Archäologen untersuchen 7000 Jahre alte Kreisgrabenanlage bei Prag

Ein Rondell, das im Vinoř-Viertel am Stadtrand von Prag entdeckt wurde

Kreisgrabenanlagen, auch Rondelle genannt, sind massive Bauwerke prähistorischer, insbesondere jungsteinzeitlicher Kulturen in Mitteleuropa. Sie sind älter als das berühmte Stonehenge in Großbritannien. Wissenschaftler untersuchen jetzt eine solche Anlage am Rande Prags.

Miroslav Kraus | Foto: Tschechisches Fernsehen

Auf einem Feld im Prager Stadtteil Vinoř, auf dem derzeit neue Wohnhäuser gebaut werden, haben Archäologen die Überreste eines kreisförmigen prähistorischen Bauwerks freigelegt. Dieses Rondell wurde dort vor fast 7000 Jahren errichtet. Es hat ein Durchmesser von 55 Metern und verfügt über drei Eingänge. Die Überreste werden derzeit gründlich untersucht. Miroslav Kraus arbeitet im Archäologischen Institut der Akademie der Wissenschaften in Prag:

„Der Graben – das ist der Hauptteil des Rondells – ist etwa drei Meter breit und zwei Meter tief. Davor befand sich ein Wall, der aus der ausgegrabenen Erde aufgeschüttet wurde. Innerhalb des Grabens gibt es noch drei Ringe mit Rillen, in denen Palisaden versenkt waren.“

Foto: Labrys

Bisher wurden in Europa etwa 200 Kreisgrabenanlagen dieser Art entdeckt. Die damaligen Menschen bauten sie mit primitiven Werkzeugen aus Holz, Stein oder Tierknochen. Über den Zweck der außerordentlichen Bauwerke würden Debatten geführt und es gebe mehrere Theorien dazu, sagt Kraus:

„Einer Theorie zufolge hatte das Bauwerk eine sozio-ökonomische Funktion. Das heißt, es war ein Ort, an dem sich Menschen trafen und Waren austauschten, also eine Art Marktplatz. Die wohl meistverbreitete Theorie sagt jedoch, dass diese Anlagen als Kultstätten dienten. Dort sollen Rituale durchgeführt worden sein, etwa anlässlich der Initiation Heranwachsender, der landwirtschaftlichen Jahreszyklen oder der Sternenbeobachtung.“

Foto: Archäologisches Institut der tschechischen Akademie der Wissenschaften

Die Form der Anlage in Vinoř entspreche anderen Funden in Europa, einzigartig seien aber die drei entdeckten Eingänge in die Anlage, sagt Archäologe Kraus. Ungewöhnlich ist auch der gute Zustand, in dem das Rondell vorgefunden wurde:

„Erhalten geblieben ist das ganze Rondell, nicht nur der Graben, sondern auch die Palisadenrillen. Dies ist heute, angesichts von Landwirtschaft und dem Beackern der Felder, nicht häufig der Fall.“

Das Rondell in Vinoř wurde bereits in den 1980er Jahren beim Bau von Infrastrukturnetzen entdeckt und zehn Jahre später zum Teil untersucht. Bei den nachfolgenden Forschungen fanden die Wissenschaftler unter anderem heraus, dass sich nordöstlich der Kreisgrabenanlage eine jungsteinzeitliche Siedlung befand, die etwa 300 bis 400 Jahre lang bewohnt war.

Foto: Archäologisches Institut der tschechischen Akademie der Wissenschaften

Bei den jetzigen Forschungsarbeiten, die noch bis Ende September laufen sollen, wollen die Archäologen 90 Prozent der Anlage freilegen. Das ermöglicht den Experten unter anderem, Proben für Datierungen und weitere naturwissenschaftliche Analysen aus unterschiedlichen Teilen des Baus zu entnehmen.

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Autoren: Markéta Kachlíková , Štěpán Sedláček
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