„Milan Kundera war es nicht“ – sagt Literaturwissenschaftler Zdeňek Pešat

Milan Kundera

Vor ein paar Tagen geriet Milan Kundera, der weltberühmte Schriftsteller mit tschechischen Wurzeln, unter Druck. Dokumente scheinen zu belegen, dass er vor 58 einen Antikommunisten denunziert hat. Jetzt hat sich ein ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter der Karls-Universität gemeldet und bezeugt Kunderas Unschuld.

Zur Rekapitulation: Der heute in Frankreich lebende Kundera soll 1950 in der Tschechoslowakei einen kommunistischen Widerstandskämpfer bei der Sicherheitspolizei angezeigt haben. Das ergaben Dokumente, die das Institut zum Studium totalitärer Regime am Montag veröffentlicht hat. Der angezeigte Miroslav Dvořáček hatte 1949 die Tschechoslowakei verlassen und kehrte als westlicher Agent zurück, um Informationen zu beschaffen. Nach der Denunzierung wurde er verhaftet, entging zwar der Todesstrafe, verbrachte aber 14 Jahre in kommunistischen Gefängnissen und Uranminen.

Miroslav Dvořáček  (Foto: ČTK)
Der medienscheue Milan Kundera war zu Wochenbeginn gezwungen aus der Deckung zu gehen. Er halte das für eine Lüge, ein Attentat rechtzeitig verübt zur Frankfurter Buchmesse. Jetzt hat Kundera Schützenhilfe bekommen. Der Literaturwissenschaftler Zdeňek Pešat war damals noch Student, zugleich aber Mitglied im kommunistischen Parteiausschuss seiner Fakultät an der Karls-Universität. Pešat behauptete am Mittwoch gegenüber der Presseagentur ČTK, der Denunziant sei Miroslav Dlask gewesen. Dlask selbst habe ihm gesagt, dass er Dvořáčeks Aufenthaltsort der Sicherheitspolizei gemeldet habe, so Literaturwissenschaftler Pešat. Nach bisherigen Zeugenaussagen soll Dlask den Aufenthalt des Widerstandskämpfers nur weitergeleitet haben. Eben an Kundera.

Der Sprecher des Instituts zum Studium totalitärer Regime, Jiří Reichl, bekräftigte nun noch einmal, es gebe keinen Grund zum Zweifel an den Zeugenaussagen und an der Echtheit der Polizei-Dokumente:

„Das Dokument ist ordentlich numeriert und es steht dort, dass Milan Kundera die Anzeige erstattet hat. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass es anders war.“

Auch der Historiker Prokop Tomek zweifelt nicht am Dokument:

„Das Dokument sieht aus wie alle anderen Dokumente im Archiv der Staatssicherheit. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass das Dokument ge- oder verfälscht wurde. Der Name Kundera tauchte in keiner Evidenz auf. Niemand konnte annehmen, dass man dort ein Protokoll findet, das den Namen Kundera trägt.“

Der Fall Kundera ist wohl noch nicht ausgestanden. Er wird möglicherweise noch weitere Stimmen zu Gehör bringen.