Zwischen EU-Referendum und Finanzreform: Wie stabil ist die tschechische Regierung?

Foto: Europäische Kommission

Die Vorbereitung der umfassenden Finanzreform, an der die tschechische Regierung schon seit vielen Wochen bastelt, geht in die nächste Runde. Auf der Tagesordnung der Regierungssitzung vom Mittwoch jedenfalls stand das Kapitel "Budgetsanierung" wieder einmal ganz oben. Mit besonderem Interesse wird hierzulande dabei die Haltung der kleinsten Regierungspartei, der liberalen Freiheitsunion, beobachtet. Gerald Schubert berichtet:

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Die "Freiheitsunion - Demokratische Union", wie sie mit vollem Namen heißt, galt in der Dreiparteienkoalition von Premierminister Vladimir Spidla schon von Beginn an als Sorgenkind. Zu groß erscheint manchmal die Kluft, die vor allem in Budgetfragen zwischen der Sozialdemokratischen Partei des Premiers und eben der Freiheitsunion, einer klassischen Partei liberalen Zuschnitts, liegt. Als nach der Überschwemmungskatastrophe vom vorigen Jahr die liberale Abgeordnete Hana Marvanova ein Hochwassersparpaket zur Behebung der Flutschäden nicht mittragen wollte, weil sie darin eine versteckte Steuerreform sah, da wandelte die Regierung bereits nahe am Abgrund. Denn mit einer Mehrheit von 101 zu 99 Mandaten kommt es im Parlament buchstäblich auf jede Stimme an.

Seither hat man hierzulande oft gehört, dass der Beitritt Tschechiens zur Europäischen Union eigentlich die einzige Klammer ist, die diese Regierung noch vereint. Auf dem Parteitag der Sozialdemokraten Ende März hatte Radio Prag daher den Parteichef und Premierminister Spidla nach der Stabilität des Kabinetts abseits der gemeinsamen EU-Perspektive gefragt. Denn bereits damals gab es Stimmen, die meinten, diese Regierung würde vielleicht nur noch bis zum Referendum bestehen und dann zumindest instabil werden. Dazu Spidla:

"Natürlich, das sagen einige. Aber andere sind wieder anderer Meinung. Natürlich ist das eine Frage, über die man nachdenken soll, aber es ist das nichts tragisches. Ich bin der Meinung, dass wir das meistern können."

Nun ist das EU-Referendum überstanden, und zu meistern hat Spidla tatsächlich noch einiges. Denn gegen die in Angriff genommene Finanzreform mit geplanten Einsparungen von 200 Milliarden Kronen, das sind fast 6,5 Milliarden Euro in den nächsten drei Jahren, gibt es freilich Kritik von allen Seiten.

Doch wie auch die Proteste der Opposition oder der Gewerkschaften aussehen mögen: Grundlage für die Durchsetzung der Finanzreform ist zunächst Einigkeit in der Regierung selbst. Und die scheint zumindest vorerst gerettet. Am Dienstagabend hat der Vorstand der Freiheitsunion den Hauptzügen des Reformvorhabens grünes Licht gegeben. Parteichef und Vizepremier Petr Mares meinte nach der dreistündigen Sitzung, man wolle zwar eine umfassendere und rasantere Reform, müsse aber in der Regierung einen Kompromiss finden. Damit ist klar: Mares gehört innerhalb der Freiheitsunion zu denen, die den Verbleib in der Regierung auch nach dem EU-Referendum unterstützen.

Übrigens gelten die Anhänger der Freiheitsunion, die in Umfragen derzeit bei schwachen vier Prozent Wählerzustimmung liegt, als die entschiedensten EU-Befürworter. Wie wirkt sich also das positive Ergebnis des Referendums nun auf die Kräfte in der Freiheitsunion aus? Könnte es sein, dass angesichts der ansonsten schlechten Umfragewerte Mares sogar gestärkt aus dem Referendum hervorgeht? Danach haben wir den Politologen und freien Mitarbeiter von Radio Prag, Robert Schuster gefragt:

"Er ist auf jeden Fall gestärkt. Aber wie gesagt: Da ja gleich nach dem Referendum mit den Beratungen über diese Finanzreform begonnen wurde, kann es natürlich sein, dass diese Phase der starken Position von Mares nur sehr kurz dauert. Da kommt es wirklich darauf an, ob sich die Freiheitsunion in irgendwelchen Aspekten wird durchsetzen können. Und ob vor allem Spidla - denn er muss ja auch Interesse daran haben, dass sich die Freiheitsunion in der Regierung hält - ob also Spidla der Freiheitsunion ein paar Punkte gewährt. Punkte, wo man dann letztendlich sagen kann: Hier hat sich die Freiheitsunion wirklich durchsetzen können."