75 Jahre des Slowakischen Rundfunks

Von Martina Schneibergova

"Der Tschechoslowakische Rundfunk gehört zu den ersten Rundfunksendern in Europa, eigentlich nicht nur dank seinem Entstehungsjahr, sondern auch dank seiner rasanten Entwicklung und seinem mutigen Unternehmergeist", schrieb A. J. Patzaková in ihrem 1935 herausgegeben Buch über die ersten zehn Jahre des Tschechoslowakischen Rundfunks. Denn wie sie weiter feststellte, begann die Tschechoslowakei früher zu senden als alle ihre Nachbarstaaten.

"Genau ein Jahr nach der offiziellen Aufnahme der regelmäßigen Tätigkeit des Londoner Senders BBC, der eine führende Stellung unter den europäischen Rundfunksendern hat, hört man auf den Ätherwellen die ersten Sendungen aus der Tschechoslowakei..." hieß es in Patzakovas Buch einleitend.

"Hallo, hallo, hier ist der Sender des Radiojournals bei Prag..."

Der historische Tag, an dem im tschechischen Äther Wort und Musik erklangen, war der 18. Mai 1923; auch wenn die ersten Versuche Wort und Musik zu senden, bereits 1919 mit Hilfe eines Armeesenders vom Petrin/Laurenziberg in Prag unternommen wurden. Am dritten Tag konnte man aus Kbely bei Prag folgendes hören:

So klangen damals die Sendungen aus Kbely. Der Vorsitzende der Aktiengesellschaft Radioslavie, Eduard Svoboda, und der Vorsitzende des tschechischen Journalistenvereins, Milos Ctrnacty, gründeten die GmbH Radiojournal und versuchten sich mit Erfolg zum erstenmal in den böhmischen Ländern auf den Rundfunkwellen durchzusetzen, auch wenn es am Anfang eigentlich keine gesetzlichen Regelungen für solche Sendungen gab. Der sogenannte Operateur Vlach meldete damals:

"Hallo, hallo, hier ist der Radiosender OKS in Kbely, ein provisorischer Sender des Radiojournals in Prag 2, Nationalstraße 26, das den tschechoslowakischen Sendedienst organisiert und täglich um 19.15 Uhr auf der Welle 1150 musikalische Künstlerproduktionen, Sportmeldungen aus der ganzen Welt und die Wettervorhersage des staatlichen meteorologischen Instituts sendet."

Der erste Rundfunktechniker Frantisek Konicek beschrieb das inzwischen berühmte Zelt des Radiojournals:

"Ungefähr zehn Meter von dem Holzhaus mit dem Sender entfernt, ließ das Radiojournal damals ein großes Zelt errichten, in dem sich unser erstes Studio befand. Die Einrichtung bestand aus einigen Kisten, zwei Stühlen und einem Klavier. Manchmal drohte der Wind das ganze Zelt wegzublasen. Es passierte oft, dass wir das Bellen der Hunde in der Umgebung während der Sendung hörten. Danach siedelten wir in die ehemalige Montagewerkstatt über, in das Haus, in dem sich der Sender befand."

Auf diese Wese entstand das erste Rundfunkstudio - in diesen einfachen Bedingungen wurde das Programm zusammengestellt, das sich vor allem auf Musik stützte. Nachrichten durften jedoch auch damals nicht fehlen. An die ersten Nachrichtensendungen erinnerte sich der Rundfunktechniker Konicek:

"Unsere erste Nachrichtensprecherin und später auch der erste Sprecher Adolf Dobrovolny haben sich in Prag verschiedene Abend- und Tageszeitungen gekauft, aus denen sie selbst aktuelle Nachrichten für das Radiojournal aussuchten."

Hier eine Kostprobe der ersten Nachrichtensendungen von und mit der Sprecherin Mila Kocova:

"Deutschland: Das Chaos steigert sich, die Mark ist wieder gesunken. Die Arbeiter verlangen höhere Löhne und die Staatsbeamten höhere Gehälter..."

Die erste provisorische Sendestation befand sich - wie gesagt - in Kbely. 1924 übersiedelte der ganze Rundfunk in fünf Räume in der Vinohradska-Straße Nr. 58. Im Jahre 1927 wurde der Sender provisorisch im sogenannten Nationalhaus auf den Weinbergen untergebracht, von dem aus bis zur Eröffnung der Studioräume im Gebäude des Postdirektoriums in der Vinohradska Nr. 12 im Jahre 1933 gesendet wurde.

Inzwischen begann man jedoch auch aus anderen tschechoslowakischen Städten zu senden. Dies ist jedoch ein weiteres Kapitel aus der Geschichte des Tschechoslowakischen Rundfunks.

Die Geschichte des Rundfunks in der Slowakei ist eng mit der Geschichte der Tschechoslowakei verbunden. Die Slowakei war, wie bekannt, sieben Jahrzehnte lang ein Teil der Tschechoslowakischen Republik. Mit den regelmäßigen Rundfunksendungen in der Tschechoslowakei wurde am 18. Mai 1923 in Prag begonnen. Am 7. Juni 1923 entstand die Rundfunkgesellschaft Radiojournal. Ihre Filiale in Bratislava begann mit der Sendung drei Jahre später.

Erste Versuche mit der Rundfunksendung in der Slowakei kamen schon im Dezember 1925 im ostslowakischen Kosice zustande. Das erste Studio entstand im darauffolgenden Jahr in Bratislava. Es wurde auf der Bühne eines Theatersaals im sog. Regierungsgebäude am Donauufer errichtet. Dieser Saal diente dann jahrelang als Konzertsaal des Tschechoslowakischen Rundfunks in Bratislava.

Die erste Sendung aus diesem Provisoriumsstudio begann am 3. August 1926 um 18.30 Uhr. Damals meldete sich das Radio zum ersten Mal mit diesen Worten: "Hallo, Bratislava, wir senden auf der 300-Meter-Welle." Auf dem Programm stand ein Musik- und Chorkonzert, in dem bekannte Interpreten, wie z. B. der berühmte erste slowakische Tenor Dr. Janko Blaho auftraten.

Am Anfang wurde nur zweimal pro Woche gesendet - dienstags und freitags zwei Stunden lang für ungefähr 400 Konzessionäre. Die Programme waren eintönig, es überwiegte Musik.

Am 3. Oktober 1926 wurde die erste Direktübertragung aus dem Slowakischen Nationaltheater verwirklicht. Auf dem Programm stand Verdis La Traviata. Die Techniker versteckten das Mikrophon auf dem Souffleurkasten, so daß der akustische Eindruck ziemlich gut war. Das Slowakische Tagblatt konstatierte damals zufriedenstellend, man habe nur gering den Souffleur während der Übertragung gehört. Die ganze Vorstellung wurde durch dieses einzige Mikrophon übertragen.

Seit Oktober 1926 sendete man täglich, meist abends von 18 bis 20 Uhr, wobei die Sendestruktur sehr einfach war. Das Programm beinhaltete Vorlesungen, literarische Beiträge, Soloauftritte von Sängern und Musikinterpreten und natürlich Nachrichten. Einen dauerhaften Platz im Programm hatten von Anfang an slowakische Volkslieder.

Die Zahl der Rundfunkgeräte bei der Bevölkerung war zu dieser Zeit sehr niedrig. Trotzdem hatte die Rundfunksendung eine große kulturerzieherische Bedeutung. Die Leute auf dem Lande wurden zum ersten Mal mit einer anderen Kunstart als die der Volkskunst bekanntgemacht. Auch die Bewohner der ziemlich entlegenen Orte konnten dadurch den Konzertsaal oder das Theater kennenlernen. Schon damals war der Rundfunk auch Verbreiter der slowakischen Schriftsprache. Selbstverständlich konnte sich nicht jeder die teuren Rundfunkgeräte leisten. Auf dem Lande besaß sie nur der Notar, der Gastwirt und eventuell der Lehrer. Großzügige Bürger stellten diesen magischen Kasten ins Fenster, damit das ganze Dorf zuhören konnte.

Im November 1926 wurden in der Slowakei 6747 Konzessionäre gezählt. 1933 gab es in der Slowakei fast 58 000 Konzessionäre, 1937 überschritt ihre Zahl die 100 000.