Zeman zur EU-Erweiterung

Die Hospodarske Noviny hat in ihrer Freitagsausgabe ein Interview mit dem Tschechischen Premierminister Milos Zeman veröffentlicht, indem er nach seinen Eindrücken von der EU-Konferenz in Nizza und seinen Ansichten zum angestrebten Unionsbeitritt der Tschechischen Republik befragt wurde. Olaf Barth fasst für Sie zusammen:

Milos Zeman

Milos Zeman äußerte, er habe als Folge der Verhandlungen mit den Vertretern der 15 EU-Staaten in Nizza den Eindruck gewonnen, dass die ersten Beitrittskandidaten bis zum Jahre 2004 aufgenommen werden könnten. Besondere Hoffnung setze er in diesem Zusammenhang auf die folgende Periode des schwedischen EU-Vorsitzes. Die Verhandlungen im südfranzösischen Nizza bezeichnete der Premier als Schwelle zu einer neuen Epoche der europäischen Entwicklung, deren Symbol die am Donnerstag unterzeichnete Charta der Grundrechte sei.

Zeman sprach auch über seinen Traum von einem integrierten Europa. Danach gefragt wie dieser denn aussehe und ob die westeuropäischen Staatsoberhäupter wohl auch etwas ähnliches träumten, antwortete er Folgendes: (Zitat)

"Das integrierte Europa ist ein Traum vieler westeuropäischer Staaten - hauptsächlich der sozialdemokratisch regierten. Denn eines der Hauptparadigmen der Sozialdemokratie ist die Solidarität. Es geht nicht um Unifizierung (...) wie in den USA, also nicht um eine Assimilierung der Kulturen, sondern im Gegenteil: Der grundlegende europäische Wert ist die Vielfalt. Wir werden keine Vereinigung der Hamburger und stupiden Fernsehserien erleben, sondern eine reichhaltige Kultur, deren selbständige Einheiten synerge0tisch zusammenarbeiten werden. (Zitatende)

Er fügte hinzu, ein solches integriertes Europa sei nicht nur ein wirtschaftlich, sondern auch ein sozial, ökologisch, außen- und sicherheitspolitisch vereinigtes.

Als Grund, warum es seiner Meinung nach so wichtig sei, zu den ersten Ländern zu gehören, die der Union 2003/2004 beitreten sollen, nannte er u.a. einen wirtschaftlichen Aspekt - nämlich die jährliche Unterstützung der EU für ihre ärmeren Mitgliedsstaaten von schätzungsweise 40-60 Milliarden Kronen (ca. 23-35 Milliarden D-Mark). Diese sei von elementarer Bedeutung für den Ausbau der tschechischen Wirtschaft und deshalb zähle dabei auch jedes Jahr.

Auf die österreichisch-tschechischen Streitigkeiten angesprochen, sagte Zeman, er sehe in ihnen kein Hindernis auf dem Weg in die Europäische Union. Über das umstrittene Atomkraftwerk Temelin werde man weiter verhandeln und in Bezug auf die "Benes-Dekrete" verwies er auf seit 1974 bestehende bilaterale Abkommen und führte weiter aus, Österreich müsse sich bewusst werden, dass es nicht Hitlers erstes Opfer, sondern dessen erster Verbündeter gewesen wäre.