Streit um die Leitung des Instituts für das Studium totalitärer Regime

Vor gut drei Wochen ist es an der Spitze des tschechischen Instituts für das Studium totalitärer Regime zu einem Wechsel gekommen. Der bisherige Direktor Pavel Žáček hört auf, er war in den Wochen und Monaten zuvor teilweise scharf kritisiert worden. Ihn ersetzt der Historiker Jiří Pernes, der zuvor den wissenschaftlichen Beirat des Instituts leitete. Noch bevor er sein Amt offiziell angetreten hat, ist Pernes auch zur Zielscheibe von Kritik geworden.

Das Institut für das Studium totalitärer Regime gibt es in seiner jetzigen Form seit zwei Jahren. Über seine Existenz und Tätigkeit war die tschechische Gesellschaft von Beginn an gespalten in ihrer Meinung. Die eine Hälfte – meist sind es Anhänger der bürgerlichen Parteien - begrüßt und unterstützt die Tätigkeit des Instituts und meint, es wäre wichtig, die Zeit des Kommunismus für die kommenden Generationen zu dokumentieren. Der andere – eher links gerichtete - Teil der tschechischen Gesellschaft befürchtet eine Instrumentalisierung der Vergangenheit in der innenpolitischen Auseinandersetzung. Er kritisiert, dass das Institut für das Studium totalitärer Regime keine rein wissenschaftliche Einrichtung ist, die auf akademischem Boden steht, sondern organisatorisch dem Innenministerium angegliedert ist.

Dem früheren Institutsdirektor Pavel Žáček wird in diesem Zusammenhang vorgeworfen, die starke Politisierung des Instituts sogar noch gefördert zu haben. Ein weiterer Vorwurf gegen den früheren Institutsleiter ist, Žáček und seine Kollegen hätten die kommunistische Vergangenheit fast ausschließlich mittels der Akten der früheren Staatssicherheit interpretiert. Dazu sagt Žáček:

„Das ist eben der größte Irrtum. Diese Kritik kommt aus Kreisen der Akademie der Wissenschaften und von Leuten, die uns etwas vorwerfen, was sie selbst nicht geschafft haben. Es gibt ein Gesetz über das Institut für das Studium totalitärer Regimen, und das definiert ganz klar unsere Aufgaben. Die Kritik, dass wir alles durch die Optik der Staatssicherheit gesehen haben, greift ins Leere, weil wir bislang noch keine ganzheitliche Studie veröffentlichen konnten. Ansonsten ist das aber eine allgemeine Debatte darüber, was unsere Aufgabe ist und was andere tun sollten. Unsere Messlatte sind unsere Partnerinstitutionen im Ausland, nicht aber die erfolglosen Partnerinstitute bei uns zu Hause.“

Dem Team um Pavel Žáček sind allerdings einige handwerkliche Fehler unterlaufen. Zum Beispiel veröffentlichtes es die Information, dass der weltberühmte und in Paris lebende Schriftsteller Milan Kundera einen Kommilitonen aus der Studienzeit bei der Staatssicherheit angezeigt hätte. Das hat sich später als falsch herausgestellt. Schon zuvor verließen auch viele junge und profilierte Historiker das Institut, weil sie sich mit Žáček überwarfen.

Žáček hat auch am Ausschreibungsverfahren für den neuen Direktor teilgenommen, er ist aber Jiří Pernes untelegen. Gegenüber dem Tschechischen Rundfunk sagte er dazu:

Jiří Pernes
„Ich habe ein realistisches Konzept vorgelegt, das auf meinem detaillierten Kenntnisstand der bisherigen Lage aufgebaut hat. Es zeigt, wie man in Zeiten wie diesen eine Institution wie diese am Leben halten kann. Ich habe ein relativ radikales Konzept vorgelegt, das Einsparungen im Institut selbst wie auch im Archiv der Sicherheitsdienste ins Auge gefasst hat. Bei der Neubesetzung des Leitungspostens ging es nämlich nicht primär um den Direktor, sondern um denjenigen, der als Manager das weitere Bestehen des Instituts und die weitere Entwicklungen beider Institutionen sichern kann.“

Bei seiner Abschlussbilanz meinte dann Pavel Žáček:

„Zu den Erfolgen gehört ganz eindeutig die Entstehung des Instituts und dass es seine Tätigkeit in allen Bereichen aufnehmen konnte. Ebenso, dass qualifizierte Diskussionsbeiträge zur Vergangenheitsbewältigung in die Öffentlichkeit getragen wurden. Und nicht zu vergessen auch Erfolge auf internationalem Feld.“

In Tschechien war schon bald nach der politischen Wende darüber diskutiert worden, etwas wie das Institut für das Studium totalitärer Regime zu errichten. Die ersten Vorstellungen gingen in die Richtung einer Art tschechischen Gauck-Behörde. Ihre Hauptaufgabe hätte sein sollen, die Akten der kommunistischen Staatspolizei zu verwalten und vor möglichen Versuchen der Zerstörung zu schützen. Nach langem Hin und Her wurde Anfang der 90er Jahre das Amt für die Dokumentation und Ermittlung der Verbrechen des Kommunismus gegründet. Als Bestandteil der Obersten Staatsanwaltschaft hatte es auch Aufgabe, kommunistische Verbrechen, die noch nicht verjährt waren, aufzuklären und gegebenenfalls auch Unterlagen für die Polizeibehörden zusammenzustellen. Das Mandat des Instituts für das Studium totalitärer Regime ist jedoch ein anderes und der wissenschaftliche Aspekt steht stärker im Vordergrund.

Doch mit der Wahl des neuen Direktors Jiří Pernes hat sich die Lage rund um das Institut nicht beruhigt, eher im Gegenteil. Seiner Wahl wegen haben einige bekannte Mitglieder den wissenschaftlichen Beirats des Instituts verlassen, wie der Schriftsteller und frühere Botschafter Tschechiens in Deutschland und Österreich, Jiří Gruša, oder der Militärhistoriker Eduard Stehlík. Gruša sagte dazu, bei Pernes sei nicht sicher, ob er nicht von der Politik beeinflussbar ist.

Zudem tauchten Details aus Pernes´ Vergangenheit auf, die er – wie seine Kritiker meinten – noch vor dem Ausschreibungsverfahren hätte erwähnen sollen. So hatte Pernes vor der Wende die so genannte Abendschule des Marxismus-Leninismus besucht, in der angehende Kader und auch Parteinmitglieder ideologisch geschult wurden.

Was sagt Jiří Pernes selbst zu den Vorwürfen und stellen sie sein Wirken an der Spitze des Instituts nicht von Beginn an in ein schiefes Licht?

„Nein, überhaupt nicht. Ich sehe dabei nichts Schlechtes. Zu den Anforderungen an den neuen Direktor gehört, dass er vor 1989 nicht Mitglied der Kommunistischen Partei war und ebenso wenig Mitarbeiter der Staatssicherheit. Beide Bedingungen erfülle ich. Dass ich an der Abendschule für Marxismus-Leninismus eingeschrieben war, ist damit zu vergleichen, dass ich während meines Wehrdienstes die Treue zum Sozialismus schwor oder während des Studiums Prüfungen in Marxismus-Lenismus ablegen musste. Mit dem Besuch der Abendschule habe ich niemandem geschadet“, so Pernes.

Kritiker wie zum Beispiel Ex-Botschafter Gruša, aber auch zahlreiche frühere Bürgerrechtler befürchten, dass der neue Direktor das Institut schwächen und somit auch dessen stilles Ende einleiten könnte – insbesondere wenn man bedenkt, dass jene Parteien, die das Institut am stärksten kritisieren, nach den kommenden Wahlen die Regierung stellen könnten. Zu diesen Vorwürfen meint Pernes:

„Ich weiß wirklich nicht, wie ich das Institut schwächen könnte, wenn ich sein Direktor werden wollte. Ich bin natürlich dem Gesetz verpflichtet, das genau die Aufgabe des Instituts für das Studium totalitärer Regime definiert. Meine Aufgabe ist, und ich sehe durchaus eine Berufung darin, die Arbeit des Instituts im Gegenteil so stark wie möglich qualitativ zu verbessern und zu erreichen, dass die Gesellschaft die Existenz des Instituts nicht in Zweifel zieht, sondern dass sie unser Institut als wichtiges Instrument zur Erhaltung des demokratischen Charakters der Tschechischen Republik schätzen lernt.“

Und zur künftigen Rolle des Instituts für das Studium der totalitären Regime sagt Jiří Pernes:

„Ich möchte gern, dass wir es schaffen, den Menschen klar zu machen, was man von den Tausenden Berichten der Stasi-Mitarbeiter erwarten kann. Dieses und jenes entspricht der Wahrheit, etwas anderes ist wiederum frei erfunden. Wir sollten also ein Wegweiser sein, der eine Interpretationshilfe liefert. Wir müssen den Menschen erklären, dass die in den Stasi-Archiven befindlichen Dokumente zwar vieles über die Gesellschaft aussagen können, bei weitem jedoch nicht alles.“