Wiederentstehung des "Böhmischen Versailles"

Zu Weihnachten, das schon an die Tür klopft, gehört es, die Geschichte über die Entstehung des neuen Lebens, über die Geburt Christi zu erzählen. Dies wollen wir nun nicht vorwegnehmen, wir wollen aber in der folgenden Wandersendung die Geschichte einer Wiedergeburt erzählen. Markéta Maurová und Jörn Nuber werden Sie in das Schloss Nove Hrady in Ostböhmen mitnehmen, das in den letzten Jahren wie ein Phönix aus der Asche aufgestiegen ist.

Wie in einem Märchen kann sich der Wanderer fühlen, der im Dorf Nove Hrady in der Nähe von Leitomischl eintrifft. Das Dorf selbst rühmt sich keiner besonderen Schönheit - desto eindrucksvoller ist daher das Schloss, das in dessen Mitte steht. Es gewann die Bezeichnung "Böhmisches Versailles" oder "Kleines Schönbrunn" und man kann sich darüber kaum wundern. Seine Rosa-Farbe, seine Rokoko-Plastiken und Stuckverzierungen sowie der terrassenartige Garten sind hierzulande wirklich einzigartig. Hinter dem Tor begrüßt uns die Schlossfrau höchstpersönlich: es ist aber keine Märchenprinzessin, sondern Frau Magda Kucerova, die gemeinsam mit ihrem Gatten das Schloss als Ruine im Jahre 1997 gekauft hatte. An der Wiederbelebung dieses Kleinods der Rokoko-Baukunst beteiligt sich seitdem die ganze Familie. Frau Kucerova erzählt aber zunächst über die Anfänge des Schlosses:

"Das Schloss wurde errichtet im Jahre 1777 nach dem Entwurf des Architekten Jäger. Es wurde von einem Nachkommen des französischen Adels gebaut, Graf Chamaré. Graf Jean-Antoine Harbuval de Chamaré besaß ein altes Schloss hier oben auf dem Schlossberg. Da es nur wenige Belege über diesen Grafen gibt, können wir folgende Sachen nur vermuten. Graf Chamaré war an der Suche nach einem Schatz sehr interessiert. Er nahm das damals existierende Schloss auseinander und aus dem Material, das er herunter brachte, baute er dieses Schloss. Er erbaute es im Stil der französischen Sommersitze und lehnte den Vorschlag des Architekten Jäger ab, der schon ein klassizistisches Gebäude entwarf. In diesem Sinne hatte das Schloss eigentlich ein großes Glück, dass es so altmodisch gebaut wurde, denn es haben sich nur sehr wenige Beispiele eines so reinen Rokokos in Böhmen erhalten. Das Schloss wurde später nie umgebaut und befindet sich in dem Zustand, in dem es wirklich 1777 fertiggebaut wurde."

Es entstand ein einheitliches Rokoko-Areal. Dieses besaß außer dem eigentlichen Schloss das Eingangstor und einen französischen Garten mit Verwaltungsgebäuden, weiter einen Speicher, und auch einen englischen Park mit einem Kreuzweg aus Sandstein, der zu den Ruinen der ursprünglichen gotischen Burg führte. Wie viele andere Schlösser, erlebte auch das in Nove Hrady glücklichere und weniger günstige Zeiten.

"Anfang des 20. Jahrhunderts ging das Schloss aus der adeligen Hand in die Hände der Unternehmer über. Wie viele andere Schlösser, hatte auch dieses seine Blütezeiten und Niedergangsetappen. Am Anfang des 20. Jahrhunderts befand es sich in einem sehr schlechten Zustand, im oberen Saal ist die Decke eingestürzt und diese Situation wiederholte sich noch einmal am Ende des Jahrhunderts. Das Schloss geriet in die Hände eines Prager Großhändlers mit Südfrüchten, der es renovierte. Später verwüstete es jedoch wieder, dann wechselte es den Besitzer und der neue Herr vertrank nicht nur das Schloss, sondern die ganze Herrschaft. 1934 wurde es von Barton von Dobenin renoviert, dem Besitzer großer Textilwerke in Nachod und Nove Mesto nad Metuji. Nach 1936 verließ die Familie Barton das Schloss und kehrte eigentlich nie mehr zurück."

Nach dem Krieg fiel das Schloss dem Staat zu. Dieser nutze es zu unterschiedlichen Zwecken und begann erst in den 80er Jahren mit einer umfangreichen Renovierung. Doch noch in den 30er Jahren ließ der Fabrikunternehmer Barton Nove Hrady an seine zwei Enkel 1936 übertragen. Diese verbrachten ihr Leben in Frankreich und haben ihr Schloss nie mehr besucht - bis zum Jahre 1991, als sie sich mit ihrem Restitutionsanspruch meldeten. Ihr Fall gilt jedoch als eine der missgeschicktsten Restitutionen hierzulande - die neuen Besitzer interessierten sich für ihr Schloss nicht und ließen es verwüsten. Als es 1997 in die Hände der Familie Kucera überging, war es eine Ruine, aus deren Dach Bäume wuchsen. Dazu kommen wir aber später, nun kehren wir noch mal zu den Anfängen des Märchenschlosses zurück. Wie wir gehört haben, verdankt es seine Entstehung der Suche nach einem Schatz. Hat Graf Chamaré den ersehnten Reichtum wirklich entdeckt? - drängt sich natürlich in jedem Kopf die Frage auf.

"Er hat zwar keinen Schatz gefunden, selbst hier jedoch einen eingemauert. Das ist wahr. Wir wollen im kommenden Jahr die Vase zeigen, in der der Schatz gefunden wurde. Die Vase ist aus Sandstein, etwa 70 cm hoch und hat eine Vertiefung, in der ein Schatz gefunden wurde. Und zwar durch Barton von Dobenin beim Umbau im Jahre 1934. Als man die Kapelle renovierte, wurde unter der Verputzung eine lateinische Inschrift gefunden, die sagte - auf jedem Schloss befinde sich ein Schatz und auch hier finden sie einen. Geht gegenüber und sucht! Sie gingen gegenüber und dort, in einer Nike zwischen den Fenstern war diese Vase eingemauert. Und darin befand sich eine Münzensammlung."

Ein wahrer Schatz für das Schloss besteht aber auch darin, dass es die Familie Kucera kaufte. Auch Petr und Magda Kucera und ihre vier Kinder haben Anfang der 90er Jahre in Restitutionen das ursprüngliche Eigentum ihrer Familie zurückerhalten. Kurz darauf wurden sie nicht nur Schlossbesitzer, sondern auch Baumeister, Maurer, Gärtner und alle möglichen weiteren Berufe:

"Wir sind nicht vom Fach, weder ich noch mein Mann. Aber als wir den Besitz in Prag in der Hand hatten, standen wir vor der Entscheidung, was damit zu tun. Sollen wir ihn investieren oder immer neue Weltreisen unternehmen? Und so haben wir uns entschlossen, ein Bauobjekt zu kaufen und zu renovieren - ein altes Landgut, ein Schlösschen oder so etwas. Wir haben etwa zwei Jahre gesucht und endlich fiel die Wahl auf dieses Schloss."

Die Familie kaufte 1997 das Objekt und im darauffolgenden Jahr wurde der umfangreiche Umbau begonnen. Das Schloss erhielt eine neue Fassade. Die ursprünglichen Putti-Skulpturen haben sich nur oben auf dem Dach erhalten und so mussten danach Kopien auch für die unteren Räume und den Garten verfertigt werden. Es folgten die Stuckarbeiten, die Parkettböden usw. Glücklicherweise gab es Dokumente, nach denen man sich bei der Erneuerung des Schlosses richten konnte.

"Ja, nach Photographien. Im Jahre 1936 haben die Barton alles photographisch dokumentiert und die Negative haben sich bis heute in der Familie des Photographen erhalten. Das war ein großes Glück, weil wir zeitgenössische Bilder nicht nur des Exterieurs, sondern auch der Innenräume, der Einrichtung bekamen, so wie man hier lebte. Diese sind sehr inspirativ und belegen die Zeit."

Die Ergebnisse, auf die man nur drei Jahre später zurückblicken kann, sind atemberaubend:

"In diesem Jahr am 16. Juni gelang es uns, den unteren Schlossteil zu eröffnen, der als Galerie zugänglich ist. Weiter gelang es uns, einen Rokoko-Garten vor dem Schloss zu errichten. Er grünt schon, doch es wird noch etwa zwei, drei Jahre dauern, bis er ganz fertig sein wird. Und wir haben auch ein Schlossrestaurant geöffnet. Im Garten wurde der frühklassizistische Altan fertiggebaut, und es bleibt uns doch den Speicher und das Gartenhäuschen mit einem einzigartigen Gewölbe aus dem 18. Jahrhundert zu renovieren. Und auf der anderen Seite sind Wirtschaftsgebäude, die ausgebrannt sind. Anstatt dieser früheren Ställe möchten wir eine Pension bauen."

Die Pläne der Schlossfrau gehen aber noch weiter:

"Es sollten hier künftig noch weitere Gärten errichtet werden: hier im zweiten Schlosshof ein Gemüsegarten im französischen Rokoko-Stil und zwischen dem Altan und dem Speicher ein Blumengarten holländischen Typs. Und von der Pension nach unten, in der Richtung zum Teich - wir haben hier nämlich eine Kaskade von fünf Schlossteichen - dort soll ein Wassergarten, ein Moosgarten oder sozusagen ein japanischer Garten errichtet werden."

Seit dem 16. Juni dieses Jahres ist das Schloss für die Öffentlichkeit zugänglich. Der Festsaal im ersten Stockwerk wird zu Hochzeiten und anderen festlichen Angelegenheiten vermietet, sonst wird dieses Stockwerk aber von der Familie bewohnt. Im Erdgeschoss befindet sich eine Galerie:

"Wir werden die Galerie wieder im Frühling öffnen. Höchstwahrscheinlich wird hier eine Ausstellung des Malers Max Svabinsky installiert. Diese soll vier Teile haben und in vier Orten hier in der Umgebung stattfinden - in Vysoke Myto, Litomysl, auf Kozlov und hier bei uns."

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