„Bei den Menschen ankommen“: Chefredakteurin Klára Stejskalová
Seit September 2016 läuft der Auslandsdienst des Tschechischen Rundfunks unter neuer Leitung: Nach 18 Jahren unter Miroslav Krupička, nahm Klára Stejskalová auf dem Chefsessel Platz. Ein Gespräch mit der neuen Chefredakteurin von Radio Prag über das Radio im Zeitalter des Internets, die Freuden und Leiden eines Auslandskorrespondenten und die Zukunft des Auslandssenders.
„Für mich war es so etwas wie Heimkehr. Meine ersten journalistischen Schritte nach der Universität habe ich in der tschechischen Redaktion von Radio Prag gemacht. Damals arbeitete ich aber nur ein paar Monate beim Auslandsdienst. In gewisser Weise hat sich in den 20 Jahren, die seitdem vergangen sind, hier nicht so viel verändert. Selbstverständlich auch deswegen, da der Zweck der Sendungen der gleiche ist: Im besten Sinne über die Lage in Tschechien zu informieren. Und das nicht nur über die Politik in der Tschechischen Republik, sondern auch über Interessantes aus Kultur, Geschichte oder Sport.“
Sie sind aus den Inlandssendungen zu uns gekommen, genauer gesagt aus der Auslandsredaktion. Was gefällt Ihnen bei uns denn am besten?
„Jede Nation hat eine andere Mentalität und einen eigenen Humor. Das ist interessant, manchmal lustig, manchmal macht das einen aber auch wütend.“
„Mir gefällt vor allem, dass ich in einem internationalen Team arbeiten kann. Wie Sie schon erwähnt haben, habe ich in der Auslandredaktion gearbeitet. Darum habe ich auch viel Zeit in Ausland verbracht. Und jetzt, da ich wieder in Prag bin, habe ich durch unsere Sendungen weiterhin Kontakt mit der Welt. Hier bei Radio Prag ist das Kollektiv sehr bunt, hier sind Redakteure aus Kanada, Costa Rica, Spanien, Irland, Frankreich, Lettland, Russland und selbstverständlich aus Deutschland. Und jede Nation hat eine andere Mentalität und einen eigenen Humor. Das ist interessant, manchmal lustig, manchmal macht das einen aber auch wütend. Insgesamt empfinde ich die Zusammenarbeit der verschiedenen Nationalitäten dennoch als positiv und inspirierend.“
War es eine große Umstellung für Sie, die Blickrichtung umzudrehen, also dem Ausland nun etwas über Tschechien zu berichten?
„Ja. Das war und ist bis heute für mich persönlich die größte Veränderung. Über 20 Jahre habe ich versucht, dem tschechischen Publikum das Weltgeschehen zu vermitteln. Ich war in Rom, als Papst Johannes Paul II. gestorben ist und Papst Benedikt gewählt wurde. Ich habe sehr oft über die Lage in der Türkei informiert. Ich weiß schon nicht mehr, wie viele italienische Wahlen ich als Journalistin absolviert habe. In der Vergangenheit habe ich auch gewaltige Demonstrationen und die großen Gipfeltreffen begleitet. Es war alles in allem eine sehr interessante und spannende Arbeit. Jetzt fehlt mir besonders der Adrenalin-Kick während den Live-Sendungen. Aber hier bei Radio Prag habe ich andere Herausforderungen und ich hoffe, dass ich meine reichen Erfahrungen hier verwenden kann. Tschechien spielt heute keine große Rolle in Europa. Daher haben die meisten Medien aus anderen Länder keine Korrespondenten hier. Ausländer, die nach Tschechien kommen und sich informieren wollen, finden außer bei uns kaum Informationen in ihren Sprachen. Ich finde es wichtig, diesen Menschen ein Bild unseres Landes zu vermitteln. Und da ich in den vergangenen Jahren sehr viel Zeit im Ausland verbracht habe, kann ich jetzt auch persönlich Neues an Tschechien entdecken.“
Mehrere Jahre waren Sie Korrespondentin für den Tschechischen Rundfunk in Berlin. Welche Erfahrungen haben Sie aus Deutschland mitgenommen, und was hat Sie dort am meisten beschäftigt?
„Der deutsche Journalismus ist auf einem sehr hohen Niveau. Mir gefällt, wie die Artikel in die Tiefe gehen.“
„Der deutsche Journalismus ist auf einem sehr hohen Niveau. Mir gefällt, wie zum Beispiel die Artikel im Spiegel in die Tiefe gehen. Leider haben wir in Tschechien keine Zeitschrift dieser Art. Fantastisch finde ich auch die Satiresendung ‚heute-show‘ mit Oliver Welke. In letzten Jahren hatte das tschechische Fernsehen keinen Mut, so etwas senden. Die ‚heute-show‘ ist satirisch, aber klug. Als großer Sportfan muss ich auch sagen, dass ich Sportsendungen eher auf deutschen Kanälen schaue. Der deutsche Sportjournalismus ist meiner Meinung nach nämlich auch viel weiter als der tschechische. Zu meiner Arbeit als Korrespondentin: Das ist ein fantastischer Job. Man muss aus allen denkbaren Bereichen informieren. Vormittags über die Verhandlungen bei Kanzlerin Merkel, nachmittags über die Steueraffäre um Uli Hoeneß und schließlich abends über das Champions-League-Spiel von Borussia Dortmund oder ein Konzert am Brandenburger Tor. Gerade das hat mir am meisten gefallen. Die Arbeit ist nie langweilig und man lernt viele neue Dinge und Menschen kennen. Früher wusste ich zum Beispiel nichts über Elektromobilität, oder darüber, wie sich die Waschbären in Berlin ausbreiten. Darin ist die Arbeit eines Auslandskorrespondenten den Sendungen von Radio Prag ähnlich. Wir bringen hier auch Beiträge aus Politik und Wirtschaft, sprechen über Touristenziele und Kulturdenkmäler, aber genauso über Schlösser, Ausstellungen sowie Filme. Ein Auslandskorrespondent ist aber durchgehend im Dienst: von morgens bis in die Nacht, an den Wochenenden genauso wie an Feiertagen. Und ich erwarte oft, dass andere in der Freizeit genauso viel Begeisterung für ihre Arbeit haben. Das kann ein kleines Minus für meine neuen Kollegen sein.“
Kommen wir nun zur Zukunft von Radio Prag. Welche Pläne haben Sie mit dem Sender? Was soll sich ändern?
„Wir müssen neue Wege finden, damit unsere Beiträge bei den Menschen ankommen, die etwas über Tschechien erfahren wollen.“
„Wir sind jetzt ein reines Internetradio. Aber Radiosendungen sind heute nicht genug, viele Besucher unserer Homepage lesen nur die Artikel, wollen gute Fotos sehen und auch mal ein Video. Unsere Homepage ist sehr altmodisch. Gerade da habe ich aber eine gute Nachricht für alle Freunde von Radio Prag: In wenigen Tagen, also noch im Januar, werden wir unsere neue Homepage vorstellen. Und ich hoffe, dass sie attraktiv für unsere Hörer sein wird. Wir müssen auch mehr mit Sozialen Medien arbeiten. Ich hoffe, dass wir in diesem Jahr noch mehr Besucher zum Beispiel auf der Facebook-Seite der deutschen Redaktion finden werden. Zudem wollen wir auch mit Instagram arbeiten. Wir müssen neue Wege finden, damit unsere Beiträge bei den Menschen ankommen, die etwas über Tschechien erfahren wollen.“
Und was konkret bereiten Sie für unsere Hörer im Jahr 2017 vor?
„Liebhaber der Geschichte können sich auf Kapitel aus dem Leben der habsburgischen Kaiserin Maria Theresia freuen. In diesem Jahr wird der 300. Geburtstag dieser großen Herrscherin gefeiert. Wir wollen bekannte, aber auch weniger bekannte Informationen aus ihrem Leben in einem multimedialen Projekt vorstellen. Auch soll es im kommenden Jahr verstärkt um die tschechische Hauptstadt gehen, Prag ist seit 25 Jahren Unesco-Weltkulturerbe. Wir planen deshalb eine Serie über die unbekannten Ecken Prags. Auch werden Beiträge aus anderen Städten des Landes nicht fehlen, genauso wenig wie Berichte über tschechische Bräuche, Traditionen und die Küche. Aus der Politik muss ich die Parlamentswahlen im Herbst des Jahres erwähnen. Und jetzt im Januar sind es genau 20 Jahre seit der Unterzeichnung der Deutsch-tschechischen Erklärung. Wir bereiten eine Serie von Beiträgen von der deutsch-tschechische Grenze vor. Und als Premiere in den Sendungen von Radio Prag veranstalten wir eine offene Diskussion zu diesem Thema. Diese kann man am 18. Januar ab 14:00 Uhr live auf YouTube verfolgen. Ich hoffe, dass unsere Hörer auch im Jahr 2017 nicht genug von uns bekommen werden. Und wenn jemand Vorschläge zu unseren Sendungen hat, kann er uns diese per E-Mail oder bei Facebook jederzeit mitteilen. Wir würden uns sehr freuen.