Ausstellung "Gesichter der Macht" zeigt ehemalige Mitarbeiter der Staatsicherheit
Zwei nahezu identisch gestaltete Ausstellungen zeigen im Stadtzentrum von Prag und Brünn überlebensgroße Porträts ehemaliger Mitarbeiter des kommunistischen Staatsicherheitsdienstes. Ein Weg der Vergangenheitsbewältigung oder ein öffentliches An-den-Pranger-Stellen willkürlich ausgewählter Personen? Radio Prag ist dieser heiklen Frage nachgegangen.
„František Němec, geboren am 14. September 1921, gestorben am 29. August 1992. Fünf Jahre Volksschule, drei Jahre Bürgerschule. 1936-38: Industriefachschule in Frýdek-Místek. 1954-55 Studium in der UdSSR. 1965 Promotion zum Doktor der Rechte an der Juridischen Fakultät der Prager Karlsuniversität. 1974-77: Mehrere Post-Graduate-Kurse in Moskau.
Mitglied der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei seit 1945. Eintritt in die Staatsicherheit. 1953: 10.000 Kronen Prämie für außerordentliche Leistungen in der Staatssicherheit. 1955: „Medaille des Vaterlandes“ 1970: „Ehrenzeichen der Staatsicherheit“.Josef Ripl, geboren am 24. Februar 1924, gestorben am 1. Dezember 1984. Fünf Jahre Volksschule, vier Jahre Bürgerschule, drei Jahre weiterführende Schule. Ausbildung zum Dreher. ..."
„Tváře moci“ – „Die Gesichter der Macht.“ So heißt die Ausstellung, die seit vergangener Woche auf dem Prager Wenzelsplatz zu sehen ist. Eine ganz änhliche Schau ist seit Ende Oktober auf dem Freiheitsplatz im Zentrum der mährischen Metropole Brünn zu betrachten. Anlass ist der 19. Jahrestag der so genannten „Samtenen Revolution.“ Jenes friedlichen Bürgeraufstandes, der im November 1989 den Zusammenbruch des Kommunismus und den beinahe unblutigen Übergang zum demokratischen System eingeleitet hat.
Sowohl die Ausstellung in Prag als auch die Schau in Brünn hat das Institut zum Studium der totalitären Regimes gestaltet. Desen Sprecher, Jiří Reichel erläutert die Intention der Ausstellungsmacher:
„Unser Ziel ist, die Gesichter der Macht zu zeigen. Die Gesichter jener ganz konkreten Personen, die sich an der Verfolgung Unschuldiger beteiligt haben.“Die Gesichter einiger mehr oder weniger zufällig ausgewählter früherer Mitarbeiter der kommunistischen Staatsicherheit zeigt die Ausstellung in der Tat. Auch über deren Schulbildung, das Datum ihres Eintritts in die KP, ihre Diplome und die für ihre Verdienste um den totalitären Staat verliehenen Orden erfährt der interessiert Pasant jedes Detail. Doch ihre konkreten Taten bleiben im Dunkeln. Wen haben sie verraten, wen stundenlang verhört, womoglich körperlich oder psychisch unter Druck gesetzt?
Für einige Historiker ist die Ausstellung im öffentlichen Raum schlicht ein An-den-Pranger-Stellen einiger ausgewählter früherer Mitglieder der Staatsicherheit. Viele davon sind bereits verstorben und können sich daher auch nicht mehr wehren oder rechtfertigen.
„Diese Personen werden in aller Öffentlichkeit angeschwärzt. Hier kann jeder einen symbolischen Stein nach ihnen werfen. Diese Leute müssen sich auch nicht unbedingt mit diesem Regime identifiziert haben. Auch wenn das jetzt hier so dargestellt wird“, so der Historiker Pavel Mücke vom Institut für Zeitschechichte der Tschechischen Akademie der Wissenschaften im Tschechischen Fernsehen.Die Austellungsmacher verteidigen ihr Konzept. Die Daten und die Bilder kämen direkt aus dem Archiv der Staatssicherheit. Und diese Orginaldokumente wolle man der Öffentlichkeit nicht vorenthalten. Die überlebensgroßen Porträts sollen die Passanten zum Stehenbleiben anregen, zum Nachdenken über diese Zeit aufforden. Milan Barta, einer der Co-Autoren der Ausstellung ergänzt:
„Wir haben uns bemüht, die Porträts so auszuwählen, dass sie der Tätigkeit der Staatssicherheit ein konkretes Gesicht geben.“
Hat man die gezeigten Personen oder deren Nachfahren eigentlich gefragt, ob sie mit der Veröffentlichung der Fotos und ihrer persönlichen Daten überhaupt einverstanden sind? Nein, sagt der Sprecher des Instituts zum Studium der totalitären Regimes. Auch informiert hat man sie nicht über die beabsichtigte Veröffentlichung. Einige Betroffene haben sich daher bereits an das Institut gewandt, um gegen die Verwendung der Daten zu protestieren. Dort beruft man sich allerdings auf das tschechische Archivgesetz, das ein derartiges Vorgehen ermögliche. Instituts-Sprecher Reichel befürchtet jedenfalls keine rechtlichen Konsequenzen:„Wir haben keine Angst, dass uns jemand verklagen wird. Die Daten stammen aus den ofiziellen Personalakten. Da ist nichts, was wir erfunden hätten. Alles basiert auf Dokumenten, die im Archiv der Staatsicherheitsdienste vorhanden sind. Jeder Bürger kann zu uns kommen und Einsicht in die Originalakten nehmen.“
Aber sollte einer der Betroffenen das Bedürfnis haben, sich zu äußern, könne er sich gerne an das Institut zum Studium der totalitären Regimes wenden. Man werde seine Aussage protokollieren und entsprechend dokumentieren, etwa auf den Internetseiten des Instituts.
Soweit die – recht unterschiedlichen Meinungen der Experten. Was sagen aber eigentlich die Passanten zu der Ausstellung.
„Auf der einen Seite ist das fein. Andererseits: Ich weiß nicht, ob das heute noch einen Sinn hat. Das hätte besser vor fünfzehn Jahren hier sein sollen.“
„Auf mich wirkt das schrecklich. Ich bin wahrscheinlich genau im Alter dieser Leute.“
„Ich war hergekommen, um mir das anzusehen. Aber eigentlich finde ich es total überfüssig, diese Dinge jetzt auszugraben.“
Die Ausstellung in Prag läuft noch bis zum 12. Dezember, jene in Brünn bis Ende nächste Woche.