Aus Úvalno über Wien in die USA und zurück: Das Schicksal von Hans Kudlich

Hans Kudlich (Foto: Martina Schneibergová)

Er ist in die Geschichte als „Bauernbefreier“ eingegangen: Hans Kudlich (1823-1917) hat sich 1848 um die Aufhebung der bäuerlichen Erbuntertänigkeit verdient gemacht. Der österreichische Politiker und Arzt stammte aus Úvalno / Lobenstein in Mährisch-Schlesien. Noch zu seinen Lebzeiten wurde dort ein Aussichtsturm nach ihm benannt. Kudlich starb 1917 in den USA. Anlässlich seines 100. Todestags wurde eine Wanderausstellung im nordböhmischen Chomutov / Komotau eröffnet. Zusammengestellt wurde die Schau von Walter Kudlich, dem Urgroßneffen des Bauerbefreiers, in Zusammenarbeit mit dem Regionalmuseum in Chomutov / Komotau.

Walter Kudlich  (Foto: Martina Schneibergová)
Herr Kudlich, stammen Sie auch aus Schlesien wie der berühmte Bauernbefreier?

„Ja, ich stamme auch aus dieser Gegend. Mein Vater ist in Lobenstein, heute Úvalno, geboren, und ich bin 1939 im Nachbarort Brumovice / Braunsdorf zur Welt gekommen.“

Ihr Urgroßvater war der Bruder von Hans Kudlich. Sie sind also Kudlichs Urgroßneffe…

„Mein Urgroßvater hieß Ignaz, er war der ältere Bruder von Hans Kudlich und der jüngere Bruder von Josef Hermann Kudlich. Josef Hermann, das ist vermutlich weniger bekannt, war Abgeordneter im ersten deutschen Parlament, in der Paulskirche in Frankfurt.“

Sie haben bestimmt viel über Ihren Urgroßonkel gelesen und geforscht. Wie erklären Sie sich, dass aus ihm ein Revolutionär geworden ist?

„Er sah nun die Möglichkeit, in der Revolution das zur Vollendung zu bringen, was ihm von seinem Vater eingeimpft worden war.“

„Das war eine interessante Entwicklung. Sein Vater gehörte zu denjenigen, die aufgeklärt und aktiv waren, allerdings nur regional. Für den Vater war die Schulbildung von Hans Kudlich wichtig. Er sollte möglichst als Jurist die Befreiung der Bauern unterstützen. Die Mutter meinte jedoch, Hans müsste Priester werden.“

Nach einem abenteuerlichen Weg ist er aber schließlich Arzt geworden. Wie kam es dazu?



Hans Kudlich  (Foto: Martina Schneibergová)
„Das war wahrscheinlich seine persönliche Leidenschaft. Aber zuerst hat er das Abitur in Troppau gemacht und in Wien Jura studiert. Als er mit dem Studium fertig war, ist 1848 die Revolution in Wien ausgebrochen. Er sah nun die Möglichkeit, in der Revolution das zur Vollendung zu bringen, was ihm von seinem Vater eingeimpft worden war. Als jüngster Abgeordneter des Reichstags stellte er den Antrag zur Aufhebung der bäuerlichen Erbuntertänigkeit. Der Antrag wurde auch beschlossen und ist rechtskräftig geworden. Nach der Revolution musste sich Kudlich aus Österreich absetzen, weil er dort gesucht wurde. Er ist über Frankfurt in die Pfalz gegangen und hat sich dem dortigen Aufstand angeschlossen. Er hat in der provisorischen Regierung der Pfalz ein Amt innegehabt. Nach dem Ende des Aufstands flüchtete er in die Schweiz. Dort studierte er das, was er immer wollte, und ist Arzt geworden. Österreich verlangte seine Auslieferung, schließlich konnte sich die Schweiz nicht mehr widersetzen. Kudlich musste darum in die USA auswandern. Dort hat er insbesondere gegen die Sklaverei gekämpft und hat Abraham Lincoln unterstützt. Er war im öffentlichen Leben von Hoboken bei New York aktiv und ist dort sehr bekannt geworden. Als er 1917 verstarb, ist er in den USA eingeäschert worden. 1924 wurden seine Urne und die seiner Frau in Kudlichs Geburtsort Lobenstein zurückgebracht und in der nach ihm benannten dortigen Warte beigesetzt.“

„Es war ein sozialer Umbruch großen Ausmaßes.“

Es wird erzählt, dass der letzte Satz von Hans Kudlich lautete: „Ich will heim“. Haben Sie davon gehört?

„Dieser Satz mag stimmen.“

Ist Hans Kudlich heutzutage in Österreich und in Deutschland ein Begriff?

Revolution 1848 in Wien
„Es wäre übertrieben, wenn ich sagen würde, dass er ganz generell ein Begriff ist. Unter der älteren Generation ist er wohl noch sehr bekannt, unter den jüngeren Menschen leider nicht mehr. Das liegt daran, dass sich die heutigen Schüler auf andere Schulfächer konzentrieren müssen. Das gilt für Österreich sowie für Deutschland, und da kommt Hans Kudlich als solcher nicht mehr vor. Speziell in Deutschland nicht. Dort lehrt man die bayerische oder preußische Geschichte, aber nicht die österreichische.“

Worin sehen Sie die größten Verdienste Ihres Verwandten?

„Ich denke, Hans Kudlich hat den ganzen Umbruch, der bei Maria Theresia begonnen hatte und von Joseph II. weitergeführt wurde, in der Revolution von 1848 zu Ende gebracht. Es war ein sozialer Umbruch großen Ausmaßes in Österreich.“

Sie haben einen Verein gegründet, der sich mit Hans Kudlich beschäftigt. Was war der Beweggrund?

„Die Hans-Kudlich-Warte in Úvalno konnte 2000 repariert werden.“

„Ich habe mich bereits vor der Samtenen Revolution in Lobenstein umgesehen und habe dort festgestellt, dass die Hans-Kudlich-Warte baufällig war. Ich dachte mir, dass man hier etwas unternehmen müsse. Auch habe ich Fachleute gefragt und wurde in meiner Meinung bestärkt, dass man das Denkmal retten sollte. Ich habe als Einzelkämpfer versucht, Unterstützer in Bayern sowie im Ministerium damals noch in Bonn zu finden. Als Einzelperson bin ich aber auf die lange Bank geraten. Da dachte ich mir, ich brauche ein offizielles Organ. Das war der Grund, warum 1997 der Verein gegründet wurde. Er heißt Freundeskreis Bauernbefreier Hans Kudlich e.V.“

Hans-Kudlich-Warte in Úvalno/Lobenstein  (Foto: BíláVrána,  Public Domain)
Dank dem Verein wurde dann die Warte in Stand gesetzt?

„Ja, das bot die Möglichkeit, an die Öffentlichkeit zu gehen und Leute zu finden, die das ganze Unternehmen unterstützten. So konnte dann die Warte im Jahr 2000 repariert werden. Ich möchte noch bemerken, zuvor ist auch der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds gegründet worden, der dann auch wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Warte repariert werden konnte.“

Wie ist die jetzige Wanderausstellung zustande gekommen, die in Chomutov eröffnet wurde?

„Die Idee wurde bei einem Symposium geboren, das im Januar 2015 in Waldkraiburg in Bayern abgehalten wurde. Es nahmen daran auch Vertreter des tschechischen Vereins Omnium teil, der sich um die Erhaltung historischer Sehenswürdigkeiten kümmert. Damals habe ich die Homepage des Freundeskreises erwähnt und bekam schon tags darauf das Echo, dass bald ein Gedenkjahr anstünde. Denn Hans Kudlich starb 1917 in den USA. Das war der Anlass dafür, eine Wanderausstellung zusammenzustellen, die in Tschechien, Deutschland und Österreich gezeigt werden soll.“

Heutzutage erinnern zahlreiche Denkmäler an Hans Kudlich, es wurden nach ihm aber auch viele Straßen und Plätze benannt. Sie haben mit dem Freundeskreis eine Liste zusammengestellt. Wie sind Sie dabei vorgegangen?

Hans-Kudlich-Denkmal in Úštěk/Auscha  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
„Ich persönlich denke, dass nicht durch Denkmäler, sondern viel mehr durch Straßen an bestimmte Personen erinnert wird. Auf dem heutigen Gebiet Tschechiens gab es früher sehr viele Kudlich-Straßen. Ich habe aber nach bestehenden Straßen gesucht und nicht nach denen, die es nicht mehr gibt. Auf der Homepage sind zudem Verzeichnisse von Kudlich-Straßen und Plätzen, die es in Deutschland und in Österreich gibt.“

Kommen Sie im September auch zur Eröffnung der Wanderausstellung nach Úvalno?

„Bei der Eröffnung der Ausstellung in Úvalno bin ich natürlich dabei. Ich bin sehr häufig nach Úvalno gefahren, denn das war erforderlich, um die Warte zu restaurieren. Ich habe dort sehr viele Freunde gefunden. Ich brauche die Unterstützung der Gemeinde, wenn etwas gemacht werden muss. Das ist bisher immer gelungen.“

Die tschechisch-deutsche Ausstellung über Hans Kudlich ist bis 18. März im Regionalmuseum in Chomutov zu sehen. Das Museum ist von Dienstag bis Freitag von 10 bis 17 Uhr und am Samstag von 9 bis 14 Uhr geöffnet. Die Ausstellung wird später nach Waldkraiburg in Bayern weiterziehen sowie nach Linz und Poysdorf in Österreich. In Kudlichs Geburtsort Úvalno wird die Exposition ab 13. September gezeigt.