Willkommen im Mittelalter: Freilichtmuseum Řepora
Um Mittelalter pur in Prag zu erleben, braucht man nicht in das historische Stadtzentrum zu gehen. Im Gegenteil, ein mittelalterliches Städtchen mit einer Befestigung, einem Marktplatz und einigen Handwerkerhäusern befindet sich am Stadtrand von Prag. Im fünften Stadtbezirk steht Řepora, ein mittelalterliches Freilichtmuseum, das als eine Kopie einer fiktiven böhmischen Kleinstadt aus dem 14. Jahrhundert erbaut wurde.
Von der Metrostation Stodůlky sind es etwa 400 Meter entlang der Straße Jeremiášova bis zu einem Asphaltweg, der nach Řeporyje führt. Zum Freilichtmuseum sind es noch einmal rund 400 Meter. Durch das westliche Tor betritt man das Städtchen Řepora. Oben auf dem Tor ist das Symbol der Gemeinde – der gelbe Odermennig beziehungsweise das Ackerkraut abgebildet. Vladimír Ženíšek ist der Initiator und Leiter des Freilichtmuseums. Auf die Idee, ein mittelalterliches Freilichtmuseum zu errichten, sei er 1999 mit Freunden gekommen, die sich ähnlich wie er für die Geschichte des Mittelalters interessieren.
„Wir haben bald das geeignete Grundstück für das Freilichtmuseum auf einer Grünfläche zwischen den Stadtteilen Stodůlky und Řeporyje gefunden. Damals sah es hier nicht besonders attraktiv aus, angeblich sollte da sogar eine Müllhalde entstehen. Wir mussten hier viel aufräumen, bevor die ersten Häuser erbaut werden konnten. Abgesehen davon steht Řepora aber inmitten einer grünen Oase am Stadtrand. Auf dem Grundstück befinden sich einige kleine Seen, auch die hiesige Flora und Fauna sind beachtenswert. Als wir hier vor einigen Jahren biologische Analysen durchführen ließen, stellte sich heraus, dass in Řepora sogar eine Pflanze wächst, die nirgendwo in Prag auftaucht, und zwar der Erdbeer-Klee. Nach Meinung von Biologen zeugt dies davon, dass das Grundstück wieder mit traditionellen Mitteln bewirtschaftet wird. Wenn man während der Blütezeit hierher kommt, sieht man ganze Teppiche von Erdbeer-Klee in Řepora.“
Das Projekt des Freilichtmuseums hat Architekt Jan Pešta ausgearbeitet, der auf das Mittelalter spezialisiert ist. Das Ziel sei es gewesen, der Öffentlichkeit das Leben in einer böhmischen mittelalterlichen Kleinstadt näher zu bringen. Erbaut wurde das Städtchen ausschließlich aus traditionellem Material, so Vladimír Ženíšek.
„Wie in jeder mittelalterlichen Stadt darf auch hier die Stadtbefestigung nicht fehlen. Auch wenn Řepora auf den ersten Blick ziemlich klein aussieht, so ist es kein Dorf, sondern eine Stadt. Neben der Befestigung sind die Jahrmärkte ein weiteres Privileg der Stadt. Es gibt natürlich auch einen Marktplatz. Eine kleine aus Holz gezimmerte Kirche mit einem Glockenturm steht auf der Nordseite des Marktplatzes. Die einzelnen Häuser gehören verschiedenen Handwerkern: in einem lebt beispielsweise ein Töpfer, auf dessen Hof ein Töpferofen steht. In einem anderen wiederum ein Schmied, der hier seine Schmiedewerkstatt eingerichtet hat. Das größte und reichste Anwesen gehört dem Vogt. Die gezimmerten Wände sind angestrichen und das Haus sieht aus, als ob es aus Blocksteinen erbaut wurde.“
Dem Vogt gehöre, so der Museumsgründer, auch die Kneipe, in der die Bewohner von Řepora am Abend zusammentreffen und das verdiente Geld verprassen können.
Alle Bauten im Freilichtmuseum wurden aus Holz und Lehm gebaut. Gedeckt sind sie mit Strohbündeln oder mit Schindeln. Aus Stein oder aus Ziegeln wurden nur Speisekammern oder Speicher gebaut, wo lebenswichtige Nahrungsmittel aufbewahrt werden. Die Form der Häuser mit ihren steilen Dächern, hohen Rauchkammern und mit drei Fensteröffnungen hängt mit der Art der Beheizung zusammen. In den Wohnräumen gibt es das so genannte „Rauchloch“. Der Rauch steigt frei in den Raum unter die erhöhte Decke und dringt durch das Loch hinaus. Da sich der Rauchpegel in Höhe des Rauchlochs hält, stört der Rauch diejenigen, die in der unteren Hälfte des Raums leben, nicht. Einige der Häuser sind einfach gemalt, nur rund um die Fenster und Türen gibt es auch Verzierungen. Die Bauarbeiten seien im Freilichtmuseum jedoch nie zu Ende, erzählt der Gründer von Řepora:
„Es ist eine endlose Geschichte, denn es ist sehr anspruchsvoll, das gesamte Städtchen instand zu halten. So war es aber auch im Mittelalter. Alles ist aus Holz, die Witterungsbedingungen machen sich am Gebäude bemerkbar. Man kann sich bei der Instandhaltung eine Vorstellung darüber machen, wie schwer es die Leute im Mittelalter hatten.“
Für Vladimír Ženíšek ist Řepora ein mittelalterliches Städtchen. Denn in einem Freilichtmuseum findet man in der Regel Bauten, die zuvor irgendwo Jahrhunderte lang standen und bewohnt waren, und die später ins Freilichtmuseum überführt wurden. Um aczech/tulezim1ber vor allem den ausländischen Besuchern zu erklären, was sich hinter Řepora verbirgt, müsse man doch von einem Freilichtmuseum sprechen, sagt Ženíšek.
„Es kommen viele Touristen zu uns. Sie erfahren zumeist von den Reiseveranstaltern, dass es unser Städtchen gibt. Für sie ist es eine einzigartige Möglichkeit, sich in Ruhe im mittelalterlichen Milieu zu entspannen. Denn hier hört man keinen Lärm von der Straße, es ist hier sehr still.“
Auch wenn die mittelalterliche Stadt fiktiv ist, so hat sie einen historisch belegten Namen. Der tschechische Begriff Řepora ist von der Pflanze „řepík lékařský“ – zu Deutsch Odermennig oder auch Ackerkraut – abgeleitet.
„Wir haben mit dem Stadtteil Řeporyje vereinbart, dass wir den ursprünglichen Ortsnamen benutzen werden, den es hier gab. Der Begriff Řepora hängt wirklich damit zusammen, dass hier einst Odermennig, also ´řepík´, gezüchtet wurde. Ein Kraut, das die Wundärzte benutzt haben.“Den Besuch im mittelalterlichen Freilichtmuseum Řepora empfiehlt Vladimír Ženíšek vor allem Familien mit Kindern. Sie könnten hier ihre Phantasie spielen lassen, meint Ženíšek. Aber auch diejenigen, die in Prag nach einem ruhigen Plätzchen suchen, sollten Řepora besuchen.
„Es ist ein wunderschöner Naturwinkel mit Seen, Krebsen, Nattern und Fischen. Für Gruppen haben wir zu jeder Zeit geöffnet, sie müssen sich jedoch vorher bei mir telefonisch anmelden. Sonst haben wir jeden Tag außer Montag von 14 bis 18 Uhr geöffnet.“
Dieser Beitrag wurde am 20. November 2010 gesendet. Heute konnten Sie seine Wiederholung hören.