1200 Briefe und Manuskripte aus dem Nachlass von Heinrich Manns im Prager Literaturarchiv entdeckt
Einen sensationellen Fund hat die Archivarin Christina Möller in der tschechischen Hauptstadt gemacht: Sie entdeckte an die 1200 bislang verloren geglaubte Briefe, Fotos und Manuskripte aus dem Nachlass von Heinrich Mann im Prager Literaturarchiv. Silja Schultheis berichtet.
"Ich habe mich in diesem Jahr intensiv mit der Geschichte des Nachlasses von Heinrich Mann auseinandergesetzt und bin in diesem Zusammenhang auf einen Widerspruch gestoßen, was den Aufbewahrungsort der Briefe und Manuskripte Heinrich Manns während der 30er Jahre in Prag anbelangt. Und um diesen Widerspruch zu lösen, habe ich mich an das Prager Literaturarchiv gewandt und habe dort die freundliche Auskunft erhalten, dass man über einen sehr großen Bestand Heinrich Manns verfügt."
Bei den entdeckten Dokumenten handelt es sich überwiegend um private Briefe, aus der Zeit zwischen 1899 und 1928. Darunter Briefe von Thomas, Erika und Julia Mann, aber auch von Rene Schickele, Erich Mühsam, Max Oppenheimer. Wie sind sie überhaupt nach Prag gelangt? Christina Möller:
"Meine Erklärung ist: während der 30er Jahre gelangte der Münchener Teilnachlass Heinrich Manns nach Prag. Ich kann hier vielleicht ein Zitat aus Heinrichs Manns Erinnerungsbuch âEin Zeitalter wird besichtigt' anfügen, das diesen Umstand erklärt. Heinrich Mann schreibt hier: Wenn je ein Mensch, dann hat Tomas Garrigue Masaryk mir wohlgetan und geholfen. 1933, ich war schon in Frankreich, erklärte er meine Münchener Wohnung zu tschechoslowakischem Eigentum und schaffte sie nach Prag. Bis 1938 haben Bücher, Bilder und der Besitz der Vorfahren ein Asyl gehabt."
Bis zum Einzug der Deutschen lagerten die Briefe in der Prager Nationalbibliothek. Anschließend wurden sie in verschiedenen Prager Privatkellern untergebracht und so vor dem Zugriff der Nazis geschützt. Nach dem Krieg gingen sie in die Obhut der Familie Mann zurück, offensichtlich blieben einige aber in Prag, vermutet Möller.
Heinrich Mann war Prag und vor allem dem damaligen tschechoslowakischen Präsidenten Tomas Garrigue Masaryk sehr eng verbunden. Als er 1924 zur Prager Aufführung seines Theaterstücks "Madame Lecot" in die tschechoslowakische Hauptstadt kam, lud Masaryk den Schriftsteller auf/nach Schloss Lany ein. Diese Begegnung dokumentierte Heinrich Mann anschließend in seinem Essay "Gespräch mit Masaryk". 1936 erhielt Heinrich Mann die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft, was für ihn sehr wichtig war, da sie ihm - der 1933 staatenlos geworden war - in Frankreich einen sicheren Aufenthaltsstatus als Emigrant gewährleistete.
Die Auswertung des jetzt entdeckten Prager Teilnachlasses liegt nun bei den Literaturwissenschaftlern und dürfte hier, so glaubt Moeller, sicherlich auf großes Interesse stoßen.