„Außergewöhnliche Lösung“ - Vorsitzender des Fußballverbandes wird Nationaltrainer

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Seit Dienstagabend hat Tschechien endlich einen neuen Fußballnationaltrainer. Es ist erstaunlicherweise der neue Verbandschef selbst: Ivan Hašek. Wie kam es zu der ungewöhnlichen Entscheidung?

Ivan Hašek  (Foto: ČTK)
Diese Woche befragte eine Zeitung den Spielmacher der tschechischen Fußballequipe, Tomáš Rosický, zur Wahl des neuen Verbandsvorsitzenden Ivan Hašek. Der Mittelfeldstar antwortete: „Ich vertraue ihm, auch wenn ich ihn weiterhin vor allem für einen guten Trainer halte.“ Nun hat Rosický den guten Trainer aus seinen Zeiten bei Sparta Prag zurück. Hašek leitet zusätzlich die Nationalelf, wenn auch nur übergangsweise – bis zum Ende der WM-Qualifikation im Herbst. Für die Doppelfunktion des obersten Fußballfunktionärs stimmte der Verbandsvorstand einstimmig.

„Wir befinden uns derzeit sicher in einer außergewöhnlichen Lage, die eine schnelle Lösung erfordert. Es ist gewiss nicht der normale Weg, dessen sind wir uns bewusst. Ich trage dafür die Verantwortung und bin bereit, mich auch mit der entsprechenden Kritik auseinander zu setzen“, so Hašek am Dienstag in Prag.

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Statt außergewöhnlich könnte man die Lage auch ernst nennen. Denn mitten im Qualifikationszyklus musste ein geeigneter Übungsleiter gefunden werden. Top-Kandidat Karel Jarolím von Meister Slavia Prag, den viele Fachleute derzeit für den besten tschechischen Coach halten und den Hašek aus gemeinsamen Trainertagen in Straßburg gut kennt, erteilte eine Absage. Jarolím will sich auf die Arbeit im Verein konzentrieren. Dass nun der Verbandschef selbst die Verantwortung übernimmt, ist so abwegig nicht. Der 45-jährige Hašek trug 56-mal das Nationaltrikot als Spieler, darunter als Kapitän bei der WM 1990. Er bringt zudem internationale Erfahrung als Trainer mit, führte Sparta Prag zu zwei Meistertiteln und kennt die Nationalelf bereits als Assistenztrainer. Ein weiterer Aspekt: Ivan Hašek wird nicht allein sein. Wie angekündigt kehrt Trainerfuchs Karel Brückner zurück – diesmal als Berater. Dass der 69-Jährige zuletzt weder in Tschechien, noch in Österreich erfolgreich war, sieht Hašek nicht als Problem:

Karel Brückner  (Foto: Ondřej Prokop / ČRo)
„Ich glaube, Brückner hat noch viele Ideen, viel Energie und eine Menge strategischer Pläne für den tschechischen Fußball. Ich bin froh mit ihm zusammenzuarbeiten. Er hat sehr viel mehr Erfahrung als ich und meine Assistenztrainer. Er verhilft uns sicher zu einer anderen fachlichen Sicht. Brückner hat zwar die Rolle eines Beraters, wird aber auch bei allen Trainingseinheiten der Nationalmannschaft dabei sein, um die technische und taktische Vorbereitung zu unterstützen.“

Damit meine er beispielsweise Standardsituationen, so Hašek. Alle Mittel will man also nutzen, um das fast Unmögliche doch noch zu erreichen: die Qualifikation zur WM in Südafrika. Dazu braucht es vier Siege aus den ausstehenden vier Begegnungen im Herbst sowie ein Straucheln mindestens zweier direkter Konkurrenten.

„Das Ziel ist enorm schwer zu erreichen, es ist aber noch nicht alles verloren. Die Chance besteht weiter, wie ich den Spielern und allen Leuten drum herum anmerke. Wir müssen um sie kämpfen, aber ich glaube, gemeinsam schaffen wir es“, sagte der neue Nationaltrainer.

Immerhin gibt es mittlerweile positive Nachrichten aus dem Spielerlager: Denn Hašek wird auch Rosický zurückhaben. Der Mittelfeldstar hat bei seinem Verein Arsenal London in dieser Woche erstmals wieder unter voller Belastung trainiert. Anderthalb Jahre lang laborierte der derzeit wohl beste tschechische Spieler an einer Knieverletzung.

Sollte der Erfolg tatsächlich ins Nationalteam zurückkehren, dann beflügelt das sicher auch Hašeks Arbeit als Verbandschef. Andersherum gilt aber: Ein Misserfolg als Trainer kann enorm schaden bei dem Vorhaben, den Fußballverband zu modernisieren und von Vetternwirtschaft und Korruption zu befreien. Die Doppelfunktion ist für Ivan Hašek also ein zweischneidiges Schwert.

Autor: Till Janzer
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