Abgeordnete haben Vorsitzenden - Regierung weiter unklar

Miloslav Vlcek (Foto: CTK)

Das tschechische Abgeordnetenhaus hat einen Vorsitzenden. Nach zähen Verhandlungen wurde am Montag der Sozialdemokrat Miloslav Vlcek zum Chef der unteren Parlamentskammer gewählt. Zehn Wochen nach den Parlamentswahlen ist damit ein wichtiger Schritt gemacht worden, um die Blockade durch das Stimmenpatt zwischen rechtem und linkem Flügel zu überwinden. Allerdings noch nicht der entscheidende. Thomas Kirschner mit den Hintergründen

Miloslav Vlcek  (Foto: CTK)
Die Situation ist bezeichnend: Fast zweieinhalb Monate hat es gedauert, bis sich die beiden großen Parteien auf einen Modus zur Vergabe des Vorsitzes im Abgeordnetenhaus einigen konnten. Herausgekommen ist ein Chef auf Abruf. Gewählt wurde Miloslav Vlcek nur, weil er seinen Rücktritt quasi noch vor der Wahl erklärt hat. Gleich drei verschiedene Abtrittsszenarien musste Vlcek nach dem Übereinkommen zwischen Sozial- und Bürgerdemokraten den Abgeordneten versprechen:

"Zum ersten: ich werde zurücktreten, unmittelbar nachdem die Abgeordneten einer neuen Regierung das Vertrauen ausgesprochen haben. Zweitens: unmittelbar nachdem ein Kandidat aus der gleichen Partei wie der Vorsitzende des Abgeordnetenhauses zum Premierminister ernannt wird. Und drittens trete ich zurück, bevor ich das verfassungsgemäße Recht des Abgeordneten-Chefs wahrnehme, einen Premierminister zu nominieren."

Letzteres war die Hauptsorge der Bürgerdemokraten, denn wenn der angehende ODS-Premier Mirek Topolanek zweimal bei der Vertrauensabstimmung scheitert, dann geht für einen dritten Versuch das Ernennungsrecht vom Präsidenten auf den Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses über. Auch wenn Vlcek sich über seine Platzhalter-Rolle keine Illusionen machen kann, sieht er die Wahl als wichtig an:

Mirek Topolanek
"Es gibt einfach Dinge, die keinen weiteren Aufschub mehr dulden. Auf dem Schreibtisch des Vorsitzenden liegt eine Reihe von Gesetzen, die nicht an den Präsidenten weitergeleitet werden konnten. Der Haushalt für das nächste Jahr muss vorbereitet werden, und so weiter."

Aber nicht nur das Abgeordnetenhaus kann nun endlich seine Arbeit aufnehmen. Auch die Regierungsbildung geht in die nächste Runde, denn nun ist der Weg frei für den Rücktritt des alten Kabinetts, den Noch-Premier Jiri Paroubek für Mittwoch angekündigt hat, und die Ernennung einer neuen Regierung durch Präsident Klaus. Auf welche Koalition die sich stützen kann, das ist allerdings noch völlig unklar. Auch der zukünftige Regierungschef Mirek Topolanek kann nur auf weitere Gespräche verweisen:

"Jetzt gehen die Verhandlungen um das Regierungsprogramm weiter. Wir wollen das so schnell wie möglich in den nächsten Stunden oder Tagen abschließen und versuchen, auch die kleineren Parteien zu überzeugen. Die Verhandlungen werden immer komplizierter, aber ich hoffe, dass nach der Auflösung der Blockade im Abgeordnetenhaus nun auch die Regierungsbildung in Gang kommt."

Ein Optimismus, den Topolaneks sozialdemokratischer Kontrahent Jiri Paroubek allerdings nicht teilt. Er habe ganz offen zu ODS-Chef Topolanek gesagt: Wenn die Verhandlungen so weitergehen, habe er seine Zweifel, ob eine Lösung erreicht werden könne, so Paroubek jovial zu wartenden Journalisten. Keine Frage: Mirek Topolanek hat den politischen Preis für eine ODS-Regierung noch nicht bezahlt.