Vorsicht, Rutschgefahr! Das glatte Parkett der politischen Begriffe

Wir haben in den vergangenen Wochen und Monaten viel über den bevorstehenden EU-Beitritt der Tschechischen Republik berichtet, und uns dabei stets bemüht, auch auf diverse technische Fragen einzugehen, wie zum Beispiel die der Finanzierung. Von einem grundsätzlicheren Aspekt, nämlich der unterschiedlichen Wahrnehmung politischer Begriffe, handelt das nun folgende Feuilleton von Gerald Schubert:

Einer der oft gehörten Sätze, die den europäischen Gedanken kurz und prägnant zum Ausdruck bringen sollen, lautet: Innerhalb der EU gibt es keine Außenpolitik. Die Botschaft ist klar. Die Mitglieder der Union sind gemeinsam in einer so komplexen, vielschichtigen und umfassenden Organisation verankert, dass jede Angelegenheit zwischen zwei oder mehreren EU-Staaten auch eine der EU selbst ist, und damit europäische Innenpolitik. Wenn im Frühjahr 2004 die Union um zehn neue Mitglieder größer, reicher und vielfältiger wird, dann wird auch diese "Innenpolitik" um Begriffe und historische Bezüge erweitert, über die man sich rechtzeitig klar werden sollte, wenn man thematisch am Ball bleiben will.

Die wichtigste Regel: Vergessen Sie die Begriffe "links" und "rechts". Richtig, das ist längst nichts neues, sondern gilt in der globalisierten Welt und der - wenn man so will - "politischen Postmoderne" bereits seit Jahren. Dennoch ist es angebracht, sich die Brüchigkeit dieser ehemals so wichtigen Termini angesichts der Entwicklungen in den sogenannten Transformationsstaaten noch einmal vor Augen zu führen. Dort, wo jahrzehntelang der Staat in nahezu jeden Lebensbereich vordrang, um dort seine politische Ideologie zu entfalten, dort ist der Schutz des Privaten - übrigens nicht nur in der Wirtschaft - nahezu sakrosankt. Umgekehrt aber herrscht bei vielen, die zu den materiellen Verlierern der Umwälzungen der letzten Jahre zählen, ein Hunger nach sozialer Absicherung, die sie in der sich stets vergrößernden "politischen Geschwindigkeit" immer mehr gefährdet sehen. Die Folge beider Entwicklungen: Die Begriffe "links" und "rechts" sind hierzulande für niemanden schmutzige Wörter.

Die ehemalige Chefin der liberalen Freiheitsunion, Hana Marvanova, mag als gutes Beispiel dienen: Noch kurz vor dem Fall des Kommunismus war die engagierte junge Anwältin wegen regimekritischen Verhaltens sechs Monate lang inhaftiert gewesen. Und auch noch heute ist sie vielen Politikern, gerade solchen aus den eigenen Reihen, wegen ihrer Abneigung gegen nur dem Machtpoker dienende Kompromisse ein Dorn im Auge. Gerade Marvanova sagte auf die Frage, warum sie einst als Mitbegründerin der liberalen "Freiheitsunion" auftrat: "Weil es immer mein Traum war, eine rechte Massenpartei zu gründen." Diesen Satz würde man in Deutschland oder Österreich vermutlich gar nicht hören. Oder nur von Leuten, die bewusst provozieren wollen. Kaum aber von engagierten Leuten vom Schlage Marvanovas.

Daher nochmals: Beschäftigen wir uns künftig mit den aktuellen Problemen der Menschen. Auch mit ihren Mentalitäten. Lassen wir uns aber nicht von der internationalen Bedeutungslosigkeit überholter und oft missbrauchter Begriffe verwirren.