11. November 1936: Außenminister Krofta ruft seine „lieben Kinder“ zum Frieden auf
Vor 90 Jahren endete der Erste Weltkrieg. Der rasche Wirtschaftsaufschwung in den so genannten „Goldenen Zwanzigern“ ließ die Schrecken des Krieges gerade für Kinder, die nach 1918 geboren waren, schnell verblassen. Frieden ist aber keineswegs eine Selbstverständlichkeit! Dies versuchte der damalige tschechoslowakische Außenminister Kamil Krofta vor 72 Jahren der Jugend seines Landes im Radio zu erklären - ein „Kinderprogramm“ der etwas anderen Art.
Die Rede wurde zum 18. Jahrestag des Friedenabkommens von Versailles am 11. November 1936 sowohl in tschechischer wie deutscher Sprache ausgestrahlt.
„Liebe Kinder! Ich will euch heute vom Frieden und seinen Segnungen erzählen. Ihr seid glücklich, dass ihr den Krieg nicht aus der Nähe kennen lerntet, dass ihr Kinder des Friedens seid, dass ihr zur Welt kamet in einer Zeit, wo nicht mehr die Kanonen donnerten und keine Soldaten mehr mit mörderischen Waffen einander gegenüberstanden.“
Großväterlich, als wolle er seinen Enkeln ein Märchen erzählen, so klingt Kamil Krofta in seiner Radioansprache. Doch der tschechoslowakische Außenminister will keineswegs eine nette Geschichte zum Besten geben. Zum 18. Jahrestag der Unterzeichnung des Versailler Vertrages möchte er den Kindern und Jugendlichen seines Landes eine deutliche Warnung mit auf den Weg geben. Dies tut er auf sehr bildhafte Weise:
„Der Krieg ist ein Übel, der Krieg ist eine Krankheit und der Friede ist der Gesundheit gleichzustellen. Glaubet lieber an die guten Eigenschaften der Menschheit, heget lieber zu ihr - und ihr bereitet so, für euch und für die Menschheit, den Frieden vor.“
Kamil Krofta hat allerdings keine romantisch-naiven Vorstellungen, wenn es um den Frieden geht. Als studierter Historiker weiß er aus der Geschichte, dass auch der Friede militärische Stärke und eine Bereitschaft zum Kampf erfordert.
„Am leichtesten wird der angefallen, der sich nicht wehrt und von dem man deshalb annimmt, dass er feig ist. Es ist notwendig, dass derjenige, der den Krieg will, weiß, dass sich der Angegriffene zur Wehr zu setzen versteht. Der entschiedene Wille nicht zu unterliegen, der Mut sich zu verteidigen hat schon viele Kriege vereitelt. Wer von euch Pfadfinder ist, der kennt den Wahlspruch: Sei bereit!“
Und dann wendet sich Krofta konkret an seine sudetendeutschen Zuhörer, und äußert eine Hoffnung:
„Um unsere Heimat zu verteidigen ist das Blut tschechischer und deutscher Soldaten schon öfters gemeinsam geflossen. Noch herrlicher wird es sein, wenn sich der Wille und die Kraft beider Völker zum Wohle der gemeinsamen Heimat, so wie im Interesse ihres Gedeiens und der Sicherung ihres Friedens vereinigen wird.“
Seine Hoffnung sollte sich nicht erfüllen. Keine drei Jahre später jubelte ein Großteil der deutsch-böhmischen und deutsch-mährischen Bevölkerung Hitlers Truppen zu, als diese die Sudetengebiete besetzten. Im März 1939 marschierte die Wehrmacht dann auch in den restlichen Teil der Tschechoslowakei ein. Ein halbes Jahr später begann der Zweite Weltkrieg.