Regierung Topolánek übersteht Misstrauensvotum – Premier aber weiter unter Druck
Die tschechische Politik durchlebt dieser Tage erneut stürmische Zeiten: Am letzten Wochenende musste die stärkste Parlamentspartei, die Bürgerdemokraten (ODS), erdrutschartige Verluste bei den Kreiswahlen einstecken. In der zweiten Runde der Senatswahlen, die am Freitag und Samstag stattfindet, will die ODS nun wenigstens ihre Mehrheit in der oberen Parlamentskammer verteidigen. Und zwischen diesen beiden Wahlen wurde der tschechischen Regierung am Mittwoch im Prager Abgeordnetenhaus ein weiteres Mal die Vertrauensfrage gestellt. Patrick Gschwend im Gespräch mit Lothar Martin.
„Die Kampagne der Sozialdemokraten zu den Kreis- und Senatswahlen war so ausgerichtet, dass der Wähler äußern sollte, ob er mit der Reformpolitik der Regierung zufrieden sei. Schnell spürte die Opposition, dass das mehrheitlich nicht der Fall ist. Daher hatte Oppositionsführer und Sozialdemokratenchef Jiří Paroubek schon vor dem Ausgang der Kreiswahlen verkündet, dass seine Partei die Vertrauensfrage zwischen der ersten und zweiten Runde der Senatswahlen stellen werde. Sozusagen als Test, wie geschlossen bzw. geschwächt die Reihen der Regierungskoalition nach der Wahlschlappe sind. Und es hat sich gezeigt, dass das Regierungslager im Abgeordnetenhaus keine absolute Mehrheit mehr hat: Drei Rebellen aus der ODS haben sich der Stimme enthalten. Zwei mit der eigenen Parteiführung unzufriedene Abgeordnete der Grünen haben vor der Abstimmung den Saal verlassen und zwei der vier sozialdemokratischen Überläufer haben ebenso nicht abgestimmt. Dennoch: Die 96 Stimmen der Opposition reichten nicht, um die Regierung zu stürzen, dazu ist die Abgeordnetenmehrheit von 101 Stimmen nötig. Aber, so paradox es klingt, auch dieses Ergebnis hilft der Opposition weiter. Wenn die Regierung nämlich jetzt zu Fall gekommen wäre, dann hätten die ČSSD-Wähler unter Umständen die Motivation verloren, an der zweiten Runde der Senatswahlen teilzunehmen.“
Die Regierung hat das Votum also überstanden, wenn auch nur mit hauchdünner Mehrheit. Was bedeutet das für die Position von Premier Mirek Topolánek?„Maximal eine Atempause. Bei der bereits angesprochenen zweiten Runde der Senatswahlen muss die ODS, um ihre Mandatsmehrheit zu verteidigen, zumindest neun der 26 Senatorensitze, die zu vergeben sind, gewinnen. Sollte das nicht gelingen, muss Topolánek in seiner Partei mit Konsequenzen rechnen. Und selbst wenn die ODS in den Senatswahlen ein gutes Ergebnis erzielen sollte, die totale Pleite bei den Kreiswahlen ist damit noch nicht vom Tisch. Gerade die ODS-Funktionäre, die wegen der ihrer Meinung nach in der Regierungspolitik gemachten Fehler den Posten eines Kreishauptmanns verloren haben, werden Topolánek dafür beim ODS-Parteitag im Dezember zur Rechenschaft ziehen wollen. Topolánek sieht also seine Felle so oder so davonschwimmen, weshalb er nun nach Rettungsankern sucht. Einer davon könnte die bevorstehende EU-Ratspräsidentschaft sein, die Tschechien auf keinen Fall mit einer instabilen Regierung bestreiten will. Und deshalb hat Topolánek Oppositionsführer Paroubek gleich nach dem überstandenen Misstrauensvotum einen politischen Burgfrieden für die nächsten Monate angeboten. Paroubek aber hat abgelehnt.“