Wegen Prag werden sogar Romane umgeschrieben
Karlsbrücke, Alchimistengasse, jüdische Synagogen - in Prag kann man sich von der Stadt inspirieren und von den dortigen Musen küssen lassen. Das kann der Münchener Schriftsteller Mick Mayerbeetle nur bestätigen, der sein neues Roman in den engen Gassen der Prager Altstadt spielen lässt. Lehnen Sie sich zurück und schlagen Sie mit Bara Prochazkova das Buch mit dem Arbeitstitel "Der Mensch, das Ende der Nahrungskette" auf:
So kommt Hannes, der Hauptheld des Romans, in die tschechische Hauptstadt, um sein Leben neu anzufangen. Bereits zu Hause, in Deutschland, hat er erkannt, dass der Mensch nicht das Ende der Nahrungskette ist. Er wurde mit der Erkenntnis aus dem bisherigen Leben gerissen und entdeckt die Existenz von Monstern. Daraufhin erschreckt er und sein ganzes Leben bricht zusammen. Er hat Selbstzweifel, bricht aus dem Beruf als Computerspezialist aus und nimmt einen neuen Job als Gebäudereiniger an. Schließlich geht er nach Prag und lernt eine Frau kennen, die seine Liebe des Lebens wird. Zwischen den beiden entsteht eine intensive Liebesgeschichte, so Mayerbeetle:
"Also wenn man über eine Liebesgeschichte schreibt, dann schreibt man auch darüber, wie man durch die Liebe über sich selbst hinauswächst. So geht es mir zumindest immer. Ich wachse über mich hinaus, meine Partnerin über sich und zusammen werden wir zu einer Einheit. Das Bestreben ist es, eine besondere Liebe zu finden und ich glaube, danach streben wir alle."In jeder Liebesgeschichte steckt auch ein wenig persönliche Erfahrung des Autors, gibt Mick Mayerbeetle zu. Aber vor allem ließ er sich von der Goldenen Stadt inspirieren. Der Leser findet in seinem Buch viele Gebäude und Orte, die er in Prag selber gesehen hat:
"Ganz besonders die Altneu-Synagoge. Diese Synagoge ist ein Ort, wo ich immer wieder gerne ein oder zwei Stunden hineinsetze und sie auf mich wirken lasse. Es ist ein ganz besonderer Platz. Als Mairing-Leser finde ich die Karlsbrücke besonders schön. Also die Brücke in eine andere Welt. Gerade im Novembernebel ist es ein schönes Erlebnis, die Brücke zu überqueren. Und dann natürlich noch die Alchimistengasse: Ein Ort, den ich jedes Mal besuche, wenn ich hier bin. Die Gasse muss ich jedes Mal besuchen, weil ich von ihr einfach fasziniert bin."
Mick Mayerbeetle ist ein leidenschaftlicher Leser der Werke von Gustav Meyrink. Gerade seine Werke haben ihm die Stadt nahe gebracht. Die Atmosphäre des alten jüdischen Prags wird im Roman greifbar, hier trifft der Hauptheld Hannes auf den Golem:
"Da eine kleine Gasse, ein Telekommunikationsladen und dahinter, in einer Mauernische von Scheinwerfern golden angestrahlt, steht er da und starrt mich an. Ich blicke den Golem direkt in die Augen und erstarre vor Ehrfurcht. Ein riesiger muskulöser Kerl, an der Brust mit zwei Lederbänder zusammengeklebt, so als würde er sonst auseinander brechen. Den Kopf nach vorn gebeugt mit einem ergreifend traurigen Antlitz. Augen, Nase, Wangen und Mund schauen aus, als würde er genau wissen was vom Leben zu erwarten ist."
Die Handlung des Romans und die Stadt passen einfach zusammen - dass war aber zunächst nicht so geplant. Der Ursprungsgedanke war ein ganz anderer, verrät Mayerbeetle:
"Ursprünglich wollte ich das Buch in Frankreich platzieren. Als ich dann aber nach Prag gekommen bin, wusste ich, dass die Geschichte eigentlich nur hier passieren kann, weil es hier so viele historische Plätze gibt. Die Atmosphäre ist einfach wunderbar. Ich kenne keinen schöneren Ort als Prag, den man beschreiben könnte."
Das erste Mal war Mick Mayerbeetle vor vier Jahren in Prag. Dieser Besuch war der ausschlaggebende Moment, Prag als Szenerie für einen Roman auszuwählen. Seitdem zieht es Mayerbeetle immer wieder nach Prag. Zu Beginn sammelte er Stadtpläne, um die Ortsbeschreibungen genau in das Buch einarbeiten zu können. Später hat Mayerbeetle auch viele Fotos gemacht, um die einzigartige Atmosphäre festzuhalten. So konnte er Prag auch an seinem Schreibtisch in München ganz genau beschreiben. Es war aber nicht immer so einfach: Es mussten sogar mehrere Passagen des Romans umgeschrieben werden. Die beiden Hauptdarsteller - Marcela und Hannes - lernen sich in einer Bar kennen, wo Marcela als Bedienung arbeitet. Aber das Geheimnis verrät Mayerbeetle selbst:"Ursprünglich war es ein Sportpub, der aber plötzlich nicht mehr existiert hat. Ich bin hergekommen und stand vor verschlossenen Türen. Ein Schild gab es auch nicht mehr. Die Kneipe war wie von der Landkarte verschwunden. Dann habe ich die Joes-Bar gefunden. Mit dem Gefühl, dass sie noch etwas länger existieren wird. Sie ist ebenfalls sehr schön, mit einem alten Prager Gewölbe und einer Treppe in den Keller. Dann habe ich den Wirt gefragt, ob ich bei ihm filmen darf, um die Szene in meinen Roman aufnehmen zu können. Der Wirt sagte mir, dass es auch selber schreibt aber bis jetzt noch nichts veröffentlicht hat. Und es kam noch dazu, dass seine Frau auch noch Marcela heißt."
Aber auch die schöne Frau im Roman, Marcela, hat ein Vorbild in der Realität. Mick Mayerbeetle hat früher Volleyball gespielt und seine Mannschaft trat eines Tages gegen eine tschechische Mannschaft an. In der tschechischen Mannschaft war eine - wie Mayerbeetle selber sagt - wunderschöne Spielerin mit dem Namen Marcela. Die Romanheldin ist allerdings weniger sportbegeistert. Sie begleitet den Protagonisten Hannes auf seinem Lebensweg ein Stück mit. Gemeinsam machen sie unterschiedliche Erfahrungen und kommen so auf die Essenz des Lebens. Die Menschen leben wie im Hühnerstahl, völlig automatisiert. Sie entdecken, dass sich Menschen von ihren Ängsten und Abhängigkeiten lösen müssen, um sich befreien und dadurch eine Verantwortung übernehmen zu können. Eine Liebesgeschichte, die fasziniert und verzaubert:
"Da ist plötzlich nur noch Lust und Gier. Wir verschmelzen zu einer Einheit. Wie zwei Flüsse, die zusammenlaufen, sich vermischen, um dann ins Meer zu münden. Ewig liegen wir zart beieinander. Ein zartes warmes Licht umgibt uns, verletzlich, kaum wahrnehmbar und prickelnd lebendig. Anders als alles bisher Erlebtes. Ich lege meinen Kopf auf ihre Brüste und sehe einen Ritter mit Flügeln auf einer grünen Wiese schreiten. Neben ihm, stolz und gewaltig eine Löwin. Zart sind unsere Berührungen. In ein zartes Kokon scheinen wir eingewebt. Keins von beiden willig ihn zu zerstören. Feinster Nachhall unserer Seelen hält unsere Gefühle in seltsam vertrauter Schwingung. Uralte Sehnsucht endlich erfühlt. Nahrung in unserer kalten Welt des Grauens. Ein Windhauch, eine Tür schlägt zu, wir lächeln uns an. Tauschen flüsternd zarte Liebkosungen, als stünde vor der Tür ein Monster, bereit uns zu meucheln, ahnte es auch nur was wir gerade teilten. Wir machen uns auf den Weg in die Josefstadt."