Bewegung "Stonozka": Kinderhilfe von tausend Füßen getragen

Stonozka / Tausendfüßler

Bevor eine Gruppe tschechischer Soldaten, die den Weihnachtsurlaub in ihrer Heimat verbrachten, zu ihrem Wiederaufbauteam nach Afghanistan zurückkehrte, traf sie in Prag noch mit Bela Jensen, der Präsidentin der internationalen Bewegung "Stonozka", zusammen. Gesprochen wurde über konkrete Möglichkeiten den Kindern in der Region, wo die tschechischen Soldaten vom Aufbauteam Feyzabad tätig sind, zu helfen. Durch die Vermittlung der in Afghanistan stationierten tschechischen Soldaten wollen Schüler aus Tschechien den afghanischen Kindern helfen. Die Kinder von der inzwischen internationalen Bewegung "Stonozka" (zu deutsch "Tausendfüßler") haben mit ähnlichen Hilfsprojekten in Krisenregionen bereits Erfahrung.

Bela Jensen  (Foto: Autorin)
In der Region, wo die tschechischen Soldaten vom Wideraufbauteam eingesetzt sind, sind die meisten Schulen in einem desolaten Zustand und es mangelt ihnen an der notwendigsten Ausstattung. Die Schulen werden weder mit Strom, noch mit Wasser versorgt. Von Schulbüchern oder anderen Hilfsmitteln können die Kinder dort nur träumen. Da die bestehenden Schulgebäude allzu klein sind, dienen oft Zelte als Klassenräume. So beschrieb einer der tschechischen Befehlshaber die Lage, als er im November des vergangenen Jahres die Bewegung Stonozka um Zusammenarbeit bat. Die Soldaten suchten zwei Dörfer aus, denen die Hilfe aus Tschechien zugute kommen sollte. Zunächst soll in der Schule im Dorf Pas Pul eine Wasserleitung gelegt werden. In der zweiten Etappe wollen die Kinder von "Stonozka" Schulbänke für die Schule in Wakhidrew kaufen. Die notwendigen finanziellen Mittel gelang es während der Veranstaltungen zusammenzutragen, die Ende des vergangenen Jahres von Schulen in verschiedenen Orten Tschechiens initiiert wurden. Das nächste Mal wollen die Kinder von "Stonozka" Kindern im Waisenhaus in Feyzabad helfen.

Die Bewegung "Stonozka" hat sogar eine eigene Hymne. Sie heißt "Never be alone" und sowohl der Text als auch die Melodie stammen vom norwegischen Komponisten Arne Bendiksen. Es ist kein Zufall, dass die Hymne von einem Norweger geschrieben wurde. Denn auf die Idee, wie Kinder anderen Kindern helfen könnten, kam zwar eine Tschechin, sie lebte jedoch Jahre lang in der Emigration in Norwegen. Bela Jensen erinnert sich oft daran, wie sie nach dem Fall des kommunistischen Regimes 1990 ihre Heimat nach vielen Jahren wieder besuchen durfte. Damals wurde sie gebeten, einer tschechischen Kinderklinik zu helfen.

"Ich fand es aber absurd, für das tschechische Volk zu betteln. Und damit hat das alles begonnen. Mir fiel ein, dass tschechische Kinder Weihnachtskarten malen könnten, und ich diese Karten verkaufen und damit Geld für die Klinik zusammentragen könnte. Das war aber sehr naiv. Die Anfänge waren schlimm. Es fanden sich zwar Menschen, die mir Geld geben wollten, aber Almosen lehnte ich ab. Mit der Zeit nahmen uns dann die Menschen in Norwegen und später auch in anderen Ländern zur Kenntnis. Wir wollten ursprünglich einer einzigen Klinik helfen. Inzwischen helfen wir 45 Krankenhäusern in Tschechien und in der Slowakei."

Auf diese Weise entstand die Bewegung "Stonozka" / Tausendfüßler. Ihr Motto lautet "Auf eigenen Beinen". Inzwischen hat dieser Tausendfüßler weit mehr als tausend Füße: Der Bewegung, die zu einer international anerkannten Hilfsorganisation mit Erziehungsprogramm geworden ist, schlossen sich Tausende von Kindern und Hunderte von Lehrerinnen und Lehrern nicht nur in Tschechien, sondern auch in der Slowakei, in Polen, Norwegen und in Kanada an. Die Hilfe für Kinder in Krisenregionen wird auch weiterhin durch den Verkauf von Originalkarten mit Weihnachtsmotiven finanziert, die von Kindern gemalt werden. Außerdem organisieren die Schüler die so genannten "Wochen für den Tausendfüßler" sowie andere Veranstaltungen, bei denen sie auf konkrete Hilfsprojekte aufmerksam machen. Bis 1999 half der "Tausendfüßler" nur in Tschechien und in der Slowakei, vorwiegend beteiligte er sich an der Ausstattung von Kinderkliniken und Kinderheimen. Bela Jensen erinnert sich an das Jahr 2000 als einen wichtigen Wendepunkt in der Arbeit der Bewegung:

Kinder aus Cernosice mit Bela Jensen  (Foto: Autorin)
"Ich bekam damals einen beeindruckenden Brief von Schülern aus Halenkov. Sie schrieben darin, dass es gut ist, dass sie hier in Tschechien zur Schule gehen und spielen und sich freuen können. Aber was könnten die Kinder im Kosovo machen? Wir möchten diesen Kindern gern etwas schicken, hieß es in dem Brief. Und mir fiel ein, dass wir wenigstens einen Krankenwagen kaufen könnten. Durch den Verkauf von Weihnachtskarten sowie von Keramik verdienten die Kinder aber so viel Geld, dass sie sogar vier Krankenwagen kaufen konnten."

Stonozka / Tausendfüßler
Der Mann, der Frau Jensen und ihren Freunden die Krankenwagen verkaufte, versprach, diese nach Pristina transportieren zu helfen. Aber es zeigte sich, erzählt Bela Jensen, dass das unmöglich war. Wären wir mit den Krankenwagen über Albanien gereist, wäre von ihnen kaum eine Schraube übrig geblieben, sagt sie. Und so entschied sie sich, sich über die NATO an den Generalstab der Tschechischen Armee zu wenden. Bela Jensen räumt ein, dass sie sich nie im Leben hätte vorstellen können, dass sie einmal etwas mit der Armee zu tun haben könnte.

"General Siba, der mich damals empfing, war phantastisch. Er versprach, die Krankenwagen mit in den Kosovo zu nehmen und ich durfte mitkommen. Dort lernte ich die tschechischen Soldaten, die dort stationiert waren, kennen. Ich muss zugeben, dass ich bis zu der Zeit nicht geglaubt hätte, dass es so hilfsbereite und phantastische Menschen gibt."

Damit begann die Zusammenarbeit der Kinder von Stonozka mit der tschechischen Armee. Inzwischen wurden durch die Vermittlung der in den Friedensmissionen tätigen tschechischen Soldaten beispielsweise mehrere Schulen im Kosovo, in Bosnien und Herzegowina erbaut beziehungsweise renoviert. In Zusammenarbeit mit dem tschechischen Feldlazarett wurden auch Schulen in Afghanistan und im irakischen Basra ausgestattet, sagt Bela Jensen.

"Ich würde mir wünschen, dass die tschechischen Soldaten, die in den internationalen Friedensmissionen tätig sind, den Norwegern, Belgiern, Franzosen und anderen Völkern beibringen, wie man mit Menschen umgeht, die vom Krieg erniedrigt wurden. Denn wie ich mich mehrmals überzeugen konnte, sind die Tschechen in diesem Bereich Experten."

Die Kinder von "Stonozka" helfen mit ihren Bildern nicht nur Kindern in den Kriegsregionen, sondern auch im vom Erdbeben heimgesuchten Pakistan und dem von der Tsunami-Katastrophe betroffenen Thailand. Bela Jensen bestand darauf, dass in Thailand, wohin nach der Katastrophe Milliarden hohe Summen aus der ganzen Welt strömten, wirklich den Bedürftigsten geholfen wird.

"Ich habe mir gesagt, dass wir AIDS-kranken Kindern helfen sollten. Ich gebe niemandem das Geld nur so in die Hand, sondern ich muss vor Ort verlässliche Leute haben, die ich gut kenne. In Thailand war es in dem Fall der tschechische Botschafter Sitler, der das von uns gespendete Geld verteilte. Ich besuchte die einzelnen Orte danach auch selbst. Denn ich will die Übersicht behalten, wofür das Geld genutzt wurde. Die Kinder müssen schon etwas leisten, um die notwendigen finanziellen Mittel zusammenzutragen. Es dauert 3-4 Stunden, eine Originalkarte zu malen. Und sie muss wirklich schön sein, damit sie überhaupt jemand kauft. Und wenn sie dann jemand kauft, dann passieren Wunder: Für 12.500 Weihnachtskarten bauten wir eine Schule im Kosovo."

Die Bewegung "Stonozka" steht inzwischen ganz fest auf ihren zahlreichen Füßen. Ihre Aktivitäten sind sehr umfangreich, und so entschied sich Bela Jensen voriges Jahr, für zwei Jahre nach Tschechien zu kommen und alle Schulen, die mit "Stonozka" zusammenarbeiten, zu besuchen.

"Denn die Kinder müssen über bestimmte Dinge mehr erfahren, sie wollen mehr darüber hören, was wir an den einzelnen Orten in den verschiedenen Krisenregionen geleistet haben. Unsere Bewegung ist vor allem ein Erziehungsprogramm, sie ist kein Wohltätigkeitsverband."