„Abgang“ als Rückkehr – Premiere für das neue Havel-Stück

Regisseur David Radok und  Václav Havel (Foto: ČTK)

Er ist Schriftsteller, unbequemer Denker und Politiker – als seine eigentliche Heimat aber versteht der tschechische Ex-Präsident Václav Havel aber die Bühne. Mit seinem neuen, mit Spannung erwarteten Stück „Odcházení“ (Der Abgang) kehrt Havel nun erstmals nach dem Ausscheiden aus dem höchsten Staatsamt zum Theater zurück. Das Prager Theater Archa präsentiert die Welturaufführung. Thomas Kirschner weiß mehr.

Regisseur David Radok und  Václav Havel  (Foto: ČTK)
Melancholie des Abschieds macht sich breit auf der Bühne. Der Abgang, das ist die Geschichte eines alternden hochrangigen Politikers, der aus dem Amt scheidet. Mit dem Ende der Funktion löst sich auch die Welt rings umher auf. Das Stück greift Motive von Shakespeares König Lear auf; zugleich wirft Havel in der Tradition des absurden Theaters ironische Blicke in die Abgründe der menschlichen Groteske:

„Mich hat vor allem die allgemeine, die existentielle Bedeutung der Dinge interessiert. Wie kann es sein, dass jemand Macht verliert und ihm damit zugleich auch der Sinn des Lebens abhanden kommt? Wie ist es möglich dass Macht für manche Menschen solch ein Charisma besitzt, dass mit ihrem Verlust für sie die Welt zusammenbricht?“

David Radok,  Václav Havel und Direktor des Theaters Archa Ondřej Hrab  (Foto: ČTK)
Mit der Arbeit an dem Stück hatte Havel bereits vor der Wende begonnen. Revolution und die Wahl zum Staatspräsidenten haben die Fertigstellung verhindert. Ironie des Schicksals: Erst nach dem eigenen Abgang kommt der „Abgang“ nun auf die Bühne. Regie führt David Radok, der international vor allem für seine Operninszenierungen bekannt geworden ist.

„Das Stück enthält keine Lösung – es werden hier wirklich die existentiellen Fragen gestellt, über die Relativität der Werte, darüber was einen Wert hat im Leben und was nicht. Das sind Fragen, auf die noch niemand eine befriedigende Antwort gefunden hat. Es ist eine Betrachtung über die Relativität der Zeit und der Werte.“

Václav Havel  (Foto: ČTK)
Das viel beachtete Stück erlebt seine Premiere in einer für die Prager Theater kritischen Zeit. Der ODS-geführte Magistrat und Kulturstadtrat Milan Richter planen eine Neuordnung der Kulturförderung, die nach Befürchtung der Theaterszene vor allem für nicht-kommerzielle Bühnen das Aus bedeuteten könnte. Auch das neue Havel-Stück musste ganz ohne öffentliche Förderung auskommen. Aber nicht deshalb schließt sich der Ex-Präsident den Protesten gegen die Magistrats-Pläne an:

„Nie wissen wir, welche Investition sich auch welche Weise zu Gunsten einer Mehrheit auswirkt, Ich habe das in den Sechziger Jahren erlebt – damals waren drei, vier kleine Theater die Brutstätte für das Erwachen der Gesellschaft. Heute hat eine einzige Fernsehshow mehr Zuschauer als diese Theater zusammen im ganzen Jahr – aber sagt doch nichts darüber aus, welchen Einfluss diese Theater auf die Geschichte unsers Landes gehabt haben.“

Odchazeni – „Der Abgang“ wird im Prager Theater Archa gespielt. Die Vorstellungen sind bis auf weiteres ausverkauft. Zahlreiche ausländische Bühnen haben an dem Stück bereits ihr Interesse angemeldet.