Letzte Adresse: Gedenktafeln an Häusern erinnern an Opfer des Kommunismus
Ein Name, ein Leben, eine Gedenktafel. So lautet das Motto des Projektes „Die letzte Adresse“. Die russische Initiative erinnert seit 2014 an die Opfer des sowjetischen totalitären Regimes. An diesem Dienstag wird das Projekt auch in Tschechien gestartet.
„Es handelt sich immer um die letzte Adresse von Menschen, die aus politischen Gründen verhaftet wurden und nie wieder zurückkehrten. Sie wurden entweder hingerichtet oder starben auf eine andere Weise in der Maschinerie des totalitären Regimes.“
Das Ziel der Initiative sei es, nicht an statistische Zahlen zu erinnern, sondern an konkrete Opfer, deren Leben vernichtet wurde, fügt die Koordinatorin hinzu. Neben dem Institut für das Studium totalitärer Regime ist die Organisation Gulag.cz der Träger des Projektes in Tschechien. Gulag.cz dokumentiert dabei die Spuren der bolschewistischen Gräueltaten einschließlich der tschechoslowakischen Opfer in der ehemaligen Sowjetunion. Zudem wird „Die letzte Adresse“ vom Verein der politischen Gefangenen und von der Prager Zweigstelle der russischen NGO Memorial unterstützt.
Als das Projekt 2015 zum ersten Mal in Tschechien vorgestellt wurde, wollten die Initiatoren mit Gedenktafeln an das Schicksal derjenigen erinnern, die kurz nach dem Kriegsende in der Tschechoslowakei vom sowjetischen Geheimdienst verhaftet und in die Gulags verschleppt wurden. Inzwischen konzentriert sich das Projekt hierzulande jedoch auf die Opfer des kommunistischen Regimes in der Tschechoslowakei.„Wir haben uns so entschieden, weil wir davon überzeugt sind, dass der Öffentlichkeit die Opfer aus den Reihen der tschechischen Bürger näher sind, die in der Tschechoslowakei von den Kommunisten hingerichtet worden sind. Wir haben uns in den letzten zwei Jahren darauf konzentriert, die erforderlichen Dokumente und Adressen zu überprüfen. Am Dienstag werden die ersten Gedenktafeln an vier Häusern in Prag installiert.“
Die unauffälligen Gedenktafeln in der Größe eines Briefumschlags sind ein Pendant zu den Stolpersteinen, die in europäischen Städten an die Holocaust-Opfer erinnern. Jede Gedenktafel enthält die wichtigsten Angaben über den vom kommunistischen Regime verfolgten Menschen. Die erste Gedenktafel wird in der Straße Úvoz Nr. 13 auf dem Hradschin installiert. Sie erinnert an den Jura-Studenten Veleslav Wahl, der im September 1949 verhaftet und nach einem politischen Prozess zum Tode verurteilt wurde. Wahl wurde am 16. Juni 1950 hingerichtet. Im selben Haus wie Wahl lebte auch der Jurist und Honorarkonsul von Panama Josef Růžička. Er hat mehr als 1000 Juden Visa für Panama ausgestellt. Růžička wurde im KZ Mauthausen ermordet. An ihn erinnert ein Stolperstein, der vor zwei Jahren in das Pflaster vor dem Gebäude eingelassen wurde. Michaela Stoilova dazu:„Wir interessierten uns für das Schicksal von Veleslav Wahl. Zufälligerweise lebte im selben Haus Josef Růžička. Er war der Vater von Wahls Frau Taťána Růžičková-Wahlová, die auch eine politische Gefangene war.“
Das Projekt der letzten Adresse wird auch in der Ukraine und in Polen verwirklicht. Das Datum für die Installation der ersten Gedenktafeln in Prag wurde nicht zufällig gewählt. Der 27. Juni gilt in Tschechien als Tag des Gedenkens an die Opfer des kommunistischen Regimes.