Von den Rosenbergern bis zu den Buquoys: Burg Nové Hrady in Südböhmen

Nové Hrady (Foto: Martina Schneibergová)

Das Städtchen Nové Hrady / Gratzen liegt in Südböhmen nahe der Grenze zu Österreich. Gegründet wurde es an der Mündung des Novohradský potok / Gratzener Baches in den Fluss Stropnice / Strobnitz. In der malerischen Stadt gibt mehrere historische Sehenswürdigkeiten: darunter eine Burg, ein Schloss und ein Kloster.

Burg Nové Hrady  (Foto: Martina Schneibergová)
Die Stadt Nové Hrady ist mit Bus aus České Budějovice / Budweis am besten zu erreichen. Vom Busbahnhof geht es am Klosterareal vorbei auf den Marktplatz, von dort sind es nur noch ein paar Schritte zur gotischen Burg Nové Hrady. Über eine Brücke führt der Weg durch das Tor auf den Burghof. Dort beginnt die Führung durch die Burganlage. Die erste urkundliche Erwähnung der Burg stammt von 1279, erzählt Andrea Svobodová. Sie führt die Besucher durch die Residenz.

„Ojíř von Landstein gründete die Burg auf einem Handelsweg, der von Weitra über Südböhmen weiter nach Norden führte. Die Wachburg hatte von Anfang an zwei Tore. Ursprünglich war es ein einfacher Bau, in der Mitte stand damals ein zylindrischer Turm, nebenan befand sich ein kleiner Wohnpalast. Rundherum gab es nur Schanzen. 1358 kauften die Rosenberger die Burganlage. Einige der Rosenberger wohnten hier. Aus dem Grund bauten sie die Residenz weiter aus. Während der Hussitenkriege wurde die Burg 1425 erobert und ausgeplündert. Die Rosenberger ließen sie danach im Renaissancestil umbauen. 1573 wurde bei einem starken Gewitter der Turm, der im Burghof stand, vom Blitz getroffen. Im Turm wurde damals Schießpulver gelagert. Es kam zu einer Explosion, bei der auch weitere Gebäude beschädigt wurden. Dann musste die Burg wieder aufgebaut werden.“

Karl Bonaventura von Buquoy  (Foto: Martina Schneibergová)
Nach dem Tod des letzten Rosenbergers, Petr Wok, gelangte Nové Hrady 1611 in den Besitz der Adelsfamilie Schwanberg. Peter von Schwanberg beteiligte sich am Ständeaufstand 1618. Die Burg wurde damals zweimal von den kaiserlichen Truppen belagert: zuerst unter der Führung von General Dampierre, der sie nicht einnehmen konnte. Gelungen ist es schließlich im Juni 1619 General Karl Bonaventura von Buquoy. Er erhielt für seine Verdienste von Kaiser Ferdinand II die Herrschaft über Nové Hrady. Der Adelsfamilie Buquoy gehörte Nové Hrady bis 1945. Der Feldherr Karl Bonaventura Buquoy starb schon 1621 bei der Belagerung von Neuhäusl (heute Nové Zámky in der Slowakei). In Nové Hrady ließ sich seine Frau Maria Magdalena di Biglia nieder.

„Sie war als italienische Adelige jedoch einen anderen Wohnkomfort gewohnt. Die alte, halb verfallene Burg gefiel ihr nicht. Sie ließ eine Residenz für sich auf dem Marktplatz erbauen. Diese wurde später zu einem Hotel umgewandelt. Anfang des 19. Jahrhunderts ließen die Buquoys ein Schloss im Empirestil am Stadtrand bauen und haben dort gewohnt. Die alte Burg spielte seitdem nur eine zweitrangige Rolle. Es wurden dort Speicher und Lagerräume errichtet. In den Räumlichkeiten wohnte das Personal. Während der Führung wird die Wohnung des Gutsverwalters gezeigt.“

Schloss im Empirestil am Stadtrand  (Foto: Martina Schneibergová)
Der Gutsverwalter war ein hoher Posten, darum hatte er die größte Wohnung zur Verfügung. Zudem erhielt er vom Gutsbesitzer gratis Holz für die Heizung, Stoff für Kleidung und durfte eine bestimmte Menge Bier von der ortsansässigen Brauerei bekommen. Andrea Svobodová zufolge ging es ihm ganz gut. Es wurde jedoch erwartet, dass die Familie des Verwalters ihn entsprechend in der Gesellschaft repräsentiert. Viel Geld, das er verdiente, musste er also für Repräsentationszwecke ausgeben.

Jagdmotive im Arbeitszimmer

Arbeitszimmer  (Foto: Martina Schneibergová)
Die Führung durch die Wohnung des Gutsverwalters beginnt im Arbeitszimmer. Das Zimmer hatte einen eigenen Eingang und war von den anderen Räumlichkeiten der Wohnung getrennt. Der Verwalter sollte vom Haushaltsablauf nicht gestört werden, sagt Andrea Svobodová.

„Das Zimmer ist nicht sehr groß, aber es hat dem Beamten gereicht. Die Familie des Verwalters versuchte, mit ihren Hobbys und Gewohnheiten mit der Adelsfamilie Schritt zu halten. Beliebt war die Jagd. Einige Jagdutensilien und Trophäen sind in diesem Zimmer zu besichtigen. An den Wänden hängen Werke des namhaften deutschen Tiermalers und Kupferstechers Johann Elias Ridinger, die Natur und Tiere darstellen. Er spezialisierte sich auf diese Motive. Fast in jeder Burg oder in jedem Schloss in Böhmen, wo Jagdtrophäen zu sehen sind, hängt auch mindestens ein Bild von Ridinger. Der Verwalter musste sich auch ständig weiter bilden. Darum liegen hier auf dem Arbeitstisch einige Fachzeitschriften über Landwirtschaft und Natur sowie einige Touristenführer.“

Speisesaal  (Foto: Martina Schneibergová)
Auf einem der großen Gemälde ist das neue Schloss zu sehen, das heute der Akademie der Wissenschaften gehört. Auf einem anderen Bild ist der Bahnhof von Nové Hrady zu sehen, der rund fünf Kilometer von der Stadt entfernt liegt. Gegenüber dem Bahnhofsgebäude steht die landwirtschaftliche Schule, die Jan Nepomuk Buquoy gegründet hat.

Der größte Raum der Wohnung ist der Speisesaal. Es war auch das einzige Zimmer, das regelmäßig beheizt wurde. Beim Mittagessen traf dort die ganze Familie zusammen. Der Speisesaal war mit der Küche verbunden. Sie diente zudem als Zimmer für das Dienstmädchen. Vom Speisesaal geht es in den Salon. Dies war der vornehmste Raum, der nur selten genutzt wurde.

Der Salon war nur für Gäste

Salon  (Foto: Martina Schneibergová)
„Im Salon gab es die besten Möbelstücke, das beste Porzellanservice und die wertvollsten Gemälde. Die Familie wollte damit vor den Gästen prahlen. Im Alltag betraten sie ihn nicht. Der Salon wurde nur geöffnet, wenn Besuch kam. Da er nur selten genutzt wurde, war es der kälteste Raum in der Wohnung überhaupt. Manchmal diente er sogar als Kühlschrank. In einem Salon durfte ein Musikinstrument nicht fehlen. Hier war es ein Klavier, auf dem meistens die älteste Tochter den Gästen etwas vorspielte. Später, im 20. Jahrhundert, gab es hier schon einen Plattenspieler und ein Radio.“

Kapelle  (Foto: Martina Schneibergová)
Das nebenan liegende Schlafzimmer diente der Familie auch als Badezimmer. Gebadet haben die Familienmitglieder in der Regel nur einmal in der Woche. Aus der Wohnung des Gutsverwalters kommt man über eine Pawlatsche zur Kapelle. Es sei nur ein Provisorium, erklärt Andrea Svobodová:

„Jede Burg hatte eine Kapelle. Aber wir haben hier bislang keine gefunden. Darum haben wir sie in diesem Raum eingerichtet, wo der älteste Putz erhalten geblieben ist. Die Nepomuk-Statue erinnert daran, dass ihn die Familie Buquoy zu ihrem Schutzpatron machte.“



Georg Franz Buquoy – Erfinder des Hyalit

Hyalit  (Foto: Martina Schneibergová)
In der oberen Etage des Turms wird die Buquoy-Bibliothek aufbewahrt. Sie umfasst über 17.000 Bände. In einer Vitrine in der Mitte des Saals sind Bücher ausgestellt, die Mitglieder der Familie Buquoy selbst verfassten.

„Die meisten Buquoys im 19. und 20. Jahrhundert waren Absolventen von Universitäten. Sie schrieben Fachbücher im Bereich Technik oder Mathematik, aber auch Gedichte. In der Bibliothek ist zudem Glas aus den hiesigen Glashütten zu sehen, die der Familie Buquoy gehörten. Die bekannteste davon befand sich in Jiříkovo údolí. Georg Franz Buquoy erfand dort das schwarze undurchsichtige Glas - den schwarzen Hyalit. Er ließ sich die Hyalit-Herstellung patentieren und beim Österreichischen Patentamt in Wien eintragen.“

Familienarchiv fiel der Roten Armee zum Opfer

Gedenksaal  (Foto: Martina Schneibergová)
In der ersten Etage des Turms wurde früher das Familienarchiv der Buquoys aufbewahrt. Der Raum wurde als Gedenksaal für Karl Bonaventura Buquoy gestaltet. Zu sehen sind dort Porträts von Karl, seiner Frau Maria Magdalena und deren Sohn Karl Albert. Die Expertin:

„Im Laufe der Zeit wurden hier auch Gegenstände zusammengetragen, die an weitere Familienmitglieder erinnern. Hinzu kamen verschiedene Dokumente. Daraus entstand das Familienarchiv, das jedoch nicht erhalten geblieben ist. Es fiel der Roten Armee zum Opfer, die 1945 in die Burg einzog. Wenigstens ein paar Exponate vermitteln eine Vorstellung davon, wie es in diesem Saal einst ausgesehen hat.“

Nové Hrady ist von mehreren Legenden umwoben. Andrea Svobodová:



Bibliothek  (Foto: Martina Schneibergová)
„Eine der Legenden handelt von einem tapferen Schmied. Unten vor dem Tor erschien in der Nacht einst eine Gruppe von Gespenstern, die wie Mönche aussahen. Jeder, der sie zu Gesicht bekam, starb binnen weniger Tage an einer Krankheit. Keiner hat die Begegnung mit den Mönchen überlebt. Einmal kam ein junger Schmied in die Burg, er suchte Arbeit. Der Burgherr sagte ihm, wenn er vor dem Tor übernachten und die Begegnung mit den Mönchen überleben würde, nähme er ihn in den Dienst. Der Schmied ging also in den Turm, um dort zu übernachten. In der Nacht kamen die Mönche und stellten ihm die Frage, welches Tier vom Teufel und nicht von Gott geschaffen wurde. Der Schmied antwortete, es sei das Pferd. Denn wenn es sich hinlegt, müsse es nicht in die Knie gehen und zudem habe es Hufe. In dem Moment verschwanden die Mönche, der Schmied überlebte und wurde in den Dienst aufgenommen. Auf der Burg ging es ihm gut.“

Schlafzimmer  (Foto: Martina Schneibergová)
Die Burg Nové Hrady ist von April bis Oktober täglich außer Montag von 9.30 bis 15.30 Uhr oder bis 16 Uhr geöffnet. Im Sommer schließt die Burg eine Stunde später. Bei den Führungen werden mehr Räume als im Winter gezeigt. Vom November bis März gibt es Führungen durch die Burg in der Regel jeden Mittwoch und Freitag um 14 Uhr. Mehr erfahren Sie unter www.hrad-novehrady.eu.

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