Auf Pump leben bringt immer mehr Tschechen Probleme

"Brauchen Sie Geld? Dann wenden Sie sich an uns! Wir haben eine Lösung für Sie parat!" Mit diesen oder ähnlichen Slogans annoncieren mittlerweile immer mehr Geldinstitute ihre "Hilfsbereitschaft", von der die Tschechen oft und gern hören, Tendenz steigend. Viele von ihnen unterschätzen dabei jedoch ihre Zahlungskraft überschätzt und müssen nun den Ausweg aus der Bredouille suchen. Der ist allerdings oft kompliziert und mühsam. Warum, das erfahren Sie im folgenden Beitrag von Jitka Mladkova:

Die Zahlen der Zentralbank sprechen eine klare Sprache: Im Jahr 2005 ist die Verschuldung tschechischer Privathaushalte auf insgesamt 418 Milliarden Kronen (knapp 15 Milliarden Euro) gestiegen. Etwa zwei Drittel dieser Schuldensumme entfallen auf langfristige Kredite zur Finanzierung des Wohnungs- oder Hausbaus. Ständig steigt aber auch die Zahl derjenigen, die vor allem Konsumgüter jeder Art auf Raten kaufen, und auch hier mehren sich die Probleme mit der Rückzahlung:

"In unseren Beratungsstellen werden wir immer häufiger mit der Frage konfrontiert, was zu machen ist, wenn man sich verschuldet hat und unter den Druck eines oder mehrerer Geldinstitute gekommen ist,"

... sagt David Smejkal, der Vizevorsitzende des tschechischen Vereins für Verbraucherschutz SOS. Diese Organisation setzt auf Einzelfallhilfe, indem sie sich um die Rechte ihrer Klienten kümmert und als Vermittler zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner fungiert. Derartige Vereine gibt es in Tschechien nicht viele. In den meisten Fällen geht es aber nicht um Prävention, denn die meisten Menschen kommen, wie Smejkal sagt:

"...Erst wenn Ihnen das Wasser bis zum Hals steht."

Sich aber vorher schlau zu machen, ist in Tschechien nicht leicht. Die Aufnahme eines Kredits ist nämlich nicht das eigentliche Problem in Tschechien, von Ratenzahlungsangeboten wird man auf Schritt und Tritt berieselt. Schwierig ist es erst dann, wenn man als Konsument in schwierige Situationen wie Arbeitslosigkeit oder Einkommensverlust, kurzum in die Insolvenz gelangt ist. Hilfe im Dschungel der legislativen Schlupflöcher und Reklametricks gibt es wenig, von vorbeugender Beratung ganz zu schweigen.

Nun aber sind die ersten Initiativen endlich da. Der Verein SPES, der sich auf die so genannte finanzielle Kompetenzbildung spezialisiert, veranstaltete vorige Woche im Gebäude des Prager Abgeordnetenhauses ein Fachseminar, zu dem man sich Experten aus Großbritannien und Deutschland holte. Ein wertvoller Auftakt, wie sich zeigte, denn zum Seminar haben sich unerwartet viele interessierte Organisationen angemeldet, die künftig auf dem vernachlässigten Sektor der Finanzerziehung von Otto Normaverbraucher tätig sein wollen. Man muss sich jedoch fragen, warum solche Initiativen hierzulande erst jetzt ergriffen werden, wenn das rote Warnsignal bereits leuchtet. Der sozialdemokratische Abgeordnete Jaroslav Vlcek, Chef des parlamentarischen Wirtschaftsausschusses und Schirmherr des Seminars, hat dafür eine simple Erläuterung:

"Auch andere Länder haben ihr Hilfeleistungssystem nicht im Handumdrehen aufgebaut und mussten eine entsprechende Entwicklung durchmachen. Wir sind gerade am Anfang dieser Entwicklung. Deswegen findet dieses Seminar statt, weitere werden folgen. Wir werden Erfahrungen anderer Länder, die auf diesem Gebiet schon weiter sind, übernehmen und unseren Verhältnissen anpassen. Einen dritten Weg wollen wir nicht gehen."

Tschechien steht also am Anfang der Auseinandersetzung mit dem Problem der wachsenden Verschuldung seiner Bevölkerung. Mehr als auf den Staat selbst kann man offenbar auf die Aktivitäten verschiedener Bürgerinitiativen hoffen.