Weltspitze ist tschechischem Eishockey-Nachwuchs schon enteilt

U20-WM, Kanada-Schweden (Foto: ČTK)

Der Tschechische Eishockeyverband (CSLH) feiert im Herbst das 100-jährige Jubiläum seines Bestehens. Radio Prag wird diesem Jubiläum eine Serie von Beiträgen widmen, zu der wir heute den Auftakt machen – mit einer Betrachtung zu den Erfolgen und zur aktuellen Situation des Nachwuchses in der hierzulande gleichauf mit dem Fußball populärsten Sportart.

100 Jahre des Tschechischen Eishockeyverbands
Zur Jahreswende 2007/08 wurde in Tschechien zum dritten Male die Weltmeisterschaft für Spieler bis 20 Jahre ausgetragen.

U20-WM,  Kanada-Schweden  (Foto: ČTK)
Zu dieser Hymne liefen in Pardubice und in Liberec / Reichenberg die zehn besten Nachwuchs-Nationalmannschaften auf das Eis. Bei den vorherigen 31 Titelkämpfen in dieser Altersklasse konnte Tschechien zwölf Medaillen gewinnen, davon zwei goldene. Sie wurden 2000 und 2001 erkämpft, als sich die „Junglöwen“ in den Endspielen gegen Russland bzw. Finnland durchsetzten. Von einer derartigen Spielstärke aber sind die letzten Jahrgänge der tschechischen U20-Auswahl weit entfernt. Daher musste Auswahltrainer Miloslav Hořava schon vor Beginn des Championats einräumen:

„Die Situation im tschechischen Junioren-Eishockey ist nicht besonders gut. Das Niveau stagniert bzw. geht sogar leicht zurück. Und jedwedes Ergebnis, dass wir bei der Weltmeisterschaft erzielen werden, wird daran nichts ändern.“

Auch der 1. Vizepräsident des tschechischen Eishockeyverbandes, Zbyněk Kusý, gab sich vor der WM keinen großen Illusionen hin:

„Was die Platzierung anbelangt, so bin ich der Meinung, das ein Weiterkommen im Viertelfinale ein riesiger Erfolg wäre. Dennoch bleibe ich Realist und meine, dass Länder wie Russland, Kanada, die USA und sicher auch Schweden derzeit ohne Zweifel über stärkere Mannschaften verfügen als wir.“

Miloslav Hořava  (Foto: ČTK)
Kusý sollte Recht behalten, denn die von ihm genannten Mannschaften erreichten allesamt das Halbfinale. Die russische Auswahl nach einem 4:1-Sieg im Viertelfinale über Tschechien. Das Team des Gastgebers musste sich nach dem 5:1-Erfolg im Platzierungsspiel gegen Finnland mit dem 5. Rang begnügen. In seinem Resümee stellte Trainer Hořava nicht nur fest, dass die Weltspitze im Nachwuchsbereich dem tschechischen Eishockey bereits um einiges enteilt ist, sondern er zeigte auch Wege auf, wie man den Abstand wieder verkürzen könne:

„Was ich mit Sicherheit empfehlen würde, ist, dass wir den Kontakt zum Nachwuchseishockey in Nordamerika wieder aufnehmen. Wir müssen öfter gegen die besten Mannschaften der Welt spielen und von ihnen lernen. Denn es gab mal Zeiten, da haben die anderen Teams von uns gelernt und Informationen eingeholt. Wir haben die Entwicklung etwas verschlafen.“

Welches Land aber hat denn nun das weltbeste U-20-Team des Jahres 2008? Im WM-Finale in Pardubice standen sich die Mannschaften von Kanada und Schweden gegenüber. Nach packenden 60 Spielminuten stand es 2:2, also musste die Verlängerung über den neuen Weltmeister entscheiden. Und in dieser erzielte der Kanadier Matthew Halischuk nach knapp vier Minuten das Siegtor zum 3:2-Endstand für die Ahornblätter, die danach ihren bereits 14. WM-Titel feierten.

(Live-Kommentar zum 3:2-Siegtor der Kanadier)

Die Tops und Flops der tschechischen Sportwoche

Zdeněk Štybar  (Foto: ČTK)
Die Tschechische Republik ist eine Wintersportnation. Diese Behauptung wird durch zahlreiche ehemalige und aktive Athleten wie Skispringer Jiří Raška, Skiläuferin Kateřina Neumannova oder Eiskunstläufer Tomáš Verner belegt. Ganz zu schweigen von den weiter zur Weltspitze gehörenden Eishockeycracks. Vergessen wird dabei nicht selten eine Sportart, die man eigentlich in einer wärmeren Jahreszeit vermutet – das Querfeldeinfahren. In dieser auch als Radcross bezeichneten Sportart spielten tschechische Aktive lange Zeit eine führende Rolle. Von 1981 bis 1991 kamen sechs Weltmeister aus der damaligen Tschechoslowakei. Seit 1992 aber gewannen die Männer in der Elite-Klasse nur noch eine WM-Medaille – die silberne 2001 durch Petr Dlask. Am vergangenen Sonntag aber wurde diese Bilanz wieder etwas aufpoliert: Bei der WM im italienischen Treviso fuhr Zdeněk Štybar als Zweiter über die Ziellinie, nur fünf Sekunden hinter dem Niederländer Lars Boom. Zum Rennen sagte Štybar später:

„Mir ist es leider nicht gelungen, den Angriff von Lars Boom zu parieren. Ich selbst habe drei, vier Runden zuvor versucht, der Spitzengruppe davonzufahren, doch das ist mir nicht geglückt. Als Lars dann angetreten ist, befand ich mich gerade inmitten der Gruppe und konnte darauf dann ebenso wenig reagieren wie Sven Nijs, der auch im Mittelfeld fuhr. Zum Glück habe ich mich dann an das Hinterrad von Nijs heften können, als er zur Attacke blies. An einer Steigung haben wir uns gemeinsam aus dem Staub gemacht.“

Im Wettbewerb der Junioren eroberte der Tscheche Lubomír Petruš die Bronzemedaille.

Martina Sáblíková auf Platz eins  (Foto: ČTK)
Podestplätze sind seit zwei Jahren das Markenzeichen der tschechischen Eisschnellläuferin Martina Sáblíková. Über die lange 5000-Meter-Distanz ist sie seit voriger Saison sogar fast unschlagbar. Den vorerst letzten Sieg auf dieser Strecke feierte sie am zurückliegenden Wochenende beim Weltcup im norwegischen Hamar. Und das trotz größerer gesundheitlicher Probleme. Ihr Trainer Petr Novák zog daher vor ihr ganz tief den Hut:

„Sie hatte Schnupfen, bekam in der Nacht Fieber und zudem noch Bauchschmerzen. Sie wurde von der deutschen Teamärztin untersucht und es sah zunächst so aus, dass sie nicht wird starten können. Umso mehr ziehe ich vor ihr den Hut, denn ich hatte Angst, dass sie sich quälen muss. Die letzten drei Runden war das auch der Fall, ansonsten wäre sie eine Zeit von unter 6:50 min gelaufen. Aber wie sie dieses Rennen gewonnen hat, ist einfach unglaublich. Jeder Andere wäre in dieser Verfassung nicht an den Start gegangen.“

Große (Vor-)Freude herrscht seit einigen Tagen auch im Lager der tschechischen Eishockeyfans. Im Rahmen des All-Star-Games der NHL in Atlanta wurde bestätigt, dass die Mannschaften der New York Rangers und der Tampa Bay Lightning Anfang Oktober zwei Auftaktspiele zur neuen NHL-Saison in Prag bestreiten werden. Die mächtige Spielergewerkschaft (NHLPA) der Welt-Topliga hat zwar kurz darauf gedroht, die beiden Partien in Prag womöglich platzen zu lassen, doch NHL-Experte Jiří Fischer stellte klar:

„Das ganze Problem liegt darin, dass die Spielergewerkschaft etwas beleidigt darüber ist, bei den Verhandlungen nicht berücksichtigt worden zu sein. Die NHL-Führung hat praktisch allein entschieden, dass man die Spiele in Europa, sowohl in Prag als auch in Stockholm austragen wird. Die Spielergewerkschaft hat dem aber (noch) nicht zugestimmt, und so lässt sie jetzt die Muskeln spielen frei nach dem Motto: Auch wenn es euch nicht gefällt, wir können die Sache auch noch abblasen. Aber ich denke, dazu wird es nicht kommen.“

Autor: Lothar Martin
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