals gesagt, dass ich mich für die Anlage interessiere und ein Museum daraus machen will. Sie hat sich erst etwas gewundert, dann aber eingewilligt, dass sie mir die Grundstücke überlässt. Die Bedingung war nur, dass ich ihr mit einer Erbschaft helfe und das Museum tatsächlich einrichte.“Nie fertiggebaut und dennoch genutzt
Doch zunächst einmal zurück in die 1930er Jahre. Dort wo man heute zur Kur ins benachbarte Polen fährt, war damals noch das nationalsozialistische Deutsche Reich. Dieses wurde am Vorabend des Zweiten Weltkriegs immer bedrohlicher und streckte immer deutlicher seine Hände nach den tschechoslowakischen Grenzgebieten aus. Die damalige Regierung in Prag wollte sich wehren, so entstand der Tschechoslowakische Wall. Dieser war ein weitverzweigtes System von Bunkern und Schutzvorrichtungen im Erz- und Adlergebirge sowie im Böhmerwald und an der Grenze zu Ungarn, vergleichbar mit dem Reduit in der Schweiz. Auch die Festung Skutina sollte ein Teil der Abwehranlagen werden. Josef Balcar erklärt die Hintergründe:
„Die Ausschreibung für den Bau der Schützenfestung Skutina gewann im November 1937 ein gewisser Ingenieur Karel Skorkovský. Er sicherte vertraglich zu, dass er die ganze Anlage innerhalb von 24 Monaten fertig haben wird. Der Bau selbst begann schon im Dezember 1937. Von den geplanten sechs Objekten wurden aber nur zwei wirklich gebaut, und man konnte nur rund 70 Prozent der unterirdischen Gänge aus dem Stein hauen. Der Rest ließ sich nicht mehr rechtzeitig betonieren, und die Gänge im Untergrund führen an vier Stellen ins Nichts.“Ende September 1938 musste die Tschechoslowakei mit dem Münchner Abkommen seine deutsch-besiedelten Grenzgebiete an Nazi-Deutschland abtreten. Auch die Gegend um den Bunker Skutina wurde in das Deutsche Reich eingegliedert. Davor wurde die Anlage aber durchaus verwendet, wie Josef Balcar weiß:
„Ursprünglich sollten etwas über 400 Mann hier stationiert werden. Das Ganze sollte recht flexibel sein, denn einige Soldaten sollten draußen als Beobachter dienen und sich im Ernstfall in den Bunker zurückziehen. Im Jahr 1938 waren dann die zwei fertigen Bauten tatsächlich besetzt. Der Bunker, der nun das Museum ist, stand unter dem Kommando eines Slowaken, und zwar Ján Kuklíš. In dem anderen hatte dann ein Tscheche das Sagen, er hieß Josef Trunes.“Ersatzteillager und Opfer des Wassers
Konkret war Skutina von Juli bis Oktober 1938 im Dienst der tschechoslowakischen Armee, danach musste die Anlage geräumt werden. Von da an nutzte die Wehrmacht die Gegend als Übungsgelände für ihre schwere Waffentechnik. Dabei hatte die die Festung selbst eher Glück hatte, im Gegensatz zu anderen Bunkerbauten des Tschechoslowakischen Walls:
„Eigentlich blieb der Bunker von deutschem Übungsbeschuss verschont, da er zwischen den oberirdischen Gebäuden versteckt war. Die Deutschen hatten Pech, denn sie konnten ihn nicht direkt beschießen. Sie haben dann am Ende alle Stahlteile abmontiert, da diese von der Besatzungsverwaltung anderweitig verwendet werden sollten. Der Bunker, der ja insgesamt noch nicht fertig war, lief dann voll Wasser. Das lag vor allem daran, dass die Deutschen auch alle Leitungen ausgegraben und mitgenommen hatten. So verstopften irgendwann die Abflüsse. Deswegen war der Bunker dann voll bis oben hin mit Wasser.“Mit Herzblut und Reisefreude
Der Zweite Weltkrieg endete irgendwann, im Kalten Krieg fand man aber keine Verwendung für die Schützenfestung. Auf der anderen Seite waren ja nun keine Deutschen mehr, sondern nunmehr die polnischen sozialistischen Brüder. Als sich die Lage an den Grenzen nach der Wende von 1989 entspannt hatte, entdeckten Josef Balcar und seine Freunde den Bau für sich. Sie fanden den Bunker im Zustand von 1938 vor, pumpten das Wasser aus den Gängen der Anlage und brachten alles auf Vordermann. Entstanden ist ein Museum:
„Wenn man ins Museum kommt und eine Führung macht, dann sieht man vor allem den Blockbau für die Infanterie. Der hat so einen komischen Eingang, man muss durch ein Loch einsteigen, das gerade einmal einen Quadratmeter misst. Wenn man sich durchgezwängt hat, kommt man in den Raum, in dem die Führung startet. Dort sind vor allem Pläne der Schützenfestung ausgestellt. Da sieht man, wie die Anlage ausgesehen hätte, wäre sie damals fertiggebaut worden. Der Rundgang geht dann weiter in die Waschräume, die sehr spartanisch eingerichtet waren für die damalige Zeit. Da war eine Latrine, die die Besatzung immer eigenhändig leeren musste. Der Auffangbehälter hatte eine Kapazität von gerade einmal 40 Litern. Warmwasser gab es überhaupt nicht. Im untersten Stockwerk war die Radiostation, in der immer ein Mann ununterbrochen anwesend sein musste, um den Empfang abzuhören. Das war wichtig für die Festung. Gleich nebenan waren aber auch die Schlafräume der Männer.“ Die Exponate – von der Gürtelschnalle, über die Stiefel bis hin zum Maschinengewehr – sind allesamt aus tschechoslowakischer Produktion. Um aber tatsächlich Originale zu finden, musste Josef Balcar viel Geduld mitbringen und unzählige Reisekilometer auf sich nehmen:„Die Exponate haben wir nicht nur in Tschechien, sondern in ganz Europa zusammensammeln müssen. Wir mussten dabei vor allem in den Westen. Uns war nämlich eines klar: Überall, wo die Deutschen hinkamen, haben sie etwas aus den tschechischen und slowakischen Grenzbefestigungen hinterlassen. Vor allem beim Bau des Atlantikwalls verwendeten sie viel vom tschechischen Material, besonders als ihnen das Wasser schon bis zum Hals stand. Die Besatzungsverwaltung hatte angeordnet, alle brauchbaren Metallgegenstände in den eigenen Anlagen zu verwenden.“
Große Pläne für die Zukunft
Doch Josef Balcar und seine Bunkerfreunde wollen noch weiter gehen mit ihrem Museum. Denn die Schützenfestung soll nach gut 80 Jahren endlich fertiggebaut werden, zumindest in Teilen. Die Weltkriegsbegeisterten klappern deshalb derzeit die Ämter ab:
Das Museum in der Schützenfestung ist von Mai bis Oktober geöffnet, und zwar immer am Samstag und Sonntag von 10 bis 16 Uhr. In den Sommerferien, also im Juli und August, kann man die Anlage sogar täglich besichtigen.
„Momentan warten wir auf eine Baugenehmigung. Wir wollen das möglichst schnell fertig haben für das Berg- und das Bauamt, damit wir mit den Arbeiten in den unterirdischen Gängen beginnen können. Man muss diese Gänge heraussprengen, so hat man das ja schon 1938 gemacht.“
Die Baumaßnahmen könnten aber schwieriger werden als gedacht, gibt Josef Balcar zu:
„Es ist damals nicht gelungen, die einzelnen Bunker unterirdisch miteinander zu verbinden. Wir haben aber Probleme mit den Plänen, die Position der Gänge vom Museumsbunker zum anderen Objekt ist nicht genau abgemessen. Der zweite Bunker ist aber sowieso noch überschwemmt. Insgesamt dürften zwischen 20 und 27 Meter Gang fehlen.“