Von Jana, Hana und Fünfjahresplan - Namen in Tschechien

Mit dem Namen ist etwas Eigenes: Von den Eltern nach der Geburt frei gewählt, bleibt er in der Regel unser ganzes Leben mit uns verbunden, wächst uns an und wird zu einem festen Teil unserer Identität. Kein Wunder, dass die Eltern sich bemühen, einen besonders schönen, modernen oder bedeutungsvollen Namen für ihr Kind auszuwählen. Über Vornamen in Tschechien im Spannungsfeld von Mode, Tradition und Weltanschauung erfahren Sie mehr von Thomas Kirschner im nun folgenden Forum Gesellschaft.

Die tschechische Namenswelt wirkt auf den ersten Blick zeitlos und eng umgrenzt. Zwar gibt es neben den biblisch-christlichen Namen noch eine reiche Auswahl altslawischer Namen von Libuse bis Zbynek, aber die Tschechen heißen in ihrer Mehrheit eben doch Jiri, Josef und Jan bzw. Marie, Jana, Anna, Hana oder Eva. Allein mit dieser kleinen Liste kann man schon ein Fünftel der Tschechen beim Namen rufen - quer durch alle Generationen. Ausländische Namen sind demgegenüber in Tschechien eine Seltenheit. Das bestätigt auch Zdenka Höllova vom Standesamt Prag 4.

"Unter den Jungen haben wir zwar Namen wie Andreas, Nikolas, Kevin, Dan und bei den Mädchen zum Beispiel Noemi, Angelika, Sarah - aber das sind wirklich nur Einzelfälle, die im ganzen Jahr vielleicht zwei-, dreimal vorkommen."

Jan Nepomuk
Die, wie es scheint, unverbrüchliche Liebe der Tschechen gehört demgegenüber dem Namen Jan (Johannes), nach dem Landesheiligen Jan Nepomuk - im mündlichen Umgang allerdings meist in der Verkleinerungsform "Honza" verwendet, also Hans. Und was in Deutschland der deutsche Michel und Otto Normalverbraucher sind, das ist hierzulande in Personalunion Honza Novak - der ganz gewöhnliche Tscheche an sich.

Auch wenn sich die Favoriten der tschechischen Namenslisten - Jan und Tereza - im letzten Jahr nicht geändert haben, lassen sich gewisse Modeströmungen feststellen, so etwa der Aufstieg von Adam und Aneta in die Top Ten. Beide Namen zeugen vom Einfluss der Showbranche auf die Namensgebung - Adam heißt hierzulande der Held einer populären Vorabendserie, für Aneta stand offensichtlich Aneta Langerova Pate, die Gewinnerin des Talentwettbewerbs "Tschechien sucht den Superstar". Vor wenigen Jahrzehnten hatte die Namensgebung in Tschechien noch ganz andere Grundlagen, so der Historiker und Namenforscher Vaclav Rames:

"In Tschechien genau wie in anderen Ländern mit christlichen Wurzeln hat man früher die Namen nach den Heiligen und dem kirchlichen Kalender gegeben. Die Eltern wollten damit ihrem Kind einen Schutzpatron geben, der für es Fürsprache einlegt und es sein Leben lang beschützt, und darum wurde der Namen mit großem Bedacht gewählt."

Statt der Religion wurde im 20. Jahrhundert der Staat und die Politik zur bestimmenden Macht im Leben der Menschen. Vor allem in totalitären Regimen wie in der kommunistischen Tschechoslowakei bekamen Namen damit auch eine politische Komponente. Manchmal wurden sie sogar als direktes Bekenntnis genutzt, berichtet Vaclav Rames.

"Das ging so weit, dass die strenggläubigen Kommunisten nicht davor zurückgeschreckt sind, ihre Tochter etwa "Petiletka" zu nennen, also "Fünfjahresplan", um den kommunistischen Aufbau zu feiern. Außerdem gab es den Namen Ruska, der vorher nicht sehr häufig vorgekommen ist. Das kam eben von dem Willen, seine Haltung zum Kommunismus und zur Sowjetunion zu zeigen."

Doch die Benennung eines Kindes konnte auch ein verborgenes, aber deutlich verständliches Zeichen des Widerstands sein.

"Nach 1948 ist der Name Hana auf einen guten Platz gekommen - das war der Name der Frau von Präsident Benes. Wer seine Ablehnung gegen das kommunistische Regime ausdrücken wollte, konnte das auch auf diese Weise machen."

Auch die klassischen tschechischen Namen Jan und Vaclav erinnern nicht nur an Johannes von Nepomuk und den Heiligen Wenzel, meint der Namensforscher Vaclav Rames. Unabhängig von ihrer sonstigen Beliebtheit lassen sich für diese Namen in Tschechien Modewellen erkennen, die gerade mit ihrer politischen Nebenbedeutung in Verbindung stehen.

"Sicher gab es eine solche Welle bei dem Namen Jan. Der wurde nach 1968 als Erinnerung an Jan Palach verstanden, der sich aus Protest gegen die Okkupation der Tschechoslowakei verbrannt hat. Der Name Jan konnte also auch als Zeichen des Widerstands verstanden werden, auch wenn er in Tschechien natürlich durch das ganze Jahrhundert hindurch beliebt war. Oder wenn wir zum Beispiel die Situation unmittelbar nach 1989 betrachten, als Vaclav Havel Präsident wurde, dann ist da für den Namen Vaclav ein deutlicher Anstieg festzustellen. Heute ist der Name Vaclav wieder in den Durchschnitt abgesunken und ragt in keiner Weise mehr hervor."

Die Revolution von 1989 brachte in Tschechien auch eine Liberalisierung des Namensrechtes. Zuvor durften Eltern ihrem Kind nur einen einzigen Vornamen geben, der aus dem offiziellen staatlichen Namenskalender stammen musste. Welche grundlegenden Beschränkungen heute noch gelten, erläutert nochmals Zdenka Höllova vom Standesamt Prag 4:

"Also, in die Matrikel lassen sich keine entstellten Namen einschreiben, keine Verkleinerungsformen und keine Kosenamen, für Jungen dürfen keine Mädchennamen eingetragen werden und umgekehrt. Und wenn es Zweifel gibt, ob der Namen in der richtigen Schreibform steht, dann müssen die Eltern ein Expertengutachten vorlegen."

Auch mehrere Vornamen sind nun erlaubt. In Zukunft wird es also in Tschechien wieder Jan Jakubs und Marie Katerinas geben. Jedenfalls im Standesregister, denn die Tschechen lieben die Verkleinerungsform, und im privaten Umgang grenzt es fast an eine Grobheit, den offiziellen Namen zu benutzen. Aus Jan wird so Honza, aus Jakub Kuba, und eine Marie fühlt sich erst richtig daheim, wenn man sie Manicka nennt.

In puncto Namen sind die Tschechen konservativ und traditionsbewusst. Und so wird auch in absehbarer Zeit alles beim guten Alten bleiben. Über Namen wie Dior, Chanel und Ikea, die in Amerika und Frankreich bereits vergeben wurden, kann die Standesbeamtin Zdenka Höllova jedenfalls nur den Kopf schütteln. Würde sie solche Namen in die Matrikel eintragen?

"Wenn die Eltern ein Experten-Gutachten vorlegen können, was ich in diesem Fall aber sehr bezweifeln würde, dann würden wir den Namen auch eintragen. Aber das ist bei uns noch nie vorgekommen, dass Eltern ihr Kind nach einem Möbelhaus benennen wollen, also wirklich nicht!"

Und so werden tschechische Eltern ihre Kinder auch weiterhin Tereza, Eliska, und Karolina nennen, oder Ondrej, Lukas und Matej. Nur Krystof wird es in Zukunft schwer haben. Denn so heißen seit einiger Zeit die landesweiten Verkehrskontrollen der Polizei.


Die beliebtesten Namen in Tschechien (Januar 2005)

Jungen

1. Jan

2. Jakub

3. Tomas

4. Adam

5. Ondrej

6. Martin

7. Filip

8. Lukas

9. Vojtech

10. Matej

Mädchen

1. Tereza

2. Eliska

3. Adela

4. Natalie

5. Anna

6. Karolina

7. Kristyna

8. Aneta

9. Nikola

10. Katerina

Quelle: Tschechisches Innenministerium

Die häufigsten Namen in Tschechien

Männer

1. Jiri - 328 884

2. Josef - 294 405

3. Jan - 293 121

4. Petr - 267 601

5. Jaroslav - 223 442

6. Pavel - 207 300

7. Miroslav - 176 337

8. Frantisek - 176 215

9. Martin - 164 534

10. Zdenek - 152 742

Frauen

1. Marie - 385 985

2. Jana - 276 123

3. Anna - 164 362

4. Eva - 163 238

5. Hana - 152 215

6. Vera - 140 109

7. Lenka - 116 662

8. Alena - 111 924

9. Jaroslava - 101 920

10. Ludmila - 99 583

Quelle: Tschechisches Statistisches Amt