Wahlkampf in Tschechien: Meinungsmacher Wahlprognosen?

Wahlkampf in Tschechien - in dieser Zeit stößt man überall auf Umfragen und Wahlprognosen. Über die Probleme und Konsequenzen im Umgang der Medien mit den Umfrageergebnissen sprach Sarah Polewsky mit Jan Herzmann, dem Direktor des Prager Markt- und Meinungsforschungsinstituts "Faktum Invenio":

Wahlkampf in Tschechien - in dieser Zeit stößt man überall auf Umfragen und Wahlprognosen. Über die Probleme und Konsequenzen im Umgang der Medien mit den Umfrageergebnissen sprach Sarah Polewsky mit Jan Herzmann, dem Direktor des Prager Markt- und Meinungsforschungsinstituts "Faktum Invenio":

Wie groß ist der Einfluss medial verbreiteter Umfrageergebnisse auf den Wahlkampf? Laut Jan Herzmann spielen diese zwar für den Entscheidungsprozess der Wählerinnen und Wähler keine entscheidende Rolle, einen gewissen Einfluss haben die Ergebnisse aber doch:

"Vor allem wenn neue Parteien zum ersten Mal über die Fünf-Prozent-Hürde kommen, werden diese mehr beachtet und bekommen dadurch auch größere Unterstützung. Das sieht man dieses Jahr bei den tschechischen Grünen: nachdem deren Ergebnisse zum ersten Mal über fünf Prozent lagen, folgte gleich ein Sprung auf zehn oder zwölf Prozent."

Diese Katalysatorfunktion entsteht laut Jan Herzmann aber nicht durch die Umfragen selbst, sondern durch deren Verwendung in den Medien. Viele Journalisten haben nicht die richtige Ausbildung für die Arbeit mit den Ergebnissen oder sind auf der Suche nach Sensationen - so kommt es häufig zur Überschätzung sehr kleiner Unterschiede, sagt Herzmann.

Der große Einfluss von Umfrageergebnissen auf die Medien kann paradoxe Folgen haben: die Freiheitsunion (US-DEU), deren Umfrageergebnisse unter einem Prozent liegen, ist kaum zu Gast in den regelmäßigen Diskussionsrunden des Tschechischen Fernsehens, obwohl sie derzeit Regierungspartei ist. Stattdessen sind dort neben den anderen Parlamentsparteien meistens die Grünen vertreten. Scheinbar sind für die Frage, welcher Partei im Wahlkampf eine Plattform gegeben wird, die aktuellen Umfrageergebnisse wichtiger als die der letzten Wahlen.

Auch Jan Herzmann sieht dies kritisch: Angesichts von 26 zur Wahl registrierten Parteien muss das Fernsehen zwar zwangsläufig eine Auswahl treffen, aber:

"Dieses Prinzip, dass im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nur nach Prognosen oder Umfragen ausgewählt wird, scheint mir nicht sehr gut. Keiner von uns, die diese Wahlbefragungen machen, kann garantieren, dass wir uns nicht irren. Dadurch könnten eventuell auch die kleineren Parteien benachteiligt werden, so dass sie im Wahlkampf nicht die gleiche Chance haben, wie die plötzlich 'große' Partei der Grünen. Denn die Grünen sind ja nicht groß, sondern nur jetzt populär, und ob sie es bleiben, wird sich erst zeigen."