Zwei Jahre bei der „Landeszeitung“ – IfA-Redakteur aus Deutschland zieht Bilanz

Marcin Bobrowski

Nach seinem Volontariat in einer deutschen Regionalzeitung wollte Marcin Bobrowski ins Ausland – und bewarb sich um eine Stelle als Redakteur bei der „Landeszeitung“, dem Presseorgan der Landesversammlung der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien. Vergeben wird die Stelle vom deutschen Institut für Auslandsbeziehungen in Stuttgart, das regelmäßig Redakteure und Kulturmanager nach Mittel- und Osteuropa entsendet, um die deutschen Minderheiten in ihrer Arbeit zu unterstützen. Nach nunmehr zwei Jahren bei der Landeszeitung kehrte er ins norddeutsche Bremen zurück. Marco Zimmermann sprach mit ihm über seine Arbeit:

Marcin Bobrowski
Herr Bobrowski, vielen Dank, dass Sie sich zu einem Interview bereit erklärt haben. Sie waren jetzt Redakteur bei der Landeszeitung, der Zeitung der deutschen Minderheit hier in Tschechien. Sie wurden aber aus Deutschland entsendet, könnten Sie vielleicht einmal erklären, wer Sie entsendet hat und warum?

„Entsendet wurde ich durch das Institut für Auslandsbeziehungen in Stuttgart. Das ist eine Mittlerorganisation des Auswärtigen Amtes, die Kulturmanager und Redakteure ins Ausland entsendet, speziell an Kultureinrichtungen der deutschen Minderheit und an deutschsprachige Zeitungen in Mittel- und Osteuropa, sozusagen als Kulturförderung, als Förderung der deutschen Minderheit.“

Wie funktioniert denn so eine Entsendung?

„Man ist offiziell angestellt in Stuttgart, hat also einen Arbeitsvertrag mit dieser Institution in Stuttgart, ist aber vor Ort eingebunden in die Prozesse in der Zeitung oder Organisation. Mit Stuttgart hat man dann tagtäglich wenig zu tun.“

Sie sind ja ein richtig ausgebildeter Redakteur. Wie hat sich den die Arbeit bei der Landeszeitung von der in einer deutschen Redaktion unterschieden?

„Die Landeszeitung ist, im Vergleich mit einer großen deutschen Zeitung oder auch mit einer deutschen Regionalzeitung, eine sehr kleine Zeitung mit einer sehr kleinen Auflage und geringen finanziellen Mitteln. Das ist quantitativ schon ein großer Unterschied, aber auch qualitativ. Die deutschsprachigen Zeitungen in Mittel- und Osteuropa, das kann man verallgemeinern, sind auch qualitativ bescheiden. Sie haben einfach nicht die finanziellen und personellen Mittel zur Verfügung, deswegen ist da schon ein großer Unterschied zu deutschen Zeitungen. Wenn man aber auf der anderen Seite sieht, was trotz der geringen finanziellen und personellen Mittel dabei herauskommt, muss man sagen, dass da vor Ort gute Arbeit geleistet wird, das klappt bei der einen Zeitung vielleicht etwas besser, bei der anderen etwas schlechter. Grundsätzlich lässt sich schon sagen, dass dort etwas Ordentliches erreicht wird, nicht zuletzt auch mit der Entsendung dieser Redakteure vom Institut für Auslandsbeziehungen. Der entsandte Redakteur aus Deutschland ist da ein fester Bestandteil der Redaktion und auch jemand, der einen großen Teil der Arbeit dort macht.“

Würden Sie sagen, es war eine gute Erfahrung? Ist das Aufgabenfeld eher breiter oder schmaler als in einer deutschen Redaktion?

„Das Aufgabenfeld ist viel breiter. Bei großen oder mittelgroßen Zeitungen ist man nur einer von vielen. Meisten ist man als junger Journalist auch jemand, der fast nur schreibt und im Prinzip nur seine Artikel abliefert und gesagt bekommt: Geh mal dorthin, schreib mal darüber. Bei diesen kleinen Zeitungen ist es dann ganz anders. Dort macht man alles, von A – Z. Also von der Zusammenarbeit mit freien Autoren, selber Artikel schreiben, Artikel redigieren, bis hin zur Zusammenarbeit mit dem Druck, mit der Lektorin, mit der Grafikerin. Das ist von der Belastung einerseits ganz etwas Anderes, allerdings ist es auch eine extrem interessante Erfahrung gewesen, nicht nur persönlich, sondern auch beruflich. Also insgesamt bin ich sehr zufrieden.“

Kaschubei
Sie selber sind polnischer beziehungsweise kaschubischer Herkunft. Hat Ihre Herkunft aus einer Minderheit Einfluss auf die Arbeit gehabt? Haben Sie vielleicht einen anderen Blick auf die Probleme der deutschen Minderheit in Tschechien gehabt?

„Ich denke schon. Ich glaube, dass Minderheiten sehr spezifisch sind, sehr speziell funktionieren. Wenn man da eine gewisse Erfahrung hat, auch wenn das andere Minderheiten waren, dann ist eine gewisse Sensibilisierung da. Daher glaube ich schon, dass mir das genutzt hat. Für die praktische Arbeit bei einer Zeitung ist es nicht besonders wichtig, aber um die Organisationsstrukturen der Landeszeitung, also um den Herausgeber (Die Landesversammlung der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien, Anm. d. R.) zu verstehen hat mir die Erfahrung tatsächlich geholfen.“

Zwei Jahre Arbeit. Was hatten Sie sich vorgenommen und was davon ließ sich tatsächlich umsetzen?

„Ich muss gestehen: Ich bin nach zwei Jahren etwas enttäuscht. Ich glaube, dass grundsätzlich sehr viel Potential in dieser Zeitung steckt. Dieses Potential wird allerdings aus unterschiedlichen Gründen nicht voll genutzt. Ich selber hatte mir eigentlich schon vorgenommen, gewisse journalistische Standards, deutsche Standards, denn es handelt sich ja immerhin um eine deutschsprachige Zeitung, einzuführen. Ich wollte die Leute dafür sensibilisieren und auch klarmachen, dass es wichtig ist, sich an bestimmte Standards zu halten. Das ist mir allerdings leider nicht gelungen, aus sehr unterschiedlichen Gründen. Ich möchte da auch nicht näher drauf eingehen, das war sehr kompliziert. Ich glaube aber, wie bereits gesagt, dass in der Zeitung sehr großes Potential steckt, ich glaube auch, dass die Leser durchaus vorhanden sind. Das erkennt man auch daran, dass es in Tschechien zwei deutschsprachige Zeitungen gibt. Also Leser, die in Tschechien eine deutschsprachige Zeitung lesen wollen, sind auf jeden Fall vorhanden. Aber gerade die Landeszeitung nutzt dieses Potential leider nicht vollständig.“

Webseite der Landeszeitung
Gibt es den einen konkreten Erfolg, den Sie sich auf die Fahnen schreiben können?

„Ich glaube schon, aber das ist natürlich der Erfolg der Zeitung, der gesamten Redaktion. Es ist der Erfolg von mir und dem Chefredakteur zusammen, wir haben natürlich alles zusammen gemacht, dass will ich mir nicht selber auf die Fahnen schreiben. Es ist uns gelungen, kurz nachdem ich vor zwei Jahren angefangen habe, das Zeitungslayout zu überarbeiten und es moderner zu gestalten, die Zeitung wird nun farbig herausgegeben. Auch inhaltlich konnten wir etwas ändern. Wir haben unter anderem eine Jugendseite eingerichtet. Die gab es zwar schon vorher, aber es wurde nie wirklich eingehalten, dass dort ausschließlich Jugendthemen behandelt wurden. Das ist uns auch sehr gut gelungen, dass wir eine echte Jugendseite daraus gemacht haben. Das würde ich als die größten Erfolge bezeichnen.“

Wie geht es für Sie persönlich weiter? Werden Sie in Deutschland in eine Redaktion zurückkehren?

„Ich bin zwar erstmal wieder in Deutschland und werde hier als freier Journalist arbeiten. Aber ich glaube, es wird mich hier nicht lange halten. Ich werde vermutlich wieder für einige Zeit ins Ausland gehen. Was mich seit einiger Zeit reizt ist Russland beziehungsweise der russischsprachige Raum, zum Beispiel die Ukraine. Ich denke, im nächsten Jahr wird es wohl in diese Richtung gehen.“