Beginn der britischen EU-Präsidentschaft - Tschechien bereit, über alle Vorschläge zu verhandeln
Zum 1. Juli übernimmt Großbritannien aus den Händen von Luxemburg die EU-Ratspräsidentschaft - ausgerechnet also die Nation, die gemeinhin für das Scheitern der Haushaltsverhandlungen auf dem zurückliegenden EU-Gipfel vom Juni verantwortlich gemacht wird. Auf einer vorgezogenen Antrittsreise durch die vier Visegrad-Staaten kam nun der britische Vizepremier John Prescott am Mittwoch in die tschechische Hauptstadt. Thomas Kirschner berichtet.
"Nach meinem Eindruck - und ich hoffe, dass mir der britische Vizepremier Prescott das heute nachsehen wird - ist Großbritannien mit der Absicht in den Gipfel gegangen, keine Einigung zu erreichen. Erst auf dem Gipfel haben sie angefangen, von der Notwendigkeit einer Reform der EU-Finanzen zu reden. Von dieser Forderung war zuvor noch nie die Rede gewesen, nicht mal am Tag vorher. Deshalb glaube ich, dass man es wirklich so sagen kann: Die Briten hatten die Absicht, eine Einigung platzen zu lassen."
Prescott kündigte am Mittwoch in Prag an, dass die Haushaltsverhandlungen bereits unter der britischen Ratspräsidentschaft im kommenden Halbjahr fortgesetzt werden sollen. Großbritannien will sich dabei für einen Abbau der Landwirtschaftssubventionen und für verstärkte Investitionen in Wissenschaft, Ausbildung und Technologie einsetzen. Premier Paroubek erklärte, dass Tschechien bereit sei, über alle rationalen Vorschläge zu verhandeln. Zugleich zeigte der tschechische Premier Verständnis für die Kritik der Nettozahler und erinnerte vor allem an den Beitrag Deutschlands.
"Deutschland trägt traditionell schon lange Jahre zwischen einem Viertel und einem Fünftel der Ausgaben des ganzen EU-Haushaltes. Wenn also jemand in moralischer Hinsicht das Recht hat, die Situation der europäischen Finanzen zu kommentieren, dann ist das gerade Deutschland."Bei einem Treffen von Prescott mit dem tschechischen Außenminister Svoboda kamen beide Politiker darin überein, dass die europäische Integration fortgesetzt werden müsse. Nach den Worten Svobodas steht die Union nicht vor unlösbaren Problemen.
"Weder der Ratifizierungsprozess noch die Verfassung sind tot. Auch ist die gegenwärtige Debatte keine Krise der gesamten Europäischen Union, sondern eben eine Debatte über eine Neugewichtung im Bereich des EU-Haushaltes. Und ich bin davon überzeugt, dass auch Tschechien für diese Debatte bereit ist."
Ob das so ist, zeigt sich vielleicht schon am Donnerstag im Abgeordnetenhaus, wenn die Aussprache über die EU-Verfassung in die zweite Runde geht und Premier Paroubek die Abgeordneten daneben über die Ergebnisse des zurückliegenden EU-Gipfels in Brüssel informieren wird.